Himmlisch, atmosphärisch, fummelig

Man erwartet von einem abendfüllenden Rollenspiel, dass darin eine zusammenhängende Welt geschaffen wird, in der es massig an Herausforderungen zu entdecken...

von TheVG am: 13.12.2011

Man erwartet von einem abendfüllenden Rollenspiel, dass darin eine zusammenhängende Welt geschaffen wird, in der es massig an Herausforderungen zu entdecken gibt. Nachdem 'Risen' zu alter Stärke zurückgefunden hatte oder 'Mass Effect' seinen Fans spielerisch noch etwas schuldig blieb, drängte sich am 11.11.11 nicht der Karneval in den Spielervordergrund, sondern der neueste und fünfte Teil der 'Elder Scrolls'-Saga. 'Skyrim' ist die logische Weiterentwicklung des offenen, aber baukastenartigen 'Oblivion' geworden, das in alter Manier zum Entdecken einlädt, sich auch die Kritiken der Fans zu Herzen nahm, um schließlich doch wieder alte Fehler zu begehen.

Ein Drache macht noch keinen Abend

Es wäre ein Fehler gewesen, 'Oblivion' dafür zu verurteilen, dass es in Sachen Story nicht das Gelbe vom Ei ist. Wenn die Hauptgeschichte nur den altmodischen Kampf Gut gegen Böse (in diesem Falle Menschen gegen die Daedra) thematisiert, dann darf man auch keine vielschichtigen Charaktere oder Storywendungen erwarten. Bethesdas Reihe war und ist eine Welt des Erkundens, und wer hinter dem nächsten Bergkamm noch ein feindliches Lager mit versteckter Quest finden möchte, wird dies aller Voraussicht auch tun. Die Fantasywelten sind vollgestopft mit Geheimnissen, die auf den Spieler warten. Das ändert sich auch in 'Skyrim' nicht, auch wenn man sich beim Entwickler die Mühe gemacht hatte, einen neuen Erzfeind zu kreieren. Dieses Mal sind es die Drachen, die die Welt von Himmelsrand überfallen. Und sie sorgen dafür, dass wir nur knapp dem Tod durch Köpfen entgehen können (als interaktives Tutorial inszeniert). Doch war dies der Dankbarkeit schon genug, denn die Drachen überfallen landein, landaus die Dörfer und Städte, bedrohen die Einwohner und damit das ganze Land. Als Flüchtender ergattern wir anschließend die ersten Aufgaben, doch es dauert nicht lange, bis einer der Drachen das zentrale Handelszentrum Weißlauf angreift. Doch zusammen mit der Streitmacht des Ortes gelingt es, den Lindwurm zu töten - und das Unglaubliche passiert. Die Drachenseele wandert in des Spielers Körper, und somit ist klar, dass wir ein 'Drachenblut' sind, also ein geborener Krieger, der die Sprache der Drachen spricht und spezielle Kräfte besitzt - und letztlich die finale Hoffnung gegen die übermächtigen Gegner.

Nur Fliegen ist schöner

Als Hauptfigur können wir nun nicht durch die Lüfte gleiten wie unsere Nemesis, aber neben Kampf- und Magiefähigkeiten dürfen wir recht früh die Drachensprüche verwenden, um unseren Gegnern einzuheizen. Wir lernen zuerst bei den 'Graubärten' die Nutzung der Sprache und eignen uns im Spielverlauf immer neue Sätze an, die wir durch alte Runeninschriften lernen und gegen Drachenseelen freischalten. Und die können wir gut gebrauchen, denn Himmelsrand ist vollgestopft mit fordernden Aufgaben. Entdeckernaturen werden hier die helle Freude an ihren Streifzügen haben, wenn fast jedem Bauernhof jede noch so unbedeutende Quest zu entlocken ist. Man kennt das schon aus den Vorgängern, in 'Skyrim' ist das jedoch homogener gestaltet worden und baut sich teilweise sogar logisch aufeinander auf. Die Welt wirkt in sich organischer, die verschiedenen Abschnitte bieten dadurch weniger offentsichtliche, aber merkbare Abwechslung. Ob man nun die weiten steppenartigen Areale mit säumenden Bergkämmen, Sumpfgebiete oder Eiswüsten bewundert - jede Ecke in Himmelsrand fasziniert durch seinen einzigartigen Look. Dass dabei so manche Texturtapeten oder platt wirkende Grasbüschel ein bisschen an die Mängel von 'Oblivion' erinnern, kann man dieses Mal besser verkraften als noch bei der Baukastengegend im vierten Teil. Besonders macht sich das im Design der Dungeons bemerkbar. Wo noch im Vorgänger Recycling der Grafiksets betrieben wurde, sind sie in 'Skyrim' deutlich detaillierter und stimmiger geworden. Man bemerkt deutlich, dass mehr an Zeit in das Design investiert und man sich die heftige Kritik des Spielers zu Herzen genommen hatte - vorbildlich.

