Seite 3: Thief im Test - Everybody's darling is nobody's friend

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Gab's da mal Erfahrungspunkte?

Weil wir gerade beim Fokus-System waren: Darüber wurde im Vorfeld viel geschrieben und hitzig diskutiert. Was man sich eigentlich hätte schenken können, denn es spielt eine bemerkenswert unwichtige Rolle. Wenn wir es benutzt haben, dann eigentlich bloß aus Komfortgründen. Schließlich werden bei aktivierter Fokussicht alle Beutestücke und - Orte blau hervorgehoben, was das restlose Ausräumen der Levels spürbar beschleunigt.

Mit der Fokus-Ansicht werden nicht nur alle Beutestücke hervorgehoben, sondern auch Besonderheiten wie Fallen. Mit der Fokus-Ansicht werden nicht nur alle Beutestücke hervorgehoben, sondern auch Besonderheiten wie Fallen.

Die dezidierten Fokus-Fähigkeiten wiederum, also etwa die Zeitverlangsamung beim Knacken von Schlössern oder eine optische Anzeige von Schrittgeräuschen, haben wirschlicht nie benötigt, Puristen stellen das ganze Feature ohnehin aus. Kaufen dürfen wir diese Skills übrigens zwischen den Einsätzen bei einem NPC, und spätestens hier wird deutlich, dass die ursprünglich geplante Erfahrungspunktemechanik nach massiven Fanprotesten wieder gestrichen wurde.

Klar: Würden wir fürs Umhauen eines Gegners mit Erfahrungspunkten belohnt (wie noch vor einem Jahr vorgesehen), dann würde sichdas irgendwie nicht nach Thief anfühlen. Aber das kleptomanische Einsacken vonHaarbürsten zum Einkauf von geisterhaften Fokus-Fähigkeiten fühlt sich eben auch nicht nach Thief an - und motiviert längst nicht so sehr wie das ein Erfahrungspunktesystem à la Deus Ex getan hätte.

An dieser Stelle spürt man die Kompromissnatur von Thief erneut schmerzhaft - und wünscht sich, Eidos Montreal hätte den Mumm gehabt, konsequent in eine Richtung zu entwickeln: entweder Hardcore-Thief oder Mainstream-Action-Adventure. Zumal es innerhalb der Missionen optionale Ziele wie »nicht entdecken lassen« oder »alle Beutestücke stehlen« gibt, die förmlich nach einem Erfahrungspunkte-Bonus schreien - jetzt aber bloß Extra-Gold abwerfen, was weder Sinn ergibt noch nachhaltig zur Erfüllung motiviert.

Mehr vom alten Thief-Spielgefühl gibts in der Dark Mod Video starten 5:19 Mehr vom alten Thief-Spielgefühl gibt's in der Dark Mod

Ein einstimmiges Sound-Debakel

Bis hierhin hätten wir Thief qualitativ in die Liga von Dishonored eingeordnet, ein gutes, aber eben nicht sehr gutes Action-Adventure mit Schwächen in der formelhaften Story und latent übermächtigen Schleich-Fähigkeiten. Aber, oje, der Sound. Mal abgesehen davon, dass der Publisher Square Enix bei der deutschen Dialog-Regie geschlampt hat und die prinzipiell ordentlichen deutschen Sprecher bisweilen absurden Quatsch von sich geben (so begrüßt uns beispielsweise ein Straßenhändler mit den Worten: »Geh nachsehen« - eine zumindest interessante Übersetzung von »Take a look«), war die Sprachausgabe in der von uns getesteten Version miserabel abgemischt, häufig um mehrere Sekunden asynchron zum Bild und mitunter so leise, dass wir auf Untertitel zurückgreifen mussten. Schlimmer noch: Spielerisch ist es völlig unerheblich, ob wir nun auf Teppich oder Stein laufen - oder nach einem Sprung aus drei Metern Höhe genau hinter einer Wache landen, die merkt davon nämlich nichts.

Einzelne Wachen überraschen wir mühelos - und schicken sie im Handumdrehen ins Reich der Träume. Einzelne Wachen überraschen wir mühelos - und schicken sie im Handumdrehen ins Reich der Träume.

