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Man denkt, man betrachtet die wackelige Camcorder-Aufnahme eines Touristen, der am japanischen Etchū-Daimon-Bahnhof auf seinen Zug wartet - bis der strahlend blaue Tag plötzlich finsterer Nacht weicht und die lockere Atmosphäre zur echten Gänsehaut entartet.
Das Video des 3D-Künstlers Lorenzo Drago sieht nicht nur »verblüffend echt für ein Videospiel aus«, nein, es ist von der Realität kaum mehr zu unterscheiden. Wäre da nicht die entlarvende Horror-Einlage (ohne Jumpscares) in der zweiten Hälfte, die das Ganze zu solch einem viralen Hit in den sozialen Medien machte.
Seit der Veröffentlichung der Unreal Engine 5 trudeln immer häufiger überraschend schöne Spielszenen ein, die noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wären. In Sachen Glaubwürdigkeit kann der Bahnhofsszene aber bisher kaum ein Projekt das Wasser reichen. Wie hat Drago das nur angestellt? Finden wir’s raus!
Ohne Naniten oder Photogrammetrie
Wenn es darum geht, eine Umgebung mit extrem hohem Detailgrad darzustellen, setzen viele Entwickler auf die revolutionäre Naniten-Technologie der neuen Unreal Engine. Dank ihr bleiben selbst weit entfernte Objekte hochgradig detailliert, ohne dabei auf die Performance zu schlagen. Dasselbe gilt für Szenen mit einer Unzahl gleichartiger Objekte, wie etwa Felsen.
Für seine Nachbildung des Bahnhofs aus der Präfektur Toyama konnte Drago allerdings mit einer überschaubaren Sichtweite arbeiten, verzichtete auf den Einsatz der Technik und wählte stattdessen die verwendeten Blickwinkel sehr sorgsam.
Die realitätsgetreuen Texturen würden zudem nahelegen, dass es sich hierbei um vor Ort gemachte Photogrammetrie-Scans handelt, die Einzelheiten wie die Maserung des Holzes oder Verwittungsspuren penibel genau einfangen.
Doch auch hier erteilt der Künstler in seinem Interview mit den Kollegen von GamesRadar der berechtigten Vermutung eine Absage. Stattdessen habe er anhand von echten Fotografien das Aussehen des Bahnsteigs imitiert - von Hand mithilfe der »Substance Painter«-Software. Den Vergleich mit Photogrammetrie empfinde er aber als hohes Lob.
Wie und warum dieses Verfahren immer häufiger in Spielen angewandt wird, erklärt euch Kollege Dimi in diesem aufschlussreichen Video:
Er selbst war nie dort
Was vor allem mit der Umgebung vertraute Japaner überraschte, war, dass Lorenzo Drago diesen Bahnsteig in seinem Leben noch nie besucht hat und ihn dennoch so lebensecht nachempfinden konnte. Dass es nicht auf Anhieb wie eine Videospiel-Szene wirkt, habe ihm zufolge drei entscheidende Gründe.
Zum einen seien die typischen Spielgrafik-Artefakte dank der hohen Auflösung kaum zu bemerken und andererseits würden sich Entwickler bei den Proportionen oft weitreichende Freiheiten nehmen, um den Spieler zu führen oder interaktive Objekte hervorzuheben. Er habe sich dagegen ganz auf glaubwürdige Größenverhältnisse konzentrieren können.
Die Bewegungen der Kamera würden so vertraut wirken, weil er sie mittels VR-Steuerung aufgenommen habe. Die so auf den Blickwinkel übertragenen Körperbewegungen fanden also ganz natürlich statt und mussten nicht erst »gefälscht« werden.
Dass der Bahnhof so leer ist, hat wohl eher zeitliche anstatt technische Gründe, denn ihn glaubwürdig zu bevölkern hätte sicherlich Dragos Zeitrahmen von circa einem Monat gesprengt. Grundsätzlich hat die Unreal Engine 5 auch mit ganzen Massenansammlungen von NPCs keinerlei Probleme:
Ursprünglich gewählt habe er den Ort, nachdem er bei der Suche nach Referenzmaterial zufällig über ihn gestolpert war. Die Atmosphäre eines ländlichen japanischen Bahnsteigs habe ihn sofort fasziniert und diese nachzuempfinden wurde zu einer lehrreichen Herausforderung. Von entscheidender Hilfe sei dabei die Lumen-Beleuchtungstechnologie der Engine gewesen, die diesen Grad an Realismus deutlich einfacher zu erreichen mache.
Wie ging es euch beim Betrachten des Videos? Habt ihr schon vor dem drastischen Stimmungswechsel erkannt, dass es sich um Spielgrafik handelt, oder fandet ihr es auch so täuschend echt? Schildert uns gerne eure ersten Eindrücke in den Kommentaren!
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