Streitgespräch zu Steam - Steam ist ein Segen

Die PC-Spieler können froh sein, dass es Steam gibt, sagt Markus Schwerdtel.

Steam hat uns befreit! Befreit von den verkrusteten Mechanismen des Publisher-Systems, das sich viel zu lange an den altmodischen Strukturen des traditionellen Musik- oder Buchvertriebs orientiert hat. Wir erinnern uns: Wer als Entwickler in der Prä-Steam-Ära erfolgreich ein Spiel veröffentlichen wollte, musste sich auf eine echte Ochsentour machen: Endlose Meetings mit Geldgebern, Prototyp-Pitching in den Hinterzimmern der Game Developers Conference, nervenaufreibende Abstimmungsprozesse mit Produzenten und Marketing-Leuten eines Publishers. Und dann hat das Spiel am Ende nicht mal viel mit der ursprünglichen Vision zu tun, sondern ist ein glatt geschliffenes Produkt ohne Seele.

Ganz anders jetzt: Schon auf der Steam-Startseite entdecke ich unzählige für mich interessante Nischentitel, die früher einfach als Hirngespinst in der Entwickler-Schublade geblieben wären. Natürlich sind das nicht alles reinste Indie-Perlen, aber Userbewertungen und Kuratorenlisten bewahren mich vor Fehlkäufen. Und das Beste: Statt mein Geld einem großen Publisher in den Rachen zu werfen, landet die Kohle (abzüglich Valves individuell verhandeltem Anteil) direkt beim Entwickler.

Die Gegen-Kolumne: Steam ist ein Fluch!

Der Autor
Wenn es eine Plattform gibt, auf der Markus Schwerdtel noch nicht gespielt hat, dann hat er sie noch nicht gesehen und noch nicht darauf gespielt. Unser Heft-Chefredakteur hatte sogar einen Acorn Archimedes - und besitzt eine Ouya. Für alle, die nicht wissen, was das ist: ein recht teurer Türstopper. Zugleich weiß Markus die Vorteile jeder Plattform zu schätzen. Steam liebt er vor allem als Fundgrube für obskure Indie-Spiele.

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Besitz bindet

Steam hat uns befreit! Befreit vom Ballast unzähliger Spieleschachteln, die ihr Dasein als Staubfänger im Keller fristen. Ich weiß, dass viele Spieler stolz auf ihre Sammlung sind und sie gern ins Regal stellen. Ich bin keiner von ihnen. In rund 30 Jahren Spielerkarriere kommt nämlich ganz schön viel Material zusammen. Da ist man froh, wenn einem eine einheitliche, komfortable Plattform die digitale Verwaltung des eigenen Spielearchivs abnimmt und es platzsparend in der Cloud parkt.

Und dabei hört der Komfort ja nicht auf: Funktionen wie das Family Sharing, der Big-Picture-Modus oder der Geschenk-Service sind extrem praktisch. Ja, all das ginge theoretisch auch ohne Steam, aber eben viel, viel umständlicher! Außerdem muss ich jetzt nicht mehr zum Release eines großen Titels vor dem Spieleladen kampieren, eine Schachtel kaufen und dann erst mal nach Hause fahren und installieren.

Nein, dank Pre-Load kann ich jetzt direkt loslegen, wenn die Uhr auf 00:01 springt. Ich gehe sogar so weit, zu sagen: Steam ist die ideale Vertriebsplattform für das durch und durch digitale Medium Computerspiel. Schachteln mit Datenträgern waren nur Krücken auf dem Weg in den natürlichen Lebensraum der Spiele: das Internet.

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Hätte ohne Steam vermutlich nie das Licht der Welt erblickt: Das fantastische Pixel-Aufbauspiel Kingdom. Hätte ohne Steam vermutlich nie das Licht der Welt erblickt: Das fantastische Pixel-Aufbauspiel Kingdom.

Kunst für alle

Steam hat uns befreit! Befreit von der Preisbarriere, die bisher viele Menschen vom Hobby Computerspiele ferngehalten hat. Denn auch wenn sich der krasse Preisverfall von Top-Titeln kurz nach Release für Entwickler katastrophal auswirken kann - für die Spieler ist er ein Segen! Noch nie war es so erschwinglich, immer die neuesten Spiele zu kennen. Und wenn man sich in unbekanntes Indie-Terrain wagt und es einem dann doch nicht gefällt, ist nicht soooo viel Geld verloren.

Außerdem nutze ich die regelmäßigen Steam-Sales, um meine digitale Bibliothek um Klassiker und Must-Haves zu ergänzen - noch dazu, ohne erst jeden Media Markt zwischen Rosenheim und Ingolstadt abfahren zu müssen, um noch den letzten Software-Pyramiden-Restposten aufzustöbern. Skyrim hatte ich zum Beispiel bisher nur auf Disk, der Himmel weiß, wo die Scheibe rumliegt. Für Siebenfuffzich gehört mir jetzt das Komplettpaket mit allen Addons, jederzeit auffind- und installierbar in meiner Steam-Bibliothek.

Klassiker wie Skyrim gibt es im Steam-Sale für ein paar Euro – ideal, um seine Bibliothek zu vervollständigen. Oder finden Sie ihre Skyrim-Disk noch auf Anhieb? Klassiker wie Skyrim gibt es im Steam-Sale für ein paar Euro – ideal, um seine Bibliothek zu vervollständigen. Oder finden Sie ihre Skyrim-Disk noch auf Anhieb?

Ja, mir ist natürlich klar, dass ich damit meinen »Spiele-Besitz« - innerhalb der durch die AGB vorgegebenen vertraglichen Grenzen - an die Willkür von Valve kopple. Und natürlich wissen Newells Mannen nahezu alles über mein Spielverhalten, meine Vorlieben und ein Stück weit sogar über meine Finanzen (»Der kauft immer nur im Sale, der alte Knickerer. Hat's wohl nicht so dicke!?«). Aber ganz ehrlich: Google, Apple, Facebook, die NSA und das Finanzamt wissen mindestens genauso viel über mich. Datenschutz-Paranoiker werden deshalb ohnehin einen Bogen um die Vertriebsplattform machen. Für mich überwiegen in der Summe eindeutig die Vorteile - ich mag Steam.

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