Gothic 4: Schlechter als man hofft, besser als man glaubt.

Das neue Gothic hätte einer der Spieleblockbuster dieses Jahres werden sollen. Herausgekommen ist ein solides Spiel im Gothicuniversum, dass sich aber vom...

von warumich am: 22.10.2010

Das neue Gothic hätte einer der Spieleblockbuster dieses Jahres werden sollen. Herausgekommen ist ein solides Spiel im Gothicuniversum, dass sich aber vom Gameplay grundlegend von den bisher erschienenen Teilen unterscheidet und nicht an die Klasse der Vorgänger (vor allem Gothic 1, Gothic 2 + Addon) herrankommt.

Einleitung

Das Spiel beginnt mit einem Traum des Helden. Darin kämpft man sich als unverwundbarer König durch einen grauen Gang voller Skeletthorden. Das soll einem das Kampfsystem näher bringen und behutsam die Geschichte in Gang bringen. Soweit so gut, aber warum haben die Entwickler diese Einlage so in die Länge ziehen müssen? Nach 2-3 Gruppen muss jedem klar sein, wie das jetzt mit dem Skelettehacken funktioniert. Stattdessen prügelt man sich 5 Minuten durch einen verschwommenen Traum ohne jede Herausforderung – schwach.

Danach wacht der Held, diesmal nicht mehr der bekannte namenlose aus den vorigen Teilen, auf einer kleinen Insel auf. Auf dieser Insel führt man dann eine Reihe von Quests aus, bei denen man dann auf die verschiedenen Kampftechniken (Schwert, Bogen, Magie) herangeführt wird. Mitten in einem Quest wird man dann von einem Schicksalsschlag getroffen. Kurze Zeit später steht man dann am Festland, wo die restliche Geschichte von Gothic 4 stattfindet und der Held dürstet nach Rache.

Bis dahin hört sich alles ganz spannend an, (fast) ohne Freunde in einem unbekannten Land, das kennt man doch als Gothicspieler. Doch jetzt beginnt die große Abweichung der vorigen Teile. So gibt es zwar verschiedene Gilden (Waldläufer, Magier, etc) denen wir uns aber nicht anschließen können (mit Ausnahme der Magier, aber das passiert nur um mit dem Obermagier sprechen zu dürfen und hat überhaupt keine Auswirkungen auf das Spiel).

Eine Hauptmotivation war in den anderen Teilen, sich immer weiter in der Hierarchie heraufzuarbeiten, das fehlt hier vollkommen.
Die offene, freie Welt, die nur von Monstern stärker als man selbst begrenzt wurde, ist nun einer Aneinanderreihung von Abschnitten gewichen. Das bedeutet man steht vor einer verschlossenen Tür (nichts Neues im Gothicuniversum) die erst passierbar wird, nachdem man alle Hauptquests im jeweiligen Gebiet abgeschlossen hat. Auch wenn es sehr abschreckend klingt, das stört im Spiel jedoch relativ wenig.

Charaktersystem

Das neue Charaktersystem sieht folgendermaßen aus: Bei jedem Levelaufstieg gibt’s 3 Lernpunkte, die dann auf die 8 verschiedenen Fähigkeiten verteilt werden. Auch hier verschenkt Gothic Potential, so war es stets motivierend, die Aufträge von Lehrern zu erfüllen damit man eine Fähigkeit lernen durfte. Ab Level 4 beispielsweise kann man theoretisch gleich 3 Zauber lernen, das erklärt das Spiel zwar (die Magie des Spielers wurde durch eine Hexe geweckt), trotzdem hätten sich bestimmt viele Gothicspieler etwas Anspruchsvolleres gewünscht.

Komfort?

Um die vielen Laufwege zu verkürzen, bekommt man schon sehr früh im Spiel eine Rune, mit der man seine Renngeschwindigkeit kurzzeitig erhöhen kann. Eine sinnvolle Neuerung im Gegensatz zu den ebenfalls neuen Teleportsteinen. In jedem Abschnitt gibt es mindestens 2 davon und wenn man beide gefunden hat, kann man zwischen ihnen hin und herreisen. Das erspart dem Spieler hin und wieder einige Laufwege, jedoch hätte man daraus noch mehr holen können.

