Zwischen den Bäumen
Weitere Meter, weitere Bäume und diese absolute Finsternis, die sich wie Fäulnis über meinen Weg gelegt hat. Da vorne, ein altes Gebäude, keine Türen, vielleicht liegt dort ein Zettel. Bevor ich hineingehe, drehe ich mich nochmal um. Etwas sagt mir, dass ich längst nicht mehr alleine bin, nicht mehr alleine sein kann.
Und da ist etwas! Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich mir sicher, dass dort etwas zwischen den Bäumen lauert. Es steht einfach dort und wartet. Wartet, weil es weiß, dass es mich am Ende holen wird. Mir wird schwindelig, meine Sicht schwankt, das Bild meiner Kamera beginnt zu rauschen. Ich schüttele den Kopf, wende den Blick ab und sehe nochmal hin. Da ist nichts, lediglich Schatten, nur ein Hirngespinst. Mach dich nicht wahnsinnig!
Verfall
Ich gleite ins kühle Innere des Gebäudes. Weiße Fliesen bedecken Teile der Wand und des Bodens, alles wirkt– heller. Für kurze Zeit wird mein Kopf etwas klarer. Der Gang vor mir teilt sich, gibt Optionen frei. Einer wie der andere, ich werde sie eh alle absuchen müssen.
Ein Raum, in der Ecke ein alter, auf dem Boden liegender Stuhl und dort an der Wand, der zweite Zettel. Kurze Freude weicht blankem Entsetzen. Dieses Bild, diese scheußliche, absurde Karikatur eines Menschen.
Kein Gesicht, Gliedmaßen, deren Länge jeglicher menschlicher Erscheinungsform spottet. Dasselbe Wort, in vielfacher Ausfertigung, umhüllt die Gestalt. »NO«, immer und immer wieder. Alles ist so eng. Raus hier! Ich biege um die Ecke und da steht er, regungslos, auf mich wartend. Ein Geräusch, als würde jemand ein Klavier zertrümmern. Wieder schwinden mir die Sinne. Zitternd falle ich in den Raum zurück. Reiß dich zusammen, dein Gehirn spielt dir einen Streich. Die Dunkelheit macht dich paranoid! Langsam, so unendlich langsam, werfe ich einen Blick in den Gang. Nichts! Ich wanke ins Freie.
Flucht
Der Auftrag ist unwichtig, nur noch raus hier, raus! Auf welchem Weg bin ich überhaupt herein gekommen? Irrsinn, ohne eine Karte aufzutauchen. Ich sehe ihn nicht, aber ich weiß, dass er in der Nähe ist, mich beobachtet.
Ich gehe, laufe, renne, atme schwer und während ich mich durch das Unterholz schlage, muss ich an einen Mythos denken. Den Mythos über den Slender Man. Der, der auf dich wartet, wenn es dunkel ist und dem du nicht davonlaufen kannst, sobald du ihn einmal gesehen hast. Der, der dich eines Tages holen wird.
Ammenmärchen, nichts weiter! Wenn nur nicht dieses ständige Dröhnen in meinem Kopf wäre. Wo ist der verdammte Zaun? Ein Tunnel, nur einige Schritte weiter und im Schein meiner Taschenlampe leuchtet etwas auf: Ein weiterer Zettel. Den Ausgang der Röhre kann ich nicht erkennen, doch was ist, wenn er mich in die Freiheit führt? Keuchend haste ich los, im Vorbeilaufen reiße ich den Zettel an mich, sehe ihn nur kurz an. Bleistiftzeichnung, Bäume, die Worte »follows« und wieder diese unsägliche Kreatur. Als ich den Blick wieder nach vorne richte, sehe ich das Ende des Tunnels. Und ich sehe ihn. Mein Gott, er ist bereits so nah…
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