Wieder die »Killerspiele« - Argumentationsleitfaden für die Debatte

Wir nehmen uns die häufigsten Argumente der »Killerspiele«-Gegner vor und vergleichen Vorurteile und Realität.

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In GameStar/dev (inzwischen: Making Games Magazin) Ausgabe 01/2007 hatten wir den nachfolgenden Artikel als Argumentationsgrundlage für die aufflammende Killerspiel-Debatte erstmals veröffentlicht. Aus gegebenem Anlass möchten wir Ihnen den Leitfaden noch einmal ans Herz legen.

Argument: Diese Spiele sind doch widerlich, da bekommt man Punkte für besondere Brutalität.

Disziplin und Konzentration beim E-Sport. Disziplin und Konzentration beim E-Sport.

Analyse: »Sie müssen auf einen Knopf drücken. Dadurch wird etwa ein Arm mit einer Kettensäge abgetrennt. Diese Handlung wird zudem positiv bewertet, wenn man sein Opfer zuvor quält. Fürs Arm-Abtrennen gibt es 100 Punkte, fürs Kopf-Abtrennen 1000 Punkte.« Und es wird »gefoltert und getötet«, sogar »in brutalster Form«. All das sagte Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen, in einem Interview mit dem Stern. Schlimm wäre das, wenn's denn stimmen würde. Stimmt aber nicht. Wir kennen kein in Deutschland frei erhältliches Spiel, in dem derlei Dinge passieren. Deutschland hat seit vielen Jahren strengere Maßstäbe als andere Länder, die Hersteller sind sensibilisiert, der Handel hat Angst vor schlechter Presse -- die Liste der Spiele, die in, beispielsweise, der Schweiz erscheinen, in Deutschland aber nicht, die ist lang. Im gleichen Interview gibt Herr Schünemann übrigens folgendes zu: »Ich habe nicht gespielt, sondern ich habe mir diese Szenen aus mehreren Spielen zeigen lassen.«

Argument: Wer Gewalt spielt, übt auch Gewalt aus.

Analyse: »Das ist eine voreilige Schlussfolgerung, die impliziert, dass die bloße Übung einer Handlung bereits dazu führt, dass man diese Handlung danach auch real ausführt. Dem ist natürlich nicht so. Ob man in einer Weise handelt, wie man es vorher geübt hat, hängt von vielen Faktoren ab.« (Peter Vorder, Diplom-Psychologe, Berkeley)

Argument: Die USK ist zu lasch, das ist ja nur ein Schutzveranstaltung, ein Feigenblatt der Spieleindustrie.

TZ München, im November 2006. TZ München, im November 2006.

Analyse: In der Debatte um das Aussortieren von jugendgefährdenden Spielen ist es vor allem die USK, die Prügel bekommt. Die Kontrollen seien zu lax, polterte etwa Innenminister Uwe Schünemann, in TV-Kommentaren wurde das System als »Lachnummer« abgefertigt. Schuld daran mögen teilweise Missverständnisse sein, etwa um den Begriff der Selbstkontrolle (das Gremium ist unabhängig von der Spieleindustrie) oder dem Unterschied zwischen Altersfreigabe (USK) und Indizierung (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, BPjM). Bei den Zweiflern stößt aber vor allem eine Regelung auf Unverständnis: Bekommt ein Spiel ein Prüfsiegel, kann es nicht mehr indiziert werden, selbst wenn sich Jugendämter beschweren sollten. Den Kritikern gilt das Bollwerk Indizierung damit als durchlöchert.

Die USK verteidigt sich: Der europäische Vergleich zeige, dass der Jugendschutz in Deutschland wesentlich restriktiver reagiere als in allen Nachbarstaaten. Diese Meinung wird auf der Fachebene (und wenn die Kameras aus sind) durchaus geteilt. Als Wolf-Dieter Ring, der Präsident der Kommission für Jugendmedienschutz, Ende November auf einer Podiumsdiskussion in Berlin vehement das System der Selbstkontrolle verteidigte, widersprach von den Politiker am Tisch -- Michaela Noll (CDU), Hans-Joachim Otto (FDP), Christa Stewens (CSU) -- keiner. Das wäre auch inkonsequent, denn die USK ist durchaus keine Veranstaltung der Spiele-Publisher, sondern politisch kontrolliert: Ein Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden (der so genannte »Ständige Vertreter«) sitzt mit am Tisch, wenn über Alterskennzeichnungen entschieden wird.

Am Rande: Wenn man böse Absichten unterstellen mag, könnte man sich fragen, aus welcher Richtung das Sperrfeuer auf die USK kommt. Der Hannoveraner Connection Schünemann-Dr. Pfeiffer jedenfalls könnte ein Eigeninteresse am Untergang der USK unterstellt werden -- wenn die USK abgeschafft würde, müsste sie ersetzt werden. Das wäre eine Chance für die Hannoveraner, öffentliche Gelder an Land zu ziehen.

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