Ein unübersichtlicher Geniestreich
Nerven kostet uns nicht nur die Ausgangslage, sondern auch das Gameplay selber. Denn das Wort »Mikromanagement« ist im Falle von Ultimate General: Gettysburg schlicht die Untertreibung des Jahrhunderts. Wenn sich am zweiten Gefechtstag fast 60 Einheiten gegenüberstehen und alle Befehle erwarten, ist schiere Panik eine durchaus angemessene Reaktion.
Grund für die unübersichtliche Menge an Truppen ist die Entscheidung, Einheiten in kleinteiliger Brigadestärke und, nicht wie bei der Konkurrenz Total War, in Regimentsgröße anzuzeigen. Außerdem werden Artilleriebatterien nicht gruppiert, sondern vom Spieler einzeln gesteuert. Gerade die große Anzahl an Kanonen erfordert dann doch etwas zu viel Mikromanagement - das sollten die Entwickler noch komfortabler gestalten.
Zwar lässt sich das Spiel jederzeit pausieren und währenddessen auch noch Befehle erteilen, unterschiedliche Geschwindigkeitsstufen bietet Ultimate General aber nicht. Allerdings ist das auch die große Kunst von Gettysburg: Selbst in der unübersichtlichsten Situation den Überblick zu bewahren.
Dabei hilft unter anderem die wirklich ansprechende Steuerungsmechanik: Statt per Rechtsklick unsere Truppen irgendwohin zu scheuchen, »ziehen« wir einen Pfeil von der ausgewählten Einheit zu ihrem Bestimmungsort.
Wenn unsere plänkelnde Kavallerie zuerst über ein Feld laufen, einen Wald umzirkeln und dem Feind schließlich in die Flanke fallen soll, dann zeichnen wir diesen Plan einfach auf die Karte - schon galoppiert unsere Reiterei los. Das Feature ist so simpel wie genial und dürfte unserer Meinung nach nun gerne in jedem Strategiespiel dieser Art auftauchen. Ein weiterer Vorteil: Durch die vielen Pfeile auf der Karte wissen wir zu jederzeit, was welche Einheit gerade tut.
Kluger Feind und dummer Freund
Genauso genial wie die Steuerungsmethode durch Aufzeichnen ist die Auswahl bei der Gegner-KI. Statt dem üblichen »leicht, mittel, schwer«-Triplet bietet Ultimate General zu Spielbeginn ein Zwei-Achsen-Diagramm aus Intelligenz und Aggressivität, bei dem wir den Gegner aus diesen zwei Parametern zusammenstellen.
So ist die leichteste Option »Vorsichtig«, bei der der Gegner weder aggressiv noch besonders gut spielt. Ganz anders ist dagegen die Wahl »Riskant«, bei der ein wenig kluger KI-General besonders offensiv drängt - und bei dieser Strategie nachvollziehbare Fehler macht, wie zum Beispiel bei einem schnellen Vorstoß seine Artillerie nicht ausreichend gegen Kavallerie zu beschützen.
Dem gegenüber steht wiederum der »gerissene« Feldherr, der kaum aggressiv spielt, durch seinen überlegten Spielstil aber auch kaum Raum für das Ausnutzen von Fehlern bietet.
All diese Optionen klingen nicht nur hübsch, sie lassen sich so auch im Spiel wiederfinden - und machen den Wiederspielwert von Ultimate General aus, da sich immer wieder neue Herausforderungen bei der immer selben Konstellation bieten.
Fahnenappell für KI und Grafik
So gut die globale KI-Routine ihren Job macht, so schwach ist sie auf der Ebene unserer eigenen, einzelnen Einheiten. Die sollen eigentlich laut Entwicklerversprechen auch gut selbst Entscheidungen treffen können, wenn wir ihnen erstmal keine Befehle geben. Wir haben aber bereits einige Male das Mikromanagement erwähnt - und auch hier heißt die Devise: Alles ist besser, wenn man es selber macht.
Denn gerne haben die Truppen Aussetzer wie das Vorstürmen in ausweglose Situationen. Oder unsere Männer kehren dem Feind unter Beschuss den Rücken zu, weil die KI-Routine die Einheit um zwei Bildschirm-Zentimeter zurücklaufen lassen will.
Allerdings haben die letzten Patches bereits deutliche Verbesserungen gebracht, so dass man mit einem finalen Urteil ruhig noch warten kann.
Auch beim 2D-3D-Grafikmix ist nicht alles Gold was glänzt. Zwar wirkt die Optik sehr liebevoll wie ein Tischdiorama zum amerikanischen Bürgerkrieg, allerdings sind alle Gebäude flache 2D-Sprites, die dreidimensional gezeichnet wurden. Die idyllische Illusion hält bei genauer Betrachtung nur kurz und wird völlig zerstört, sobald Einheiten ohne Kollisionsabfrage durch die Texturen marschieren.
Außerdem ist durch den hohen Kamerawinkel die Terrainhöhe schwer erkennbar, hügeliges Gelände ist nur mühsam auszumachen. Dabei setzt Ultimate General besonders auf den taktischen Einsatz von Höhenmetern, die Kampfboni liefern, Kanonen fast unendlich Reichweite bescheren und Sichtlinien für überraschende Flankenmanöver brechen - auch hier muss der Entwickler Game-Labs unbedingt nochmal nacharbeiten.
Und: Der Multiplayer hat gerade erst seinen Weg in Ultimate General: Gettysburg gefunden, häufige Verbindungsabbrüche und Bugs zu Hauf sind an der Tagesordnung. Aber bis die fertige Version 1.00 erscheint, dürften eh noch ein paar Monate ins Land gehen - einen offiziellen Release muss man nicht überhasten, was unlängst Planetary Annihilationbewiesen hat.
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