Xbox One & PC wachsen zusammen - Eine glückliche Ehe?

Microsoft möchte in Zukunft seine Xbox-Konsolen und die Spieleplattform PC verheiraten. Markus Schwerdtel ist vorsichtig optimistisch.

Dass ich das noch erleben darf! Seit ich mich beruflich mit Spielen beschäftige, höre ich von Microsoft Behauptungen im Stil von »der PC ist für uns eine wichtige Spieleplattform«. Nur um mich dann mit Software-Unfällen wie Games for Windows Live rumschlagen zu müssen. Doch jetzt macht Microsoft endlich ernst! Die jetzt angestrebte Vereinigung von Xbox One und PC klingt durchdacht und plausibel, auch wenn die Pläne von Xbox-Chef Phil Spencer in letzter Konsequenz ein paar unerwartete Folgen haben dürften – sowohl für uns Spieler als auch für Entwickler.

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Markus Schwerdtel hat seit jeher neben seinem Spiele-PC auch diverse Konsolen stehen, die er genau so liebt wie seinen Rechner. Schließlich will er ja kein Top-Spiel versäumen, nur weil es exklusiv für irgendeine Plattform erscheint. So optimistisch er die Verschmelzung von Xbox und PC auch sieht, ein bisschen trauert er der Einzigartigkeit der Xbox-Konsolen schon auch nach. Aber hey, vielleicht gibt es dadurch endlich weniger fruchtlose Plattform-Fanboy-Diskussionen.

Weg mit Hardware-Bremse!

Erinnert sich noch wer an die Endphase der letzten Konsolengeneration, als PlayStation 3 und Xbox 360 aus dem letzten Leistungsloch pfiffen? Beliebte Beschwerde von PC-Spielern damals: Die »antike« Hardware der Geräte bremst die Evolution der Spiele, weil sich viele Entwickler an eine der Konsolen als Leitplattform halten und bei ihren Titeln die mittlerweile viel leistungsstärkeren PCs nicht berücksichtigen. Sollte Microsoft ihre Konsolen wirklich in regelmäßigen Abständen – ähnlich wie die jährlichen Smartphone-Updates vieler Hersteller – erneuern, wäre damit Schluss.

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Denn dann könnten Entwickler sich einfach drauf konzentrieren, ihr Spiel »so schön« wie möglich zu machen. Microsofts UWA-System (Universal Windows Applications) übernimmt dann – zumindest in der Theorie – die Aufgabe, das Spiel auch auf schwächere Xbox-Modelle beziehungsweise ältere PC-Hardware runterzurechnen. Jedes aktuelle Spiel würde auch auf einer »alten« Xbox One laufen!

Umgekehrt wäre die viel diskutierte Abwärtskompatibilität kein Thema mehr, auch ältere UWA-Titel müssten problemlos auf neueren Konsolen-Versionen funktionieren und im Idealfall sogar besser aussehen – grade so wie es heute schon auf dem PC der Fall ist. Kurz: Es wäre es wäre erst mal egal, wie alt meine Konsole bzw. mein PC ist, ich könnte ein den UWA-Spezifikationen entsprechendes Spiel auf allen Geräten zocken – toll! Und idealerweise, siehe Quantum Break, muss ich das Spiel dafür nicht zwei- oder dreimal kaufen, sondern nur ein einziges Mal. Soweit zumindest die Wunschvorstellung von Phil Spencer.

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Hey Rockstar Games, wie wäre es mit einer UWA-Version von Red Dead Redemption? Das könnte man dann endlich auch auf dem PC spielen... Hey Rockstar Games, wie wäre es mit einer UWA-Version von Red Dead Redemption? Das könnte man dann endlich auch auf dem PC spielen...

Upgrade-Wahn

Meine Sorge: Irgendwann wird auch das beste UWA-System es nicht mehr schaffen, ein aktuelles Spiel auf einer alten Konsole lauffähig zu machen. Und dann sind wir genau da, wo PC-Spiele schon immer waren: bei Mindest-Systemanforderungen mit all ihren Problemen und Ungenauigkeiten. Es wird Entwickler geben, die bei den Hardware-Angaben tricksen, um ihren Titel mit möglichst vielen Geräten kompatibel zu machen und so die Absatzchancen zu erhöhen – ganz egal wie grauslich das Spiel dann aussieht.

