Das PDF zum Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA, Handelsabkommen zum Kampf gegen Produktpiraterie) enthält den Verhandlungstext, der letzte Woche in Neuseeland von der EU, USA, Japan, Australien, Kanada, Korea, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur und der Schweiz beschlossen wurde.
Der Text bestätigt nach Ansicht vieler internationaler Beobachter (darunter die Piratenpartei Deutschland) die im Vorfeld geäußerten Befürchtungen. Das Abkommen verpflichtet Internet-Provider bei vermeintlichen Urheberrechts-Verstößen gegen die eigenen Kunden vorzugehen und dabei auch Netzsperren oder auch die bekannte 3-Strikes-Regelung zu verwenden. Wenn die Provider nicht aktiv werden, können sie selbst haftbar gemacht werden. ACTA führt also über den Umweg eines internationalen Abkommen nicht nur die Sperrung von Internet-Zugängen ein, sondern auch den in Deutschland gerade erst gestoppten Aufbau einer Zensur-Infrastruktur, der für die geplanten Netzsperren notwendig ist.
Rechteinhaber können ein Einschreiten schon fordern, um einen »in Kürze bevorstehenden« Verstoß zu verhindern, was nach Meinung von Daily Tech der Einführung von »Gedankenverbrechen« gleichkommt, die aus dem Roman »1984« von George Orwell bekannt sind. Ganz nebenbei könnten so auch noch P2P-Software und entsprechende Webseiten verboten werden, selbst wenn damit keine kommerziellen Interessen verbunden sind.
Die Unternehmen erhalten mit ACTA zudem die Möglichkeit, Schadensersatzforderungen in der geschätzten Höhe der entgangenen Profite zu stellen. Vorbild dafür ist die Regelung in den USA, die bereits viele Forderungen in Millionenhöhe ermöglichte. Die Piratenpartei sieht in dem Abkommen einen »Wunschzettel der Verwertungsindustrie« sowie eine Gefahr für das freie Internet und fordert den Abbruch der Verhandlungen.
Update 16.07.2010
Die französischen Bürgerrechtler von La Quadrature du Net haben den aktuellen und nach wie vor geheimen Entwurf (PDF, englisch) des Abkommens online gestellt. In dem PDF sind einzelne Änderungswünsche von Ländern oder der EU enthalten, aus denen auch die Schwerpunkte mancher Seiten deutlich werden.
So drängen die USA stets auf möglichst strikte Durchsetzung von Urheberrechten, während andere Länder und die EU zumindest den Endverbraucher von den Regelungen und Strafandrohungen ausnehmen wollen. Die bisherigen Befürchtungen, dass es beispielsweise an Flughäfen zu Durchsuchungen von Laptops oder iPods oder gar zu Beschlagnahmungen kommen könnte, werden durch den neuen Text nicht gemildert. Auch die Überwachung von Internetnutzern durch Provider und deren Haftung für illegale Downloads von Kunden scheint nach wie vor ein Wunsch der USA zu sein.
Etwas kurios wirkt bei all der Geheimhaltung ein Hinweis auf der ersten Seite des Dokuments, der die Vertraulichkeit betont und die Veröffentlichung untersagt, aber Gespräche über ungesicherte Telefonleitungen und das Verschicken über E-Mail und Fax erlaubt, solange das Dokument ansonsten in einem abgesperrten Gebäude oder Schrank aufbewahrt wird. Nicht einmal die EU-Parlamentarier erhielten den aktuellen Entwurf in schriftlicher Form, sondern wurden nur mündlich informiert.
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