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Bürokratie, Diktatur und Armut: Papers, Please ist ein Spiel über Dinge, die wahrlich kein Spiel sind. Und gerade deswegen herausragend.

In Nordkorea haben sie just allen Ernstes den Sarkasmus verboten. Im seeltötend tristen Arstotzka aus Papers, Please wäre so eine Maßnahme gar nicht erst nötig - jedwede Form von Humor käme den Leuten hier überhaupt nicht mehr in den Sinn. Und doch denke ich gern an meine Zeit als Grenzbeamter in der kommunistischen Diktatur zurück. Für läppische 3,50 Euro würde ich sofort wieder zuschlagen, wenn ich den Dystopie-Thriller noch nicht besäße.

Paradox? Nein, nur ein Zeichen für ein echtes Ausnahmespiel. In Papers, Please ist erfolgreich, wer möglichst komplett zur bürokratischen Maschine wird. Und das Spiel tut alles, um mich dazu zu treiben. Sogar, echten Spaß an Dingen zu wecken, die eigentlich keinen Spaß machen könnten. Oder sollten.

Papers, Please für 3,50 Euro auf Steam

Als Grenzbürokrat muss ich darauf achten, dass nur zugelassene Einwanderer ins Land reisen. Als Grenzbürokrat muss ich darauf achten, dass nur zugelassene Einwanderer ins Land reisen.

In meinem kleinen Grenzkabuff ziehe ich Pässe über meinen Tisch, gleiche sie mit dem Regelbuch ab und drücke ihnen dann einen Stempel auf - rein oder raus. Jedes Dokument ist ein kleines Detektivspielchen: Ist wirklich alles in Ordnung? Finde ich nicht vielleicht doch einen Beweis für eine Fälschung? Eine besonders gerissene Fälschung zu entlarven, fühlt sich richtig klasse an.

Und mit jedem Tag schraubt das Spiel die Herausforderung hoch, indem es mich immer weiter in Papierkram ertränkt. Genosse Staat lässt sich ständig neue Regeln und Schikanen einfallen. Impfpass, Arbeitserlaubnis, Diplomatenschein, Einreisegenehmigung, Fingerabdrücke, alle wollen sie untereinander und mit meinem stetig wachsenden Regelbuch abgeglichen werden. Mit meinen Aufgaben wächst der Stress, aber auch die Erfolgserlebnisse.

Je mehr Regeln sich der Staat aus den Fingern saugt, desto anspruchsvoller wird es, den Überblick zu behalten. Je mehr Regeln sich der Staat aus den Fingern saugt, desto anspruchsvoller wird es, den Überblick zu behalten.

Zwischen Spaß und Elend

Nur: Mehr Zeit kriege ich dafür nicht. In ihrer Weisheit bezahlen mich meine großen Führer weiter nach der Anzahl an Fällen, die ich pro Tag abfertige. Dass ich mit jeder neuen Regel länger dafür brauche, juckt das Regime wenig. Es ist nicht mein Platz, das zu hinterfragen. Und so langsam dämmert mir, in was für einer unmöglichen Situation ich mich da eigentlich befinde.

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Denn meinen Lohn brauche ich, um meine Familie zu ernähren. Sich den ganzen Tag über abzurackern, nur um am Ende des Tages doch von der simplen Textmeldung »Sohn: Krank, Hungrig« begrüßt zu werden, weil das Geld nicht reicht - das ist ein elendes Gefühl.

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Lösung: Schneller arbeiten! Effizienter arbeiten! Ach ja, und auf simplen menschlichen Anstand pfeifen. Zum Beispiel kann ich bei Leuten mit falschen Dokumenten nochmal nachfragen. Oft erweist es sich dann als Missverständnis und ich kann sie doch noch passieren lassen.

Allein, das kostet Extrazeit ohne Extralohn. Beim ersten Problem eiskalt abweisen ist effizienter. Oder wegsperren lassen! Denn der Wachmann wird genau wie ich nach Fall bezahlt, und wenn ich ihm ein paar zusätzliche Gefangene schicke, teilt er die Früchte seiner Arbeit mit mir. Papers, Please zeigt gnadenlos auf, wie völlig logisch sich solche menschlichen Abgründe aus unmenschlichen Umständen ergeben.

Rebellion!

Wo ich kann, beginne ich mich gegen diese Logik aufzulehnen. Nicht, dass ich als kleine Drohne viele Möglichkeiten dazu hätte. Zwei Fehler erlaubt mir das Regime pro Tag, bevor es mir Geldstrafen auferlegt. Zwei Fehler, zwei Chancen: Um zum Beispiel einen Menschenhändler wegsperren zu lassen, der eine Frau über die Grenze verfolgen will - obwohl es an seinen Papieren nicht das Geringste auszusetzen gibt. Oder um ein Ehepaar gemeinsam einreisen zu lassen, obwohl nur der Mann das dürfte.

Das Spiel ist die Story: Report zu Emergent Storytelling (Plus)

Neben harmlosen Einwanderern ziehen auch Mitglieder einer ominösen Rebellenbruderschaft durch unseren Grenzposten. Neben harmlosen Einwanderern ziehen auch Mitglieder einer ominösen Rebellenbruderschaft durch unseren Grenzposten.

Vorausgesetzt, ich habe meine Freibriefe nicht schon durch echte Missgeschicke verpulvert. Oder ich brauche gerade dringend Geld für meinen Sohn und nehme deswegen lieber Bestechungsgelder von zwielichtigen Gestalten an.

Am Ende kriege ich dann doch noch sowas wie echte Macht: Ich kann einer Revolution gegen das Regime unter die Arme greifen, indem ich ihre Agenten passieren lasse.

Ob die Revoluzzer die bessere Alternative sind - wer kann das schon sagen? Ich bestimmt nicht. Ich bin ja nur ein kleiner Grenzbeamter, der einfach seine Familie ernähren will. Aus dieser Prämisse so ein faszinierendes Spiel zu stricken - das ist eine echte Leistung.


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