Und es werden AAA-Blockbuster erscheinen, die mit ihren hohen Anforderungen ganze Schwärme von Spielern zu einem Upgrade zwingen. Auch wenn sich die Aufrüstungszyklen im Vergleich zu früheren Jahren mittlerweile deutlich verlangsamt haben, fehlen mir sowohl Lust als auch Geld für ständige Konsolen-Neukäufe – schließlich ist die Technik-Stabilität ja seit jeher ein Vorteil der Konsolenwelt! Microsoft muss hier künftig beiden Zielgruppen gerecht werden: der aufrüstfreudigen (oder zumindest ans Aufrüsten gewöhnten) PC-Community und den Konsolenbesitzern, die ihrer Hardware länger »treu« bleiben. Ein kniffliger Spagat.

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Spencers Plan von der sich ewig entwickelnden Plattform funktioniert zudem nur, wenn die Entwickler die Xbox bzw. UWA überhaupt als wichtig genug sehen, um speziell dafür zu entwickeln. Denn aktuell ist die PlayStation 4 ist für viele Studios die so genannte Lead-Plattform im Konsolenbereich – etwa für Dice bei Star Wars: Battlefront. An ihr orientieren sie sich in Sachen Leistungsfähigkeit, die Fassungen für Xbox One oder PC werden dann oft lieblos runterkonvertiert. Ich denke aber, das könnte sich dank UWA ändern.

Denn damit entwickelt man plötzlich nicht mehr nur für die Käufer einer Xbox, sondern zugleich für Millionen Nutzer von Windows 10, also eine riesige potenzielle Käuferschar. UWA wäre damit die neue Lead-Plattform, die Fassungen für die PlayStation 4 dann nur noch eine Variante des Spiels für einen Mittelklasse-PC – was die PS4 aus Hardware-Sicht eben ist. Ich bin mir sicher, dass dieses Kalkül in der Microsoft-Strategie eine wichtige Rolle spielt.

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Xbox-Chef Phil Spencer spekuliert vielleicht darauf, Microsofts UWA-System als lead platform für alle Spiele-Entwickler zu etablieren. Xbox-Chef Phil Spencer spekuliert vielleicht darauf, Microsofts UWA-System als lead platform für alle Spiele-Entwickler zu etablieren.

Unter Phils Fuchtel

Microsoft verkauft sein UWA-System als Gewinn für Entwickler. Schließlich können die – siehe vorheriger Absatz – damit ganz praktisch für gleich zwei Plattformen entwickeln. Ganz so rosig sehe ich das aber nicht. Schließlich werden die UWA-Spiele ausschließlich über den offiziellen Microsoft Store verfügbar sein. Das hat für Endkunden wie uns Vorteile, etwa User-Bewertungen, ein einheitliches Bezahlsystem oder eben einen Hardware-Check der sicher stellt, dass mein gekauftes Spiel auch wirklich auf meinem jeweiligen Gerät läuft. Eigentlich so ähnlich wie bei Steam.

Doch wie jeder Apple iOS-Entwickler weiß, hat so ein geschlossenes System auch Schattenseiten: Strikte Zugangskontrollen, langwierige Freigabeprozesse (inklusive inhaltlicher Dreinrederei), Umsatz-Zwangsabgaben an den Shop-Betreiber, DRM und so weiter. Klar, bei den meisten dieser Aspekte steht noch in den Sternen, wie und in welchem Umfang Microsoft sie umsetzen wird. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man all diese Werkzeuge auch nutzen möchte. Wozu sonst sollte man so ein Shop-System bauen?

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Es besteht also die Gefahr, dass Microsoft den PC – oder zumindest den Windows Store – in Zukunft als ähnlich geschlossenes System begreift wie Xbox Live. Und beispielsweise auch keine Mods gestattet – oder nur über Umwege. Immerhin hat Phil Spencer bereits bestätigt, dass man Indie-Entwicklern Zugang zum UWA-System geben wolle – inklusive der typischen Freigabeprozesse. Was allerdings wiederum nichts Schlechtes sein muss, im Gegenteil: Bei Steam etwa herrscht gerade im Early-Access- und Greenlight-Bereich zu wenig Kontrolle. Betrugsversuche kommen immer wieder vor, Entwickler schalten und walten teils völlig willkürlich. Das sollte es bei Microsoft nicht geben. Dafür herrscht im Windows Store vielleicht weniger Vielfalt als im kunterbunten Steam, das fast jedem Entwickler eine Chance gibt.

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Chancen hin, Risiken her – unterm Strich stehe ich der Verschmelzung von Xbox und PC erst mal vorsichtig optimistisch gegenüber. Sie ist eine Chance, das Spielen am PC wieder nach vorne zu bringen. Auf dem Weg dorthin gibt es aber jede Menge Stolperfallen und Fettnäpfchen. Wünschen wir dem guten Phil Spencer und seinen Mannen mal viel Glück und Fingerspitzengefühl, damit am Ende alle davon profitieren. Wir als PC- und Xbox-Spieler, die Entwickler – und von mir aus dann auch Microsoft selbst.

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