Interview mit Yves Guillemot - »Vivendi würde unsere Werte zerstören«

Das sagt der Ubisoft-Chef und -Mitgründer Yves Guillemot zu den Übernahme-Avancen von Vivendi.

Vivendi vs. Ubisoft - Dieser Wirtschaftskrimi geht uns alle an! Video starten 11:54 Vivendi vs. Ubisoft - Dieser Wirtschaftskrimi geht uns alle an!

Der französische Medienkonzern Vivendi plant die Übernahme von Ubisoft, die Kollegen Markus Schwerdtel und Sebastian Stange haben bereits in einem Video erklärt, was genau dahintersteckt, und warum das alle Spieler etwas angeht. Bereits seit Monaten kauft Vivendi immer mehr Ubisoft-Aktienanteile zusammen, dementierte jedoch bislang alle Übernahmepläne.

Die Ubisoft-Gründer, Yves Guillemot und seine vier Brüder, versuchten derweil verzweifelt, ihren eigenen Unternehmensanteil wieder aufzustocken, weil sie um die Unabhängigkeit ihrer Firma fürchten. Als Mahnmal ziehen sie Gameloft heran: Der französische Mobile-Entwickler wurde von Michel Guillemot gegründet und im Mai 2016 von Vivendi übernommen, woraufhin die komplette Führungsriege aus Protest über das aggressive Geschäftsgebaren von Vivendi zurücktrat.

Ein ähnliches Schicksal droht nun Ubisoft, zum Schicksalstag könnte der 29. September werden. Dann steht die Jahreshauptversammlung der Ubisoft-Aktionäre an, auf der Vivendi versuchen dürfte, seinen auf inzwischen über 20 Prozent angewachsene Aktienanteil in einen größeren Einfluss umzumünzen.

Im Vorfeld der Versammlung hat uns Ubisoft vergangene Woche in die Pariser Firmenzentrale eingeladen - zu einem recht ungewöhnlichen Besuch. Es ging nämlich nicht um neue Spiele, sondern um Ubisoft selbst, um die Firmenkultur und die Gefahren der Vivendi-Übernahme. Darüber haben wir mit dem Ubisoft-Mitgründer und aktuellen Geschäftsführer Yves Guillemot gesprochen.

Yves Guillemot und seine vier Brüder gründeten Ubisoft 1986, um - wie Guillemot uns sagt - ihren Eltern die Kosten ihrer Ausbildung zurückzahlen zu können. In diesen 30 Jahren ist Ubisoft von der kleinen französischen Spielefirma zum drittgrößten Spielepublisher der Welt herangewachsen. Und dem droht nun der Verlust seiner Unabhängigkeit. Yves Guillemot und seine vier Brüder gründeten Ubisoft 1986, um - wie Guillemot uns sagt - ihren Eltern die Kosten ihrer Ausbildung zurückzahlen zu können. In diesen 30 Jahren ist Ubisoft von der kleinen französischen Spielefirma zum drittgrößten Spielepublisher der Welt herangewachsen. Und dem droht nun der Verlust seiner Unabhängigkeit.

GameStar: Herr Guillemot, was würde sich denn ändern, wenn Vivendi der Hauptaktionär von Ubisoft würde?

Yves Guillemot: Das wissen wir nicht, weil wir keine Gespräche mit Vivendi führen. Wir haben gefragt, welche Synergien entstehen könnten, aber Vivendi hat nicht geantwortet. Wir haben keine niedergeschriebene Erklärung darüber, was Vivendis Absichten sind. Wir hätten gerne, dass Vivendi uns erklärt, was sie vorhaben.

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GameStar: Dennoch befürchten Sie gravierende Auswirkungen und haben vor der Vivendi-Übernahme gewarnt - warum?

Yves Guillemot: Ubisoft ist so erfolgreich geworden, weil wir unabhängig und somit agil und flexibel waren. Um das zu tun, was wir tun, ist es wichtig, kein Teil eines großen Konglomerats zu sein. Wenn eine neue Firma die Kontrolle über Ubisoft übernehmen sollte, dann wäre das ein Desaster und würde all die Werte zerstören, die wir erschaffen haben. Daher sind wir vehement dagegen, Teil einer solch großen Firma zu werden. Weil es uns weniger Flexibilität und weniger Agilität bescheren würde in einem Markt, der sich durch den dauerhaften technologischen Fortschritt fortwährend verändert. Es ist sehr wichtig, unabhängig zu sein.

GameStar: Werden Sie Geschäftsführer bleiben, falls Ubisoft seine Unabhängigkeit verliert?