Gegner, Kampfsystem und Balance

An Gegnern bietet Gothic alles, was man erwartet, aber nicht mehr. Scavenger, Goblins, Orcs, Warane, Snapper, Schattenläufer, eben alles, was so dazugehört. Dabei haben die Entwickler durchaus nette Ideen gehabt. So passiert es manchmal, dass auf einem Weg einen vermeintlich verwundeten Goblin liegt. Sobald man sich das genauer ansieht, springen hinter einem nahen Felsen noch mehr Goblins hervor und greifen an.
Taktische Meisterleistungen vollbringt die KI nicht, Nahkämpfer greifen ohne Koordination an, Fernkämpfer flüchten manchmal wenn man auf sie zuläuft. Eine gute Taktik ist es, einen Nahkampfgegner zwischen den feindlichen Fernkämpfern zu haben, da die Projektile der Gegner dann an diesem abprallen.
Das Kampfsystem spielt sich sehr rund, so holen Gegner oft zu starken unblockbaren Schlägen aus, denen man dann mit einer Hechtrolle ausweichen muss. Vor allem bei mehreren Gegnern gleichzeitig macht das Spaß. Wenn man die Klicks beim Angriff zeitlich gut abstimmt, führt der Held Kombinationsschläge aus. Die sehen nett aus und es gibt einige Waffen, die mit Kombinationsschlägen 150% Schaden anrichten. Da die Schläge ansonsten gleichen Schaden anrichten und diese speziellen Waffen eher unbrauchbar sind, führt jedoch leider häufiges Dauerklicken meist zum Erfolg.
Kämpfe mit besonderer Taktik gibt es meist nicht, man muss nur bei gewissen Gegnertypen unterschiedlich ausweichen. So reicht es zum Beispiel bei Golems kurz vor ihrer Spezialattacke eine Rückwärtsrolle zu machen, bei Minecrawlern muss man besser aufpassen, da ihre Spezialattacke eine größere Reichweite hat.
Lobend muss an dieser Stelle der Kampf gegen den Endgegner erwähnt werden. Hier muss man sich vor allem bei hohem Schwierigkeitsgrad Gedanken um die Positionierung machen, und gleichzeitig ständig in Bewegung sein. Solche Kämpfe hätte ich mir mehr gewünscht.
Zur Balance: In der Mitte des Spieles bekommen findige Spieler ein Schwert welches 20% des verursachten Schadens in Lebensenergie umwandelt. Damit lässt sich der Rest des Spiels problemlos bestreiten, auch wenn gegen Ende andere Waffen mehr Schaden anrichten. Zum heilen in den Kämpfen ist es sehr praktisch, deswegen braucht man auch bei cleverem Waffenwechsel kaum Heiltränke. Mir gefällt das weil der Waffenwechsel zusätzliche taktische Aspekte einbringt. Die Balance leidet darunter ein wenig, da die Kämpfe mit der Waffe spürbar einfacher werden.
Anders als GameStar geschrieben hat muss ich an dieser Stelle die Ehre der Einhandwaffen retten, diese sind aufgrund ihrer Geschwindigkeit den Zweihandwaffen überlegen, auch wenn sie weniger Schaden machen.

Grafik / Sound

An der Grafik gibt es kaum etwas zu meckern. Mit fällt nur ein, dass es viele gleich aussehende NPCs gibt. Vor allem der Dschungel und die Felslandschaft beim Kloster sind sehr gut gelungen. Ruckelprobleme hatte ich mit meinem System nicht (siehe unten), das Spiel lief immer flüssig auf maximalen Details.
Was mich genervt hat war der andauernde Regen. Man kann mich einen Schönwetterspieler schimpfen, aber ich möchte bei Gothic die Weitsicht genießen und die Details der Spielwelt sehen. Ab und zu ein Regen trägt ja zur Atmosphäre bei, aber es regnet gut 50% der Zeit, dann ist da noch der Tag/Nachtwechsel das heißt Sonnenschein bei Tag hatte ich nur bei ca 30% der Spielzeit. Am Schluss des Spiels ist überhaupt nur noch schlechtes Wetter, das macht die Atmosphäre düsterer, was sicher so gewollt ist. Das hätte mich sicherlich nicht gestört wenn ich nicht schon zu Beginn so mit Regen zugeschüttet werden würde.
Die Höhlen und Dungeons sind ganz nett gemacht, aber leider manchmal zu groß geraten. Das ist in eigentlich allen Spielen mit Höhlen oder Dungeons so, und mir ist klar dass jeder Spieler mehr Spielzeit fordert und solche Höhleneinlagen gute „Zeitstrecker“ sind. Ich würde mir hier etwas kleinere Dungeons wünschen, in denen ein anspruchsvoller Kampf der auch gerne ein bisschen länger dauern kann wartet.