Eine Serie, die das Dolby-Surround-System einst zum Pflichtkauf machte und alleine über Soundeffekte mehr Atmosphäre transportierte als andere Spiele in halbstündigen Rendersequenzen, hat mehr Liebe zur akustischen Untermalung verdient als diese leblose Kulisse. Wenn in manchen Levels gut sichtbare Glasscherben über den Boden verteilt sind, damit auch ja nur Trottel oder Kurzsichtige auf die Idee kommen, dort langzulaufen, dann spricht das Bände über den spielerischen Anspruch eines auf den Massenmarkt ausgerichteten Schleichspiels.

Schickes Schwarz, schwache Kurven

Deutlich besser gelungen ist hingegen die Grafik, auch wenn es auf manchen Testsystemen zu rätselhaften Framerate-Einbrüchen kam und sich die Auflösung nicht immer umstellen ließ (siehe Kasten). Das Artdesign der Stadt wirkt durchdacht, die sanften Steampunk-Einflüsse harmonieren prima mit dem allgegenwärtigen London-Flair, nur gelegentlich stören schwache Texturen oder grobe Partikel-Effekte das stimmige Gesamtbild.

Richtig gut umgesetzt sind übrigens Garretts Hände: Wenn wir beispielsweise eine Kiste greifen, ein Schloss knacken oder mit den Fingern nach einem versteckten Schalter tasten, dann wirkt die gesamte Haptik wunderbar plastisch. Leider geht die Immersion mit Maus- und Tastatur zumindest teilweise flöten, weil es naturgemäß kein Vibrationsfeedback gibt und unsere Testversion auch keine akustischen Hinweise (etwa ein Klicken an der richtigen Stelle) lieferte.

Der Einsatz von Garretts Händen ist wunderbar plastisch umgesetzt, fühlt sich mit dem Vibrati-onsfeedback eines Gamepads aber deutlich besser an. Der Einsatz von Garretts Händen ist wunderbar plastisch umgesetzt, fühlt sich mit dem Vibrati-onsfeedback eines Gamepads aber deutlich besser an.

Ansonsten geht die Bedienung völlig in Ordnung, auch wenn wir uns ein stimmungsvolleres Inventar statt der sterilen Kacheln im Windows 8-Stil gewünscht hätten und uns nicht einleuchtet, warum wir die Maus auf der Karte nicht frei bewegen dürfen - und die Navigation dort auch noch invertiert ist. Viel schlimmer wiegt nämlich die teils dürftige Regie der eigentlich hübsch gerenderten Zwischensequenzen. Was in manchen Szenen unfreiwillig komisch wirkt, wird beim unsinnigen Finale zum so wahrscheinlich nicht geplanten »Hä?«-Moment. Noch immer fragen wir uns, ob die Autoren einmal zu oft Bioshock: Infinite gespielt haben, irgendein Zwischenschnitt einfach vergessen wurde oder ein erklärender Story-DLC schon in der Warteschleife kreist.

Technik-Probleme: Unsere Testversion litt unter erheblichen technischen Problemen. So wurden Spielstände teils unbrauchbar, die Framerate brach mitunter spürbar ein, und auf manchen Systemen kam es zu hässlichen Tearing-Effekten. Außerdem ließ sich die Auflösung nicht auf allen Testrechnern anpassen, das Spiel lief trotz anderslautender Einstellungen weiterhin in Full-HD. Auch die deutsche Tonspur verursachte Probleme: Gerade in Zwischensequenzen war die Sprachausgabe oft merklich asynchron zum Bild, die Lautstärke wirkte insgesamt schlecht abgemischt und war häufig zu leise. Laut Publisher Square Enix arbeiten die Entwickler bis zum Release noch an diesen Problemen, einige davon haben sie schon während unseres Tests gelöst, etwa die kaputten Saves.

Thief hinterlässt uns so, wie es uns begrüßt hat: unbefriedigend. Dazwischen steckt ein ordentliches, manchmal aufrichtig spaßiges Spiel, das so viel mehr hätte sein können, als es letztlich ist. Ein echtes Thief zum Beispiel. Oder ein Deus Ex in Steampunk. So ist es von beidem ein bisschen. Und nichts davon richtig.

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