Yves Guillemot: Ich glaube nicht. Wenn Vivendi nur für Videospiele stehen würden, dann würden sie einfach ihre eigene Expertise verbessern. Aber sie sind ein ganzes Konglomerat von Firmen mit einem gemeinsamen Management. Wir haben kein Interesse daran, von Leuten verwaltet zu werden, bei denen wir nicht gewinnen können. Wer sich Ubisoft angeschlossen hat, der möchte Spielerfahrungen erschaffen, die weltweit geschätzt und erkannt werden. Wenn du gewinnen kannst, dann bleibst du bei dem Team, das gewinnt. Kannst du nicht gewinnen, dann musst du woanders hingehen.

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Beim Ubisoft-Event in Paris steht Yves Guillemot den versammelten Journalisten Rede und Antwort. Danach befragten wie den Ubi-Chef nochmals im Einzel-Interview. Beim Ubisoft-Event in Paris steht Yves Guillemot den versammelten Journalisten Rede und Antwort. Danach befragten wie den Ubi-Chef nochmals im Einzel-Interview.

GameStar: Bereits 2004 hat Electronic Arts versucht, Ubisoft zu übernehmen. Jetzt versucht es Vivendi. Was ist heute anders?

Yves Guillemot: Es ist eine ganz andere Situation, weil Electronic Arts erkannt hat, dass wir eine gemeinsame Lösung finden mussten. Also haben wir uns zusammengesetzt, nach Möglichkeiten gesucht und entschieden, dass wir im Geiste, in unserer Philosophie zu unterschiedlich sind und deswegen nicht zusammenpassen. Mit Vivendi ist ein solcher Dialog nicht zustande gekommen. Sie sind ein hauptsächlich finanzgesteuertes Unternehmen. Es ist schwer für sie, die Spieleindustrie zu verstehen. Ich kann auch nicht wirklich verstehen, warum Vivendi in diese Branche einsteigen möchte. Klar, es ist eine stark wachsende Industrie, aber um darin Erfolg zu haben, braucht man Beweglichkeit und Freiheit. Es kann natürlich dennoch sinnvoll sein, eine Firma wie Ubisoft zu übernehmen, aber man benötigt auch eine gewisse Expertise.

GameStar: Sie haben mal gesagt, dass Ubisoft kein Electronic Arts oder Activision Blizzard sei, weil Sie keine so großen Franchises besitzen würden. Wie haben sie das gemeint? Marken wie Assassin's Creed oder Splinter Cell sind ja auch nicht gerade klein.

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Assassin's Creed ist auch keine kleine Marke. Assassin's Creed ist auch keine kleine Marke.

Yves Guillemot: Stimmt, wir haben auch viele Franchises. Was ich damit meinte, war, dass Electronic Arts und Activision Blizzard eine gewisse Anzahl von Marken etabliert haben und davon leben können. Sie führen diese Marken sehr gut weiter, deshalb müssen sie in anderen Bereichen nicht so viel wachsen. Sie erhöhen ihren Profit mit den Marken, die sie besitzen. Ubisoft macht keine vier Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr, also müssen wir dauerhaft neue Marken entwickeln, um in neue Teile des Marktes vorzudringen. Wir verfolgen daher seit 30 Jahren einen anderen Ansatz als die anderen, um ohne deren finanzielle Mittel in neuen Genres Fuß zu fassen. Wenn EA oder Activision in ein neues Feld vordringen wollen, dann kaufen sie einfach eine Firma ein, die dort bereits erfolgreich ist. Für uns hingegen lautet die Kernfrage immer, wie wir selbst ein Produkt erstellen können, das es uns ermöglicht, in dieser Sparte erfolgreich zu sein. In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns von den anderen beiden. Es stimmt aber, dass wir - wenn wir eine Marke etabliert haben - eine ähnliche Philosophie verfolgen. Zumindest in dem Sinne, dass wir Marken erschaffen, die wir regelmäßig fortführen können.

GameStar: Wie entstehen denn diese Marken? Wie frei sind die Entwicklerteams, neue Idee umzusetzen?

Yves Guillemot: Es gibt natürlich gewisse Schritte und Kriterien, denen ein Entwicklerteam folgen und genügen muss. Oftmals sind es aber sehr kreative Teams, die sich in der Vergangenheit dabei bewährt haben, innovative, neue Ideen zu entwerfen. Diese Teams haben sich einen gewissen Stellenwert innerhalb der Firma erarbeitet, sie haben bewiesen, dass sie sich besondere Konzepte ausdenken können. Klar, auf der anderen Seite schauen wir schon, was der Markt macht, oder ob neue Hardware herauskommt und wir dort neue Dinge ausprobieren können, die die Möglichkeiten ausnutzen. Es ist ein Mix aus vielen Dingen, aber das Grundlegendste ist die kreative Leistung dieser Entwicklerteams.

GameStar: Vielen Dank für das Gespräch.

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