Strategie-Monopol

Dieses Spiel zeigt nicht nur eindrucksvoll die 'Europäisierung' der Erde, sondern beschert der Totalwar-Reihe endgültig Einzigartigkeit. Und doch sieht man...

von - Gast - am: 03.11.2010

Dieses Spiel zeigt nicht nur eindrucksvoll die 'Europäisierung' der Erde, sondern beschert der Totalwar-Reihe endgültig Einzigartigkeit. Und doch sieht man spätestens hier, dass so eine Monopolstellung eine dunkle Seite hat.

Globalisierung

Seit 2004 schreitet die Zeit voran, als Rome: Total War die Herzen der Antikefans eroberte - sie fokussierte den Spieler in den Mittelmeerraum, wo es den Aufstieg Roms zur Großmacht mitzuerleben galt. Später spielte im Mittelalter ganz Europa eine Rolle, mit allen Mosaikstückchen von Schottland bis Ägypten und Portugal bis Russland. Für Empire: Total War haben sich die Entwickler von Creative Assembly jedoch sehr viel mehr vorgenommen. Schauplatz ist nun (fast) der gesamte Erdglobus in den Kolonialkriegen des 18. Jahrhunderts. Das heisst? Schwert gegen Muskete, Bogen gegen Kanone und Pferd gegen Schiff. Die Totalwar-Franchise bedient sich also eines Umfelds, das nur sehr selten in Spielen vorkommt. Und man merkt auch schon warum, dazu kommen wir noch.

Novum auf See

Erstmals gibt es Seeschlachten (dürfen in dieser Epoche nicht fehlen), und diese wurden nicht nur grandios in Szene gesetzt, sondern werden auch noch realistisch gehalten. Die schwimmenden Festungen gleiten sehr langsam übers Meer, zu beachten sind Windrichtung und -kraft. Hier erreicht das Spiel taktische Tiefe wie noch nie zuvor in einem Totalwar-Spiel. Das liegt vor allem daran, dass es ein echtes Husarenstück ist, bis zu 20 Schiffe gleichzeitig zu befehlen - schnell verliert man den Überblick, wenn man Kanonen, Segelrichtung, etc. selber steuern möchte. Wer außerdem auf Highend-Systemen spielt, wird nebenbei vom wuchtigen Sound und der opulenten Grafik abgelenkt. Muss man gesehen haben! Trotz der Herausforderung, die Seeschlachten bieten; sie dauern schlicht und einfach zu lange und werden wohl nur von den eingefleischten Marinefans des Öfteren ausgefochten. Auf der Kampagnenkarte erfreuen sich Landschlachten weiterhin größerer Beliebtheit.

Ein Schritt zurück

Und doch sind diese im Vergleich zum Vorgänger Medieval 2 ein Rückschritt. So sehr man sich bemüht hatte, die Optik des Spiels zu verbessern (zugegeben, Medieval 2 hat das auch heute noch nicht unbedingt nötig!) - einige Sachen sind leider nicht ganz gelungen. Vegetation und Städte sahen bei Medieval 2 viel detaillierter und abwechslungsreicher aus. Was Empire besser macht sind eindrucksvolle Partikeleffekte und Kampfanimationen. Apropos Animationen; mitunter kommt es immer wieder zu fehlerhaften Bewegungen, wenn Pferde sich zwar bewegen, deren Hufe allerdings stehen bleiben. Im Kampf kann es auch schon mal vorkommen, dass ein Füsilier ständig wie auf Eis meterweit umhergleitet. Auf der Fehlerpalette stehen auch etliche kleine Sound- und Grafikbugs - Empire: Total War ist leider nicht so 'poliert' wie Rome und detailliert wie Medieval 2. Offenbar wurde das Spiel unter immensen Zeitdruck fabriziert (was Creative Assembly auch zugegeben hatte) - kein Wunder, bei diesem Monsterprojekt. Die Welt des 18. Jahrhunderts war weit komplexer als alles was chronologisch davor einzuordnen war. Dem Spiel merkt man das an und den Entwicklern hätte ein zusätzliches Jahr Zeit zum Entwickeln gut getan. So erreicht Empire nie den Glanz seiner Vorgänger.

Viva la Revolucion!