Der Sound ist so weit gelungen und erinnert ein bisschen an Star Wars. Es fehlen jedoch einige Umgebungsgeräusche wie das knarren von Bäumen, die sich im lautlosen Wind biegen. Das stört ein wenig.

Story / Umfang / Sammelquests / Bugs

Die Story ist kein Kracher, läuft so dahin, richtige Spannung wie in MassEffect 1 tritt nicht auf. Trotzdem machtes Spaß sich durch die Welt von Arcania zu prügeln. Die Quests sind Einheitsbrei, mich hat das nur wenig gestört. Es ist aber unverständlich warum Jowood bzw Spellbound hier so wenig Herzblut hineingesteckt hat. Wer alles erkundet wird circa 30 Stunden brauchen und trotzdem kaum alles entdecken. Es gibt nämlich jetzt verschiedene Sammelgegenstände: Bruchstücke einer Rune, Beliarartefakte, Innos Statuen und alte Relikte. Jedes dieser Artefakte gibt es 30-mal und ist irgendwo in der Welt versteckt. Trotz intensiven Suchen konnte ich nur circa 60% der Teils sehr fies versteckten Gegenstände finden. Das hätten sich die Entwickler sparen können.
Zum Glück ist das Spiel Bugfrei außer einigen Kleinigkeiten. So verfolgte auch mich ein Hase (ich glaube ja es ist ein Easteregg) der jedoch nicht unverwundbar war (aber für einen Hasen erstaunlich viel aushielt).

Fazit

Nein es ist kein Gothic. Ja ich bin enttäuscht. Ja es hat trotzdem Spaß gemacht. Ich hatte nach dem vernichtenden Test von GameStar keine großen Erwartungen mehr, muss aber sagen so schlecht war es dann auch wieder nicht. Wichtige Aspekte wie Gilden fehlen leider völlig, ich hoffe aber JoWood überlebt dieses Gothic und bekommt noch eine letzte Chance, endlich ein würdiges Gothic zu produzieren. Kaum ein Spiel hat so eine Community wie Gothic. JoWood müsste viel viel mehr auf diese eingehen (noch mehr!). Warum stellt JoWood nicht irgendeinen Communityleiter als Berater ein? Vielleicht haben sie das gemacht, dann frage ich mich was für eine Flasche war das denn?
Wer Spiele der Gothicreihe oder Witcher mochte, wird Gothic 4 auch mögen, auch wenn es unter den Erwartungen bleibt.
Ich bin gespannt, wie es jetzt mit JoWood weitergeht.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Schöne Landschaften, schicke Höhlen
  • Sound: Nett untermahlt
  • Balance: Einstellbarer Schwierigkeitsgrad
  • Atmosphäre: Gothicuniversum
  • Bedienung: läuft gut von der Hand
  • Umfang: alles was ein Spiel braucht
  • Quests / Handlung: Ja es gibt eine Story
  • Charaktersystem: man kann Charakterpunkte verteilen ...
  • Kampfsystem: wirklich gelungen
  • Items: Alles was man sich wünscht
  • Grafik: Klone
  • Sound: fehlende Umgebungsgeräusche, nichts besonderes
  • Balance: Einige Items zu Stark
  • Atmosphäre: Einzelne Abschnitte, teils leer wirkende Welt
  • Bedienung: -
  • Umfang: aber das wars dann auch
  • Quests / Handlung: die nichts originelles hat
  • Charaktersystem: viel zu simpel
  • Kampfsystem: Kombinationsschläge fast sinnlos
  • Items: nichts wirklich besonderes

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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