Seite 3: Gefahren der VR - Kann die virtuelle Realität dem Menschen schaden?

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Gamer als Traumaopfer?

Zwar setzt die aktuelle Generation von VR-Brillen auf zumeist eher zweckmäßige Grafik, die Geschichte der PC-Spiele zeigt aber: Das wird nicht lange so bleiben. Doch was geschieht im Kopf des Spielers bei realistisch dargestellten Kriegen, Folterszenen und virtuellen Serienmorden?

Anders herum wird bereits daran gearbeitet: Wissenschaftler der USC (University of Southern California) forschen bereits seit 2005 an Methoden, um posttraumatische Belastungsstörungen (die sehr häufig bei Soldaten durch schockierende Erfahrungen in Kriegsgebieten entstehen) mit Hilfe von VR-Anwendungen zu therapieren.

Dabei wird seit Langem eine auf Basis des Spieles Full Spectrum Warrior entwickelte Grafikumgebung genutzt. Die Spielerfahrungen wurden aber für die VR stark aufgebohrt und um Vibrationen, 3D-Sound und Gerüche erweitert. So konnten bereits Jahre vor der Entwicklung der ersten Oculus Rift Soldaten eine traumatische Situation erneut erleben, um so den Umgang mit den Kriegserfahrungen therapeutisch begleitet zu lernen.

Die Forscher gehen, unterstützt von ihren praktischen Erfahrungen, davon aus, das Gehirn könne die falsche, virtuelle Realität weit genug abgrenzen, um keine Schäden davonzutragen. Zudem bestehe auch hier keine wirkliche Gefahr für den Spieler, was einem auch bei VR-Spielen stets bewusst sein dürfte.

Virtual Reality Highlights - Die zehn besten VR-Erfahrungen der GDC im Video Video starten 8:34 Virtual Reality Highlights - Die zehn besten VR-Erfahrungen der GDC im Video

VR in der Angstforschung

Schon vor dem Erscheinen des DK1 der Oculus Rift forschten Wissenschaftler an den Möglichkeiten, VR zur Behandlung von Phobien einzusetzen. Bei der bekannten Arachnophobie, der Angst vor Spinnen, gilt eine Sensibilisierung (respektive Desensibilisierung) als aussichtsreiche Therapie.

Patienten werden nach und nach an Spinnen herangeführt, um so behutsam die Furcht zu vertreiben. Nun sind Spinnen eher unkooperativ in ihrem Einsatz als medizinisches Personal und krabbeln nicht unbedingt nur dort herum, wo der Therapeut es sich wünschen würde. Ganz anders bei virtuellen Spinnen, diese lassen sich pixelgenau platzieren, um den größtmöglichen therapeutischen Nutzen zu erzielen. In Deutschland forscht unter anderem Youssef Shiban an der Uni Regensburg am therapeutischen Nutzen von VR.

Doch was, wenn eine VR-Anwendung, ein überambitioniertes Survivalspiel beispielsweise, den Spieler mit abertausenden krabbelnder Arachniden überschüttet? Wenn ein an einen Stein gefesselter virtueller Körper derart gefoltert wird? Natürlich lässt sich die VR-Brille einfach absetzen, wenn es dem Spieler zu viel wird. Doch reicht der Schock nicht bereits, um eine latent vorhandene Phobie zu verstärken oder gar erst zum Ausbruch zu verhelfen?

Schon jetzt berichten VR-Spieler, dass enge VR-Umgebungen bei ihnen Klaustrophobie (»Platzangst«) auslösen. Auf die Spitze getrieben kann ein VR-Spiel wohl auch bei ansonsten unbelasteten Spielern als Trigger für Angststörungen fungieren - immerhin lassen in der virtuellen Realität Situationen erleben (und fühlen), die im wirklichen Leben ansonsten eher selten (enge Gänge und das Gefühl eingeschlossen zu sein) bis gar nicht (lebendig begraben sein, von außerirdischen Blutegeln befallen werden) auftreten.

Dr. Dobrovka hat mit Folter zwar hoffentlich keine eigenen Erfahrungen, seine Bücher zeugen aber zumindest von einer lebensechten Vorstellungskraft. VR-Folterszenen hält er dennoch für unbedenklich:

»Gefoltert zu werden ist nur dann interessant, wenn man auch den Schmerz fühlen kann.«

Wer schon beim Setzen einer Spritze im Fernsehen angestrengt an die Decke starrt, mag hier jedoch widersprechen. Ob virtuelles Foltern schwache Charaktere jedoch selbst zu eigenen Experimenten ermuntert, ist zwar denkbar, aber nicht erforscht - und entsprechende Studien dürften ethisch durchaus fragwürdig sein.

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VR-Verantwortung

Dennoch sollten Softwareentwickler sich der Macht über die Vorstellungswelt der VR-Nutzer bewusst sein und lieber auf eine fragwürdige Szene verzichten als fahrlässig die Käufer des eigenen Spiels zu Forschungsobjekten zu machen. Wir denken etwa an die Call-of-Duty-Serie, die in der Vergangenheit mit einigen umstrittenen Szenen (Stichwort: Flughafen-Szene) auf sich aufmerksam gemacht hat.

Das VR-Horrorspiel Affected sorgt bei manchen für körperliches Unwohlsein durch heimtückische Schockeffekte. Das VR-Horrorspiel Affected sorgt bei manchen für körperliches Unwohlsein durch heimtückische Schockeffekte.

Das VR-Spiel Affected beispielsweise flößt Michael Ksoll bereits spürbar Angst ein und er warnt davor, es als Anschauungsmaterial für VR-Neulinge zu nutzen: »Es ist zwar ein Extremszenario, aber wenn du diesen Helm aufsetzt und merkst, wie stark diese Immersion ist - ich habe Angst gehabt!«.

Für richtig überzeugende VR-Welten brauchen wir zwar noch deutlich höher auflösende VR-Displays und mehr Realismus bei den Animationen und der Darstellung des eigenen Körpers. Entwickler sollten sich jetzt schon fragen: Wollen wir überhaupt eine extrem realistische virtuelle Welt mit all den Problemen, die ein solcher Realismus mit sich bringt?

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