Was sicher noch viel mehr Programmierarbeit bedeutete war das Erstellen der Weltkarte. Diese umfasst jetzt nicht nur Europa, sondern auch den Großteil Amerikas und Indien. Daneben gibt es kleine 'Handelsschauplätze' um Madagaskar, Indonesien und Brasilien - wo es keine Regionen gibt. So sehr die Dimensionen hier ins unermessliche gestiegen sind; im Detail findet man dennoch viele Rückschritte. Es gibt viel weniger Gebäudetypen, das beliebte Stadt/Burg-System aus Medieval 2 wurde abgeschafft. Dafür kamen einige sehr sinnvolle Neuerungen hinzu; erstmals kann man Gebäude außerhalb der eigentlichen Stadt bauen, es gibt einen Forschungsbaum im Stile von Civilization, der motiviert, sowie wählbare Staatsformen samt Revolutionen. Abgeschafft wurden auch die lästigen Spawnrebellen. Es kommt aber immer noch zu Revolten in unzufriedenen Regionen; mit dem Novum, dass manche Städte sich sogar als eigenständige Fraktion unabhängig machen können! Als ob es nicht schon genug Fraktionen geben würde (um die 50!) - spielbar sind jedoch nur Großmächte wie Österreich, Großbritannien, Preußen, Russland oder Spanien. Klasse, denkt sich der Totalwar-Fan in Erwartung von gewohnter Truppenvielfalt - nur um wenig später enttäuscht zu werden und einzusehen, dass fast jede Nation dieselben Truppen hat (Linieninfanterie - Kanonen - Kavallerie) die sich nur von der Farbe her unterscheiden. Medieval 2 hatte so etwas zwar in der Form auch, allerdings hatte da jede Seite noch einige Spezialeinheiten in petto. In Rome hingegen hatte fast jede Seite nur unverwechselbare Einheiten - weswegen das Spiel auch heute noch verehrt wird. Doch kann die Kampagne von Empire motivieren? Ja, sie kann es, vorausgesetzt man kann mit dem Setting etwas anfangen, und hält Bugs und Balancingprobleme aus. Als verwöhnter Totalwar-Fan ist es dennoch nicht immer leicht, sich mit anzusehen, wie eine Indische Rebellenfraktion den gesamten Indischen Subkontinent innerhalb kürzester unterjocht und Kolonien in Europa und Amerika gründet! Pluspunkte verdient die diesmal gelungene KI (war im Vogänger sehr passiv, diesmal unternimmt sie sogar Seeinvasionen im großen Stil!).

Verkehrte Welt

Überhaupt muss man sagen, dass Empire sich zu seinen Vorgängern nicht nur durch das Setting sehr stark abhebt, es dreht den Spieß komplett um; machten in den Vorgängern noch die Schlachten immensen Spaß, während man in den Kampagnen unter einer dämlichen KI stöhnte - hier ist es genau umgekehrt. Die Kampagne macht enormen Spaß dank einer nachvollziehbaren KI, die im Frieden oft Kontakt mit dem Spieler aufnimmt und zum Beispiel um Regionen handelt. Im Krieg zeigt es sich, dass man als Inselstaat besser nicht auf eine starke Flotte verzichten sollte! Wer als Preuße seine Flotte vernachlässigt, obwohl man mit den Schweden verfeindet ist, muss damit rechnen, dass plötzlich eine riesige Streitmacht über die See segelt und vor Berlin auftaucht. Das ist ein sehr schöner 'Aha!'-Effekt. Die ausgeklügelte Diplomatie und der Forschungsbaum motivieren also normalerweise schon zum durchspielen - dem kommt auch der angenehme Schwierigkeitsgrad zugute. Die Schlachten hingegen sind nicht mehr so aufregend wie in den Vorgängern. Immer wieder dieselben Vorgangsmuster zu Lande und der Schwierigkeitsgrad zu Wasser werden durch uninspirierte Landschaften und Bugs noch mehr getrübt. So kommen in der Kampagne autmoatische Schlachten wohl des Öfteren vor.

Fazit

Empire ist also ingesamt betrachtet in vielen Aspekten ein Rückschritt - Forschungsbaum, Handelsrouten, Gebäude und Kampagnen-KI mal ausgenommen. Creative Assembly konnte es sich sogar leisten, erstmals Steam und Modifizierbarkeitssperre in die Serie einzuführen - wohl wissend, damit sehr viele Fans zu vergraueln. Scheinbar kann man sich so etwas bei der britischen Firma leisten; im Genre der mehr oder weniger realistischen Strategiespiele steht man nun einmal inzwischen seelenallein da und wartet noch immer auf ernst zu nehmende Konkurrenten, die die Spielerschaft gefährden könnten. Und selbst wenn Total War kein Nischensetting genommen hätte - es gibt heute sehr wenige Strategiespiele, die der Reihe das Wasser reichen können. Ob es mit Totalwar nach Empire noch aufwärts geht, darf man gespannt sein!


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: + schöne Texturen + Animationen + Partikel
  • Sound: + Wuchtig + Variationsreich
  • Balance: + gut ausbalanciert...
  • Atmosphäre: + Totalwar-Typisch
  • Bedienung: + Standard + WASD-Steuerung
  • Umfang: + 50 Nationen...
  • Startpositionen: + historisch weitgehend korrekt
  • KI: + Top auf der Kampagne + Solide in den Schlachten
  • Einheiten: + Detailliert + Schiffe
  • Kampagne: + motiviert + authentisch
  • Grafik: - Bugs - Vegetation
  • Sound: - viele Bugs! - Musik wiederholt sich
  • Balance: - ... aber Marathen zu stark - Vorgegebene Diplo
  • Atmosphäre: - Bugs trüben das Gesamtbild
  • Bedienung: - teils unlesbare Schrift - unübersichtliche Menüs
  • Umfang: - ... davon nur 10 spielbar
  • Startpositionen: - Diplomatische Vorgaben - Marathen zu stark
  • KI: - teils Aussetzer
  • Einheiten: - kaum Vielfalt
  • Kampagne: - enormer Zeitfresser - entschlackt - Balance

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Oft, regelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(1)
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