Diese deutliche Verbesserung musste man nicht ausschließlich auf das Questdesign anwenden, denn das ist gewohnt vielseitig und kreativ. In Bethesda-Spielen muss man sich schließlich nicht mit 'Töte 10 Monster'- oder 'Sammle 20 Felle'-Quests abspeisen lassen (auch wenn es sie gibt), viele der Aufgaben sind sehr persönlicher Natur und verbinden viele Genreelemente miteinander. Im ersten Moment sind diese nicht einfach so zu bekommen, also muss man wieder seiner Entdeckerlust frönen, um sie z.B. durch Gespräche zu aktivieren. Da Himmelsrand etliche von ihnen in sich birgt, ist die Auftragsliste schon nach 5 Spielstunden gefüllter als beim Weinbauern der Bastkorb auf dem Rücken während der Lese. Dadurch wird man auch schnell dazu genötigt, die vielen Bereiche von Himmelsrand abzuklappern, da sich manche Quests über alle Ecken der Karte erstrecken. Die Nebenaufgaben sind tatsächlich sehr unterhaltend, was leider nicht für die Hauptstory gilt. Wie schon in Bethesda-Titeln üblich, plätschert die Geschichte um böse Drachen und uns als einzigen Befreier nur so dahin. Zwar überraschen die gescripteten Überfälle der geflügelten Monster manchmal und bringen ein Quäntchen Spannung in die Angelegenheit, aber wird das alles etwas lieblos und oberflächlich abgespult. Aber wie gesagt: Die 'Elder Scrolls'-Spiele leben vom Entdecken, nicht von der Story mit einem dicken roten Faden.

So viel zu tun und trotzdem verwirrt

Als wären massenweise Quests nicht schon genug, kann man in 'Skyrim' noch allerhand Dinge erledigen, die noch einfacher vonstatten gehen als noch in 'Oblivion'. Wer sich der Alchemie verschrieben hat oder gerne mal am Kochtopf steht, wird dieses Mal etwas mehr an die Hand genommen, was letztlich auch mehr Spaß macht. Ganz im Sinne der Serie können wir wieder etliche Zutaten in Form von wilden Pflanzen oder die höchstpersönlichen Überbleibsel erledigter Gegner sammeln, um sie an Alchemietischen oder als leckere Gerichte zu verarbeiten. Im Vorgänger war dies noch ein etwas aufwändigeres Unterfangen und die Hilfestellungen nicht so offentsichtlich. Wer sich in der Schmiedekunst versuchen will, darf bei einem Meister seines Faches das Handwerk erlernen; seine Waffen mit Verzauberungen versehen ist ebenfalls leicht erlernbar. Optional dürfen wir Talente auch gegen Bares verbessern.

Um damit klarzukommen, ist ein Umschalten ins Menü öfter mal Pflicht. Und genau hier wird es etwas unübersichtlich, denn der kategorische Aufbau ist in 'Skyrim' verschlimmbessert worden. Zwar sind unnötige Abkürzungen der Marke 'Schw. Tr. d. Lebw.' endlich passé, aber ist die Aufteilung der Menüs und die Tastaturbedienung mehr als lästig geworden. Man bemerkt schnell die Konsolenausrichtung, die man aber so schlecht auf den PC portiert hat, dass man sich nur schwer an die Navigation gewöhnen dürfte. Das ist im Inventar schon etwas fummelig geraten, schlägt aber in der Umschaltung und der Belegung im Kartenmenü die Krone aus. Gleichzeitig ist der Komfort auf der Strecke geblieben, wenn zum Beispiel Quests angezeigt werden sollen. So vermisst man gerade bei den kleinen Aufgaben einen Marker auf der Karte, noch schlimmer fällt das auf bei der Detailansicht - da war 'Oblivion' trotz des Abkürzungschaos übersichtlicher.

Etwas besser funktioniert das Prinzip mit dem Inventar in Verbindung mit dem eigentlichen Spielbildschirm. Waffen oder Zauber auszusuchen und den Händen zuzuweisen kann man automatisch, und die Drachenkräfte werden sowieso über separate Tasten bedient. Etwas geändert hat sich hierbei die Möglichkeit, seine linke Hand zu verwenden, da man dieses Mal kein Schild gleichzeitig mit den Zaubern einsetzen darf. Wer also ein Schild verwenden will, muss auf seinen Zauber verzichten und umgekehrt. Ebenfalls geändert die Favoritenverwaltung: Man darf nun nicht mehr die Waffen einer Schnelltaste zuordnen, sondern diese nur als Favoriten kennzeichnen und durch Tastendruck im separaten Menü anwählen. Auch dies kann man als misslungen einstufen, da im Eifer des Gefechtes die intuitive Steuerung fehlt. Im Kampf selbst ist dagegen die Shootersteuerung gewohnt gut ausgefallen.

In weiter Ferne das Schöne entdecken

Die größte und auffälligste Änderung ist im Grafikstil zu erkennen. Die Grafik ist im Gegensatz zu 'Oblivion' viel detail- und abwechslungsreicher, auch der Bau der Spielwelt birgt im Detail mehr Mut zu kleinen Spielereien. Bäume sind nun realistischer dargestellt, Flüsse eine wahre Augenweide. Man kann die Berge anhimmeln, wie sie von Wolken umfasst in die Höhe ragen oder sich im Eis die Füße abfrieren; dazu passt auch das Wetter, die Wechsel, z.B. wenn in den Bergen automatisch der Schnee einsetzt, sind sehr atmophärisch. Jede Ecke in Himmelsrand ist wie schon erwähnt ein wahrer Augenschmaus geworden, und die kleinen Mäkel wie Texturtapeten und Clippingfehler kann man leicht verschmerzen. Auch die Effekte haben eine Schippe draufgelegt und sehen jetzt noch besser aus, und sei es nur die Animation der Zaubersprüche. Apropos Animation: Bei den Figuren schwankt die Qualität zusehends, da beispielsweise die Drachen sehr anmutig wirken und voller Ablaufdetails stecken, was man aber nicht von anderen wie den Menschen oder auch Wölfen sagen kann. Da fehlt es an der nötigen Feinarbeit, aber auch das ist Kritik auf höherem Niveau.

Die Vertonung klingt ebenfalls sehr organisch aus den Boxen, so machen die vielen realistischen Sounds viel Spaß. Ob wir nun in einem Sägewerk Stämme zersägen oder eine Drachenkraft verwenden, mit kleinen Ausnahmen fühlen wir uns auch akustisch heimelig wohl in Himmelsrand. Die Sprecher sind allgemein besser der Sache als noch im Vorgänger, aber bei der Menge an NPCs fällt auch hier wieder das Stimmenrecycling auf, wenn auch nicht ganz so extremer Art mit 2-3 Stimmen pro Geschlecht. In 'Skyrim' vernimmt man gerne mal den ein oder anderen Hollywood-Sprecher. Weiterhin ist 'Skyrim' wie gewohnt ein musikalischer Hörgenuss, die dynamischen Stücke sind wieder in bester Orchester-Manier komponiert worden und unterstützen das Feeling perfekt.

Fazit

Wo der größte Makel, die Grafik, in 'Oblivion' viel Kritik einstecken musste, antwortet 'Skyrim' mit einer noch organischeren und abwechslungsreicheren Welt. Zwar ist die Hauptstory keine für Fans von komplexen Geschichten, aber wer braucht das schon, wenn Himmelsrand so sehr lebt und vollgepackt mit Inhalt ist, dass man monatelang daran seine Freude haben wird? Die Atmosphäre dürfte jeden Rollenspielfan in seinen Bann ziehen, dafür muss er aber auch die Menüfunktion ertragen, die so sehr konsolig geworden ist, dass die Portierung die Bedienung noch ein Stück schwieriger macht. Zugegeben, es ist eine recht hohe Hürde, wer die aber genommen hat, wird mit 'Skyrim' wieder einen Meilenstein spielen dürfen.


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