Einzigartiger Horror-Trip mit Schwächen

Dark Corners of the Earth ist bereits das dritte Spiele, das auf die namensgebende Romanvorlage Cthulhus Ruf (The Call of Cthulhu) von H.P. Lovecraft, einem...

von - Gast - am: 13.04.2012

Dark Corners of the Earth ist bereits das dritte Spiele, das auf die namensgebende Romanvorlage Cthulhus Ruf (The Call of Cthulhu) von H.P. Lovecraft, einem bekannten US-Amerikanischen Schriftsteller, basiert. Genauer gesagt sammelt H.P. Lovecraft in seinen Cthulhu Romanen und Kurzgeschichten Hinweise auf die Existenz eines übernatürlichen Wesens namens Cthulhu, oftmals wird es gar als eine Gottheit bezeichnet. Inwieweit das Spiel Call of Cthulhu überzeugt, erfahrt Ihr in diesem Testbericht – ganz egal ob Ihr die Romane kennt oder nicht.

Der Protagonist, in dessen Rolle Ihr schlüpft, heißt Jack Walters und arbeitet bei einer in Massachusetts ansässigen Polizei als Ermittler. Aufgrund von fünf abgeschlossenen Fällen in Rekordzeit, galt er in Boston zunächst als ein regionaler Held. Allerdings litt Walters an starken Amnesien, Wahnvorstellungen und weiteren psychischen Störungen, die durch einen Einsatz 1916 in einem nahegelegenen Haus voller Leichen hervorgerufen wurden, und verbrachte gezwungenermaßen 5 Jahre in der Anstalt von Arkham. Danach quittierte er seinen Dienst als Ermittler bei der Polizei und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Privatdetektiv. Von einem Klienten namens Arthur Anderson, Leiter der National First-Lebensmittelkette, erhielt er im September 1922 einen rätselhaften Auftrag: Er soll aufklären, wer eines seiner Geschäfte in der fiktiven Fischerstadt Innsmouth geplündert hat und äußert Walters gegenüber sein absolutes