Guter Shooter mit Dellen im Anzug

Crysis steht heute noch für ein großes „wow“, wenn man an die Grafik denkt. Auch in Sachen KI und Spielwelt hatte uns Crytek mit Crysis begeistert, nicht zu...

von S1ckn3sZ am: 14.04.2011

Crysis steht heute noch für ein großes „wow“, wenn man an die Grafik denkt. Auch in Sachen KI und Spielwelt hatte uns Crytek mit Crysis begeistert, nicht zu vergessen natürlich der Nanosuit. Nun geht es in Runde zwei und Crytek hat den Mund sehr voll genommen. Um aber den Umsatz zu steigern ist Crysis 2 nicht mehr exklusiv für den PC, sondern erscheint auch auf der PS3 und X-Box 360. Ob Crysis 2 dennoch der ganz große Wurf geworden ist, werden wir nun sehen.



Nicht nur Crytek will noch Einen drauf legen, sondern auch die Ceth, das sind die nichtmenschlichen Feinde in Crysis und Crysis 2. Während im Vorgänger die Invasion noch an einer Insel, nur bevölkert von ein paar koreanischen Soldaten, geübt wurde, geht es nun direkt nach Ney York. Einerseits schade, dass nun auch Crytek auf den Amerikazug aufspringt, andererseits bietet eine Stadt mehr Abwechslung als ein Dschungel. Doch der Schauplatz ist nicht das Einzige, was einen Wandel erlebt hat. Auch die Ceth haben nicht mehr viel mit dem ersten Teil von Crysis gemein. Tentakelarme und Flugfähigkeit wurde gestrichen, dafür gibt es nun einen humanoiden Körper und raubkatzenartige Bewegungen. Ohne Kampfanzug ähneln die Ceth aber immer noch Meereswesen, speziell Kopffüßern.

Auf in den Kampf

Wir starten mit dem neuen Charakter Alcatraz in einem U-Boot und sind unterwegs mit unserer Eliteeinheit zu einem ominösen Einsatz. Den Nanosuit tragen wir noch nicht, dafür startet Crytek nun das Best-Of-Beginning. Denn aus heiterem Himmel wird unser U-Boot angegriffen und wir müssen aus dem, sich mit Wasser füllendem, Boot retten. Das dauert zwar nicht ganz so lang, wie bei Call of Duty Modern Warfare, jedoch wird jeder daran denken, wenn man damals selbst die erste Mission mit Soap gespielt hat. Endlich aus dem U-Boot befreit müssen wir schnell an die Oberfläche schwimmen, zumindest wird einem das Gefühl vermittelt, sich beeilen zu müssen, eine wirkliche Luftknappheit gibt es nicht. An der Oberfläche angekommen befinden wir uns im Meer, mit brennenden Wrackteilen und sehen in der Ferne Land. Nach der „Leihgabe“ von Modern Warfare, bedient sich Crytek, nur wenige Sekunden später, dreist bei Bioshock.
Danach geht es dann aber eigenständig weiter und wir werden am Strand von Prophet gerettet und der Introfilm beginnt, der Filmen aus Hollywood in Nichts nachsteht.

Alcatraz wer? Der Held heißt Nanosuit!

Wie schon im ersten Teil baut man zu seinem Charakter wenig Bindung auf, aber der eigentliche Held des Spiels ist ja sowieso der Nanosuit. Den hat Crytek überarbeitet, in Crysis 2 spielen wir mit dem Nanosuit 2.0. Wann dieses Update in der Geschichte vorgenommen wurde wird nicht erwähnt, aber daran soll sich das Gameplay nicht stören. Tatsächlich geht die neue Handhabung des Wunderanzugs intuitiver von der Hand als im Vorgänger. Den Stärkemodus hat man dauerhaft, Shield und Cloak wählt man nun über Q und E aus. Die Nanovision ist abgeschlagen auf N gelegt, aber dieses Feature benötigt man so gut wie nie im Spiel.

Eine Neue Fähigkeit ist die taktische Sicht. Der Anzug weist uns bei einigen Abschnitten darauf hin, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, den Level zu meistern und zeigt uns diese an. Einsteiger finden diese Anzugeigenschaft eventuell gut, da man so niemals planlos in offenes Gelände läuft. Erfahrene Spieler oder gar Profis werden so die großen Schlauchpassagen wieder unnötig vereinfacht.
Über den Nanosuit hinaus steuert sich Crysis 2 fast wie jeder andere Shooter auch. Nur zur Seite lehnen geht nicht mehr, da Q und E bereits belegt sind und auch ein einfacher Granatwurf funktioniert nicht. Granaten muss man erst mit G auswählen und kann sie erst dann werfen, warum das so ist, weiß wohl nur Crytek. Pausenlos Granaten spammen bringt einen bei Crysis 2 aber sowieso nicht weiter.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel hat man die Möglichkeit den Nanosuit aufzurüsten, in dem man »Nano-Katalysatoren« von toten Ceth sammelt. Für die Katalysatoren bekommt man Punkte, die Anzahl ist abhängig vom Gegner, und für die Punkte kauft man dann Upgrades. Vier davon kann man gleichzeitig ausrüsten, wobei es maximal zwölf zu kaufen gibt. Man kann so zum Beispiel Stärke, Wahrnehmung oder Schleichskill stärken. Besonders spielentscheidend sind diese Upgrades jedoch nicht.

Streichelzoo für die KI

Wie schon angedeutet hat sich Crytek mit Crysis 2 von einer großen freien Welt verabschiedet. Meist bilden Trümmer in den Schluchten zwischen den New Yorker Hochhäusern eine natürliche Levelgrenze und so wird man stetig nach Vorn geführt. Wer auf gründliches Durchsuchen der Level aus ist, wird jedoch an der einen oder anderen Stelle vor einer unsichtbaren Wand stehen, die mitten durch den Raum verläuft oder aber einen daran hindert in einen wartenden Helikopter einzusteigen.

Die KI, der man sich stellen muss, ist im Regelfall anspruchsvoller als man es von anderen aktuellen Shootern gewohnt ist. Fehlerfrei ist sie aber deswegen noch lange nicht. Gerade in engen Räumen sehen die Gegner den Feind vor lauter Wänden oder Tischen nicht. Wenn man die KI aus der Ferne beobachtet fallen einem auch schnell die Schienen auf, in denen sich die KI-Gegner bewegen, zumindest so lange, bis man selbst entdeckt wurde. Und über Levelabschnitte hinaus kann sich die KI gleich gar nicht bewegen, so kommt es auch mal vor, dass man in einem Türrahmen steht und gemütlich einen Alien nach dem anderen abknallt. Dies ist dann genauso spannend und fordernd, wie Angeln im Zuchtteich.

Man muss sich auch nicht auf viele verschiedene Gegnertypen einstellen. Menschen halten immer gleich viel aus und sind entweder mit Sturmgewehr, Shotgun oder Sniper ausgerüstet. Ab und an steht auch einer an einem stationären oder auf lafettierten MG, aber dieser kommt bei geübten Spielern so gut wie nie zum Schuss. Bei den Ceth gibt es den Normalo, den Normalo mit Schild, den Tank und den Läufer. Da wäre auf jeden Fall mehr drin gewesen. Zumal die Läufer sehr selten zum Einsatz kommen, so dass man sich fragt, warum die Ceth auf Sparflamme angreifen.

Am Gegner vorbei mit den Standardwaffen

Die KI hat zwar ihre Schwächen aber sie ist immer noch gut, vor allem im direkten Vergleich mit Genrekollegen. Und dann bietet der Nanosuit noch verschiedene taktische Möglichkeiten. So sollte doch ein abwechslungsreicher Spielablauf gesichert sein, oder? Nein, leider nicht wirklich. Man kann fast immer am Gegner vorbei schleichen, aber das Spiel nennt sich ja Shooter und nicht Schleicher. Und so snipert man zu Levelbeginn meist die meisten Gegner weg und für die drei Verbliebenden schnappt man sich ein stationäres MG. Damit hat man sowohl die leise, wie laute Methode abgedeckt und am Ende spielt sich doch jeder Abschnitt gleicht. Nicht weil man nicht verschiedene Möglichkeiten hätte, aber sich immer die gleichen Vorgehensweisen am praktischsten anbieten.

Knapp an Munition ist man dabei so gut wie nie, mal abgesehen von C4, was meine persönliche Lieblingswaffe gegen größere Feinde war. Von allem Andern findet man genug überall und für die ganz Blinden ist vor besonders großen Feindansammlungen immer nochmal eine Munitionskiste „versteckt“. Allerdings verliert man seine Waffen zum Ende hin öfters mal, was nervig ist, weil man seine Lieblingswaffe im Eifer des Gefechts nicht immer findet.

Bei den Waffen ist man auch nicht gerade innovativ. Zwar schießen die Ceth ständig auf einen, aber deren Waffen kann man nicht aufnehmen. Nur eine coole Waffe gibt es zu finden. So eine Art Microwellenstrahlgewehr, mit der man die Gegner zum Platzen bringt. Diese findet man aber erst gegen Ende, so dass man sie nicht gegen Menschen einsetzen kann, womit sich Crytek geschickt vor Zensur oder Indizierung schützt. Im Allgemeinen bietet Crysis 2 einen akzeptablen Grad an Gewalt, man sieht Blut, aber es wirkt nie übertrieben. Nur fragt man sich manchmal, warum infizierte Zivilisten unverwundbar sind oder Leichen mit dem Untergrund verwachsen.

Der schöne Apfel fällt nicht! o.O

Crysis 2 sieht sehr schön aus, jedoch eine grafische Innovation wie der erste Teil ist es nicht mehr. Hier merkt man die Multiplattform, da mit der Engin sicherlich mehr möglich gewesen wäre. Auch wurden die Stärken verändert. Der Nanosuit sieht fantastisch aus, genauso wie die Cethtechnik oder einige andere technische Gebilde. Organische Sachen oder Steinkonstruktionen sind nicht besser wie bei andern Spielen auch. Crytek versucht die Gesamtoptik durch nette Beleuchtungseffekte noch aufzuwerten, was dem einen oder anderen aber eventuell zu viel ist. Und auch so manchen sehr groben Texturschnitzer kann man finden. Die sind zwar selten, fallen aber durch die, im Gesamtbild sehr gute Grafik, meist extrem auf.

Viel stärker ist der Einschnitt in der Physik zu erkennen. War die Physik in Crysis phänomenal, ist sie in Crysis 2 nur noch lala. Zwar lassen sich noch einige Dinge in der Umgebung zerstören, aber wenn man mit dem Jeep an einer Zeltstange hängen bleibt, oder Fenster auch unter Raketenbeschuss heil bleiben, dann ist die Illusion einer echten Welt zerstört. Mit einer Levelumgestaltung à la Bad Company 2 kann Crysis 2 bei weitem nicht mithalten und hier sind wahrnehmbare Rückschritte zu verzeichnen.

Wer bin ich und was mach ich eigentlich

Kommen wir zum Herzstück eines Videospiels, der Story. Die ist schnell erzählt, Aliens wollen die Welt erobern und die Menschheit auslöschen, so wie im ersten Teil auch. Woher die Ceth kommen und warum sie erst schießen ohne zu fragen weiß man nicht, aber mit diskutierenden Aliens wäre ein Shooter zugegebener Maßen langweilig. Aber alle wichtigen Figuren, samt einem selbst werden sehr oberflächlich behandelt. Warum jeder so handelt, wie er es tut oder warum man selbst sich quasi im Alleingang den Ceth stellt wird nie richtig klar. Crysis 2 versucht sich ab und zu an einem Twist oder einem Aha-Moment, aber schafft dies nie richtig.

Man bemüht sich auch nicht zu erklären, wie Diskrepanzen zwischen Teil eins und Teil zwei zu Stande kommen. Oder gar was aus den Leuten aus Teil eins geworden ist, abgesehen von Prophet. In dessen Erinnerungen sieht man zwar immer wieder Bilder aus Teil eins, aber diese in eine relevanten Zusammenhang zum aktuellen Spielgeschehen zu bringen fällt schwer oder gelingt einfach nicht.

Nach acht bis zwölf Stunden ist das Spiel am Ende und lässt einen mit offenen Fragen und dem Ausblick auf Teil drei zurück. War im Vorgänger auch so, aber dort hatte man zumindest das epische Mutterschiff der Ceth versenkt, während die große Leistung in Crysis 2 ist, in einen Tunnel zu kriechen. Danach kommt noch ein, zu niedrig aufgelöstes, Video und das war es dann auch.

Überhaupt bietet Crysis 2 wenig bis keine Momente, die einem in Erinnerung bleiben. Man hat eher immer das Gefühl die Szene schon mal gesehen zu haben. Einerseits wird dieses Gefühl durch den dreisten Anfang erzeugt. Aber auch dadurch, dass Crytek besonders coole Skriptmomente zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt, um zu zeigen, wie cool sie waren.

Über die Story hinaus bietet Crysis 2 die üblichen Sammelaufträge um die üblichen Artworks freizuschalten. Wer sich daran erfreut und diese unbedingt haben möchte findet so einen Ansporn die Level übergründlich zu durchsuchen. Ich persönlich habe aber genug von Sammelquests in Shootern.

Und was sagt Alcatraz dazu?

Nichts. Wir oder unser Held bleiben stumm, dafür quasselt unser Anzug ständig. Crysis 2 bietet eine gute Sprachausgabe und die eine oder andere bekannte Stimme, sowie eine Klangkulisse, eines Krieges würdig. Aber die verzerrte Stimme des Nanosuit nervt so extrem und man möchte das Ding nach spätestens zwanzig Minuten in die Ecke werfen. Gefolgt von den Worten „Ich weiß, dass ich gerade die Nanovision aktiviert hab du Spast!“. Bei den Standardfeinden doppeln sich die Stimmen irgendwann, aber dies fällt kaum auf.

Was wiederum auffällt ist die Musik, die zum Teil von Hans Zimmermann stammt. Die ist auch im Gros passend und treibt einen durch das Spiel. Aber beim Thema des Spiels hat sich der gute Man vergriffen. Selbst wenn einem der Titelsong zum Anfang noch gefällt, nimmt man es spätestens beim fünften Aufenthalt im Menü nur noch als Kreischen war. So wird jeder Spielstart ein Krampf und wenn der Song dann zum Ende ertönt ist man vollends genervt.

Fazit

Der ganz große Wurf ist Crysis 2 nicht geworden, da scheitert Crytek an den hohen Erwartungen und der Multiplattform. Jedoch trotz der ganzen Kritik ist Crysis 2 ein sehr guter Shooter der Spaß macht, gut aussieht und vielseitiger ist, als der normale 08/15-Shootereinheitsbrei. Hier punktet das Spiel vor allem durch den Nanosuit und das relativ unverbrauchte Setting. Von der Story sollte man jedoch nicht zu viel erwarten, sonst wird man enttäuscht, aber eventuell kommt die große Auflösung dann in Teil drei. Bis dahin wird man von Crysis 2 aber auch länger unterhalten als vom Durchschnittsshooter.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Sehr schöne Technikmodelle, Beleuchtung
  • Sound: tolle Sprecher, guter FX-Sound, Musikuntermalung
  • Balance: fordernde KI
  • Atmosphäre: appokalytische Stimmung
  • Bedienung: Shootertypisch intuitiv
  • Umfang: rel. langer SP für Shooter, Sammelobjekte
  • Leveldesign: rel. grpß für Shooter, teilw. unters. Wege
  • KI: sucht Deckung, ruft Hilfe herbei
  • Waffen & Extras: Standardwaffen plus Erweiterungen, Nanosuit
  • Story: unverbrauchtes Setting
  • Grafik: auffällige Texturschnitzer
  • Sound: Anzugstimme, wenige Soundbugs, Thema
  • Balance: Cloak zu mächtig, viele unnütze Upgrades
  • Atmosphäre: künstliche Umgebung
  • Bedienung: sehr geringe Grafikeinstellungen
  • Umfang: Sp schnell durchschlichen
  • Leveldesign: Schlauchführung, zu viel Vorgabe zur Nanosuit
  • KI: Aussetzer, Ceth auf Schienen
  • Waffen & Extras: keine Alienwaffen, Sniper op
  • Story: schwaches Ende, wenig Bezug zu Teil1, dünn

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



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