Seite 3: Stand der Spieleforschung - Welches Potential steckt in Spielen?

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Über Abhängigkeit

Der Mediziner Bert te Wildt sprach über Spiele und Abhängigkeit. Der Mediziner Bert te Wildt sprach über Spiele und Abhängigkeit.

Wo vor zwei Jahren noch die Frage nach der Wirkung von medialer Gewalt im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, war es diesmal das zweite große Öffentlichkeitsthema: die Suchtgefahr. Schon am Auftakttag hatte der Kongressleiter Prof. Winfried Kaminski beklagt, dass »der Begriff der Sucht inzwischen inflationär « gebraucht werde.

Entsprechend sprach der medienbekannte Mediziner Dr. Bert te Wildt von der Uniklinik Hannover in seinem vorsichtig abwägendem Vortrag auch nur von »Abhängigkeit« und »Impulskontrollstörung «. Generell lautet seine These: Spielesucht ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Symptom für tieferliegende psychische Störungen. Seine Studien weisen denn auch darauf hin, was diese Störung in der Regel sein dürfte: eine Depression. 22 von 30 untersuchten Spieleabhängigen zeigten teils starke depressive Züge.

»Der typische Besucher meiner Mediensprechstunde ist ein junger Mann, der auf dem Weg in ein unabhängiges Erwachsensein ein Stückweit gescheitert ist«, beschreibt te Wildt. »Viele ziehen sich gekränkt aus der realen Welt in die virtuelle zurück.« Dieses Verhalten hält te Wildt für durchaus bemerkenswert. Denn es sei nicht nur als Symptom zu verstehen, sondern zugleich als Lösungsversuch. Durch das Abtauchen in die virtuelle Welt stabilisieren sich Depressive selbst und nehmen Kontakt zu anderen Menschen auf, anstatt sich dem Krankheitsbild entsprechend abzuschotten.

Wird oft im Zusammenhang mit Spielesucht genannt: World of Warcraft. Wird oft im Zusammenhang mit Spielesucht genannt: World of Warcraft.

Was passiert, wenn man Abhängigen mit dieser Art von psychischem Problem den Computer wegnimmt, beschreibt te Wildt anschaulich am Bespiel eines 19jährigen aus seiner Praxis, der plötzlich aggressive Ausfälle hatte. »Er wurde ruhelos und impulsiv, fing ständig Streit mit den Freunden an und stieß dadurch natürlich auf Ablehnung. Das kippte schnell um in eine depressive-suizidale Stimmung.« Der junge Mann dachte an Selbstmord. »Den Computer einfach abzuschaffen, scheint nicht die Lösung zu sein«, folgert der Mediziner: »Ich empfehle das nicht.« Stattdessen gehörten Abhängige in psychologische Betreuung, um die zugrundeliegende Störung zu identifizieren und zu behandeln. Auch wenn te Wildt die Ergebnisse verschiedener Studien anzweifelt, nach denen bis zu 9,3% aller Internet- oder Spielenutzer als süchtig einzustufen seien (»Wenn man das hochrechnet - kann das überhaupt sein?«), häufen sich seiner Erfahrung nach dennoch vor allem die Problem im Umgang mit Online- Rollenspielen. »Wenn fünf Leute in meine Sprechstunde kommen, kann ich inzwischen bei vier sagen: Die spielen World of Warcraft. Das ist enorm, und wächst immer mehr.«

Über das Cheaten

Paradebeispiel für die Kombination aus Spiel und Lernen: Portal. Paradebeispiel für die Kombination aus Spiel und Lernen: Portal.

Eines der originellsten Themen der Tagung behandelte Julian Kücklich, der seiner Analyse über das Cheaten in Spielen eine provokante These voranstellte: »Das Brechen von Regeln ist wichtiger als die Regeln selbst.« Denn durch kreativen Betrug sprengen Spieler das Korsett des Programms und erweitern es schöpferisch. Der Rocket Jump, mit dem sich Shooter-Spieler seit Quake auf Explosionen durchs Level katapultieren, ist das klassische Beispiel, ein anderes der »Vote«-Befehl aus Counterstrike, den aus der Partie ausgeschiedene Spieler clever zweckentfremden, um Botschaften an noch aktive Kollegen zu senden.

Dass Kücklichs Vortrag gerade mal an der Oberfläche der Materie kratzte, zeigte die schiere Zahl der Wortmeldungen aus dem Publikum. Kücklich, der als Zuhörer in anderen Vorträgen als kluger Frager aufgefallen war, wurde nun selbst mit Ergänzungen überhäuft. Daraus entspann sich die lebhafteste Diskussion des Kongresses, die die Grenzen des Seminarraums locker übersprang. Vieles blieb offen: von der Überlegung, dass mündige Spieler das Spielerlebnis ihren Bedürfnissen anpassen, über die wirtschaftliche Dimension in E-Sport-Ligen bis hin zur Frage nach den ethischen Konsequenzen des Cheatens. Denn bei aller Kreativität ist es unter Spielern eine Frage der Ehre, Cheats eben nicht zu benutzen, selbst wenn sie leicht verfügbar sind. Man darf auf weitere Studien gespannt sein.

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