Ineffektiv, aber ideenlos
Im Film wird Neesons Unvermögen, seine missliche Lage nicht klären zu können, später zwar erklärt. Doch da man als Zuschauer lange glauben soll, dass er als vollkommen Unbeteiligter Opfer eines geheimen Komplotts wird, verliert das Mysteriöse, das Kernelement des gesamten Films, schnell an Reiz. Es wirkt unwirksam versucht, diesen Glauben mit unplausiblen Ideen und großen Logiklöchern aufrecht zu erhalten. Schlimmer wird es sogar, als nach und nach offen gelegt wird, was tatsächlich hinter allem steckt. Es folgt eine als große Wendung gedachte schwache Auflösung, die jedoch schon früh absehbar wird und dem Ganzen damit nicht bloß an Spannung nimmt - sie zieht das davor Gesehene nahezu ins Lächerliche, denkt man einmal über die Konstellationen und Ereignisse nach.
Von der Regie her ist der Film relativ solide umgesetzt. Jaume Collet-Serra treibt das Geschehen relativ flott vorwärts, doch gerade bei den eingestreuten Action-Szenen liefert er nur biedere Standardkost ab. Es gibt eine kleine destruktive Verfolgungsjagd, ein wenig Handgemenge, Explosionen, aber gegen einen 96 Hours ist die Action hier allenfalls eine Kaffeefahrt mit Großmüttern. Der Look des Films fällt relativ blau- und silberfarben, und damit sehr kühl aus, was von einem recht finsteren Soundtrack untermalt wird. Trotz effektiver Bild- und Tonwelten fehlt es dem Film jedoch bei aller technischen Hingabe völlig an stimmiger Atmosphäre, was in erster Linie an der schwachen Handlung und oftmals unmotivierten Darstellern liegt.
Uninteressante Intriganten
Liam Neeson selbst bleibt die größte Stärke des Films. Er trotzt den unplausiblen Gegebenheiten mit seiner schauspielerischen Klasse und schafft so einen Charakter, dem man zumindest in der ersten Filmhälfte noch gerne folgt, bevor ihn die zweite dann zu einem schwachen Jason-Bourne-Abklatsch verkommen lässt. Ebenfalls gut ist der deutsche Bruno Ganz (Hitler aus Der Untergang), der in einer kleinen, aber soliden Rolle überzeugt, während der immerzu gute Frank Langella (Frost/Nixon) leider nur wenige Momente bekommt. Diane Kruger aus Inglorious Basterds und den Vermächtnis-Filmen mit Nicolas Cage hingegen ist halbwegs akzeptabel, bleibt aber distanziert und wirkt als Rolle nie wirklich nötig.
Überaus schwach hingegen ist January Jones, derzeit aus der Serie Mad Men bekannt und im Sommer als Emma White Queen Frost in X-Men: Erste Entscheidung zu sehen, die als vermeintliche Ehefrau Neesons nicht viel blasser agieren könnte. Sie ist so schlecht, dass es aussieht, als lese sie ihre Dialoge von einem Teleprompter ab, allerdings schien Collet-Serra dies im Laufe des Drehs gemerkt zu haben und hat ihr eine finale Szene verpasst, die passend zum Charakter unfreiwilliges Gelächter provoziert. Der falsche Harris wird von Aidan Quinn gespielt, ist als Bösewicht aber ebenso ineffektiv wie der aus deutschen Filmen bekannte Stipe Erceg, der hier hölzern einen wortkargen Killer mimt.
Fazit
Christian Mester (bereitsgesehen.de):Unknown Identity will vieles sein – ein aufregender Action-Thriller vom Schlage eines 96 Hours, ein rätselhafter Charakterfilm im Stile eines Memento oder ein anspruchsvoller Krimi nach Art der klassischen Alfred Hitchcock Filme. Letzten Endes gelingt ihm jedoch nichts wirklich; es ist ein eher durchschnittlicher Thriller mit gewaltigen Logiklöchern, schwachen Figuren und nur mäßigen Actionszenen. Einzig Neesons sympathisches Auftreten und eine solide Werksregie sprechen dafür, dass man sich den Film einmal ansehen sollte. Wir empfehlen, auf die DVD zu warten.
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