World of Warcraft - Warum Blizzard den Goldhandel legalisiert

Mit der WoW-Marke legalisiert Blizzard den Goldhandel in World of Warcraft. Ist das Pay2Win? Nein, sagt Michael Graf. Das ist ein verdammt kluger Schachzug. Und zwar aus mehreren Gründen.

Das System ist so einfach wie clever: Künftig dürfen World of Warcraft-Spieler mit echtem Geld Spielzeit-Marken (jeweils 30 Tage) kaufen, die sie dann entweder selbst nutzen oder im Auktionshaus gegen Ingame-Gold weiterverkaufen. Über den »Umweg« Spielzeit lassen sich also nun echte Euro in Gold umtauschen. Der genaue Kurs ist dabei noch unklar, weil Blizzard den Spielzeitpreis noch nicht bekanntgegeben hat.

Wichtiger ist aber sowieso die generelle Idee, denn damit legalisiert Blizzard den Goldhandel - und verdient noch dazu daran mit. Klar, diese Idee ist nicht neu, bei Eve Online lässt sich Spielzeit schon lange zwischen Spielern handeln, auch Wildstar erlaubt das. Ich finde es dennoch klug von Blizzard, nun ebenfalls diesen Weg zu gehen.

Denn die Designer schaffen damit sich selbst und den Spielern ein altes Problem vom Hals. Die (oft chinesischen) Goldfarmer sind bei normalen WoW-Abenteurern unbeliebt, weil sie nicht am Spiel teilnehmen, sondern nur stupide Münzen sammeln - oder gar durch Hacks und Betrug erschleichen.

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Mitverdienen am Goldhandel

Klar, der Verkauf von Spielwährung war seitens Blizzard verboten und wird es auch weiterhin bleiben, in den Nutzungsbestimmungen heißt es: »Sie stimmen zu, dass Sie unter keinen Umständen […] Gold, Waffen, Rüstungen oder andere virtuelle Gegenstände […] außerhalb der World of Warcraft-Plattform für ›echtes‹ Geld kaufen oder verkaufen oder tauschen.«

Spielzeit-Tokens lassen sich gegen Echtgeld oder Gold erwerben. Spielzeit-Tokens lassen sich gegen Echtgeld oder Gold erwerben.

Das heißt aber nicht, dass Gold nicht trotzdem gehandelt wird, die Preise rangieren je nach Server und Anbieter zwischen 40 Cent und 1,40 Euro für 1.000 Goldstücke. Durch den Spielzeithandel kann Blizzard nun den Goldfarmern nicht nur Kunden entziehen, sondern auch den Wechselkurs beeinflussen.

Denn die Echtgeld- und Goldpreise für die Spielzeit-Marken bestimmen nicht etwa die Spieler - sondern Blizzard selbst. Jede Marke darf nur zu einem vorgegebenen Preis im Auktionshaus verkauft werden, ein Bieterwettstreit findet nicht statt. Wer eine Spielzeit-Marke mit Gold kauft, darf sie zudem nicht mehr weiterverkaufen, sodass der Markt kontrollierbar bleibt.

Das wiederum setzt eine Obergrenze für den Goldpreis. Spielzeit gibt's nämlich sowieso schon gegen Echtgeld, eine 60tägige Game Time Card kostet rund 20 bis 26 Euro, eine 30-Tage-Marke wäre damit rund 10 bis 13 Euro wert (den genauen Echtgeld-Preis will Blizzard noch nicht bekanntgeben).

Dafür bekäme man auf dem Schattenmarkt ungefähr 11.000 bis 33.000 Goldstücke. Blizzard müsste also nur den Ingame-Preis auf, sagen wir, 500.000 Gold festlegen - schon wäre es für Spieler wesentlich lukrativer, Spielzeit zu verkaufen statt Gold bei Dritthändlern zu kaufen.

Dann müssten wiederum die Goldfarmer die Preise senken, woraufhin Blizzard wieder an der Preisschraube drehen könnte - und so weiter. Auch wenn der Schattenhandel mit Gold nie ganz verschwinden dürfte, wird er darunter leiden.

Und das entzieht ganz nebenbei einer unschönen Industrie ein Stück ihres Bodens. Die chinesischen Goldfarmer arbeiten nicht selten unter harten Bedingungen, haben wenig Freizeit bei minimalem Lohn. In manchen staatlichen Arbeitslagern zwangen die Wärter angeblich sogar Häftlinge dazu, Gold zu sammeln. Das sollte kein Spieler unterstützen.

WoW wird kostenlos

Okay, ganz so einfach wie skizziert ist das System in der Praxis dann doch nicht, denn beim Austarieren der Spielzeitpreise muss Blizzard Angebot und Nachfrage genau im Auge behalten. Wenn die Marken im Auktionshaus zu teuer sind und niemand zugreift, werden die erfolglosen Verkäufer doch wieder Gold bei Drittanbietern kaufen - egal, ob die Nutzungsbedingungen das nun untersagen oder nicht.

Wenn der Goldpreis für die Marken hingegen zu tief fällt, lohnt sich ihr Verkauf ebenfalls nicht mehr. Außerdem würde World of Warcraft dadurch de facto zum Free2Play-Spiel, weil sehr viele Abenteurer im Laufe eines Monats genug Gold erwirtschaften können, um damit anschließend einen weiteren Monat Spielzeit zu kaufen.

Wer sowieso schon auf einem Goldberg sitzt, kann WoW de facto kostenlos spielen. Wer sowieso schon auf einem Goldberg sitzt, kann WoW de facto kostenlos spielen.

Schon jetzt können Profispieler mehrere Tausend Gold pro Tag verdienen - wenn sie einen Großteil dieses Tages investieren, ihre Garnisonen sinnvoll nutzen und sich im Auktionshaus auskennen. Wer WoW beherrscht - und womöglich schon auf einem Goldvorrat sitzt, der selbst Smaug vor Neid erblassen ließe -, tja, der wird womöglich bald kostenlos spielen können.

Dieser Hauch von Free2Play dürfte auch durchaus im Interesse von Blizzard liegen, weil er Veteranen bei der Stange hält: Hey, wenn ich viel spiele, bezahle ich keine Monatsgebühren mehr! Dadurch bleibt das Spiel lebendig und die Welt bevölkert, was wiederum mehr Spieler anlocken könnte, die eigentlich schon aufgehört haben oder aufhören wollten: Hey, meine Freunde spielen immer noch WoW, da schaue ich auch mal wieder ein!

Das dürfte die Lebenszeit des Online-Riesen weiter verlängern und den Spielerschwund zwischen zwei Addons zwar nicht stoppen, aber abschwächen.

Kein Pay2Win

Der Spielzeithandel bringt jedoch auch Pay2Win-Vorwürfe, weil Spielzeit-Verkäufer mit ihrem (indirekt mit Echtgeld gekauften) Gold im Auktionshaus gute Ausrüstung ersteigern können, die ihnen wiederum Vorteile im Kampf verleiht -wenn auch hauptsächlich im Kampf gegen KI-Gegner. PvP-Ausrüstung lässt sich zwar auch ersteigern, aber nur sehr grundlegende. Noch dazu könnten die Preise im Auktionshaus steigen, je mehr Gold die Spielzeit-Verkäufer anhäufen - schließlich erhöht sich damit ihre Kaufkraft. Gelegenheitsspieler hätten es dann schwerer, einen Bieterwettstreit zu gewinnen.

Allerdings lässt sich hochwertige Ausrüstung mit einem entsprechenden Zeitaufwand ja auch erspielen; wer Echtgeld investiert, bekommt Zeit- und Komfortvorteile, aber keine exklusiven Items. Das ist meiner Ansicht nach kein Pay2Win, sondern gang und gäbe in Free2Play-Spielen.

Moment Mal: in Free2Play-Spielen! WoW ist aber kein Free2Play-Spiel - zumindest nicht für jeden. Wer keine Spielzeit kaufen kann - etwa, weil er zu wenig Gold erwirtschaftet -, wird dafür weiterhin Monatsgebühren bezahlen müssen. Und wegen der gestiegenen Preise noch dazu Probleme haben, Items im Auktionshaus zu ersteigern.

World of Warcraft: Warlords of Draenor - Test-Video zum fünften Addon Video starten 11:35 World of Warcraft: Warlords of Draenor - Test-Video zum fünften Addon

Das zementiert eine Zweiklassengesellschaft aus Viel- und Gelegenheitsspielern, die aber sowieso schon existiert: Wer viel spielt, ist natürlich im Vorteil, das liegt in der Natur des Genres. Blizzard hat mit dem Spielzeithandel nur noch einen weiteren - und notwendigen - Weg gefunden, Vielspieler zu belohnen. Denn die Entwickler können gar nicht so schnell neuen Content nachschieben, wie sie's eigentlich müssten, um engagierte Profis wirklich bei Laune zu halten.

Und just diese Vielspieler, diese treuen Veteranen sind es, die anderen von ihren Abenteuern erzählen, die den Ruhm eines MMOs in die Welt hinaustragen und mit ihrer Begeisterung kostenlos die Werbetrommel rühren. Dass die nun mit kaufbarer Spielzeit für ihr Engagement belohnt werden, ist ein kluger Schachzug.

Allerdings geht Blizzard hier noch nicht so weit wie Eve Online, dessen PLEX-Echtgeldwährung sich nicht nur in Spielzeit umtauschen lässt, sondern auch in Account-Dienstleistungen. Servertransfer und Namensänderung gegen WoW-Marken? Vielleicht auch für Blizzard ein Zukunftsmodell, der erste Schritt wäre jedenfalls getan.

Doch schon jetzt haben am Ende alle etwas vom Spielzeithandel: Blizzard selbst, die Vielspieler, die von Goldfarmern genervten Abenteurer und die Spieler, die gerne Echtgeld investieren, um dafür Gold zu bekommen. Nur die Goldfarmer haben nichts davon. Und das ist auch gut so.

Hinweis: Eine Kolumne ist ein persönlicher Meinungsbeitrag des Autors, der nicht unbedingt die Meinung der gesamten Redaktion widerspiegeln muss.

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