Schadenersatz: 35 Dollar
Natürlich landet die Hot-Coffee-Kapriole auch vor Gericht. Vier Kläger sehen die Gelegenheit, aus dem gebeutelten San Andreas-Hersteller gleich noch Entschädigungsgeld zu pressen. Die Sammelklage vor dem Distriktgericht von New York endet in einem Vergleich: Der Publisher Take 2 weist jede Schuld von sich (kurios: unter anderem weisen die Firmenanwälte vor Gericht schlüssig nach, dass bis zu drei Vierteln der GTA-Kunden beim Kauf nicht über das Alterssiegel nachgedacht hätten), ist aber bereit, Entschädigungen zu zahlen – und zwar maximal 35 US-Dollar pro Spieler. Die müssen dazu eidesstattlich versichern, dass sie von den Sex-Szenen schockiert seien und das Spiel nie gekauft zu hätten, hätten sie von den erotischen Darstellungen gewusst. Vorsorglich legt Take 2 eine Million Dollar zur Seite, um die Kosten zu decken. Bis zum Stichtag am 16. Mai 2008 geben allerdings nur 2.676 Käufer ihr Entsetzen zu Protokoll und kassieren die Wiedergutmachungsprämie. Der Hot-Coffee-Schock hält sich damit in Grenzen, Take 2 muss nur einen Bruchteil der einkalkulierten Gelder auszahlen – zumindest an die Kunden. Kostspielig ist der Prozess trotzdem. Denn der größte Batzen geht an die Juristen: Mit 1,3 Millionen US-Dollar übernimmt Take 2 die Anwaltskosten der insgesamt elf beteiligten Kanzleien. Vor allem aber legt der Fall nahe, dass Hersteller von Spielen für sämtliche Inhalte ihrer Produkte verantwortlich sind – selbst für die, die Spieler unter normalen Umständen nie zu sehen bekommen.
Verbot und Beschlagnahme
In Deutschland sieht man erotische Darstellungen eher gelassen – hierzulande kommen Spiele dafür unter Umständen für ihre Gewaltdarstellung vor den Kadi. So erging es zum Beispiel dem Zombie-Gemetzel Dead Rising von Capcom im letzten Jahr sowie den beiden Condemned-Teilen von Sega. Jede Staatsanwaltschaft in Deutschland darf auf eigene Initiative Spiele vor Gericht bringen, wenn sie einen Verstoß gegen den Paragraphen 131 des Strafgesetzbuches wittert – und zwar selbst dann, wenn diese Spiele eine USK-Einstufung erhalten haben, indiziert wurden oder (wie Dead Rising) in Deutschland offiziell überhaupt nicht erschienen sind, aber als Import-Version kursieren. Paragraph 131 verbietet die Darstellung und Verherrlichung grausamer Gewalt gegen Menschen – eine Vorgabe, die viel Spielraum lässt für Auslegungen. Wo die Grenze zur Grausamkeit liegt, entscheiden die zuständigen Richter.
Für Dead Rising war das am 11. Juli 2007 das Amtsgericht Hamburg, bei Condemned am 20. Februar 2008 das Amtsgericht München. Das Urteil: Verbot und Beschlagnahme, die Begründung im Fall Condemned: »Unmenschliche und grausame Gewaltdarstellung, Glorifizierung von Selbstjustiz und Gewaltanwendung und Unvereinbarkeit der Spielinhalte mit den geltenden Normen eines geregelten Zusammenlebens.« Als Konsequenz eines Verbots steht der Vertrieb des Spieles in Deutschland unter Strafe, Besitz und Kauf sind dagegen nach wie vor legal. Lediglich der Verkäufer oder Schenker macht sich strafbar. Ende August 2008 folgte dann der aktuellste Streich: Der zweite Teil des Spieles Condemned wurde ebenfalls verboten.
Solche Verfahren sind in Deutschland bislang Einzelfälle, aber sie treiben Spieleherstellern Sorgenfalten auf die Stirn. Denn im Gegensatz zu USK-Prüfung oder Indizierung ist ein Verbotsprozess kein Verwaltungsakt, sondern strafrechtlich relevant. Soll heißen: Wer hierzulande Spiele vertreibt, die möglicherweise gewaltverherrlichend sind, kann ins Gefängnis wandern. Noch wurde kein Firmenchef wegen Paragraph 131 verknackt; dazu müsste Vorsatz nachgewiesen werden, was kaum gelingen dürfte. Aber allein das Risiko schreckt Hersteller wie Microsoft (Gears of War) oder Take 2 (Manhunt) ab, manche Spiele hierzulande überhaupt zu veröffentlichen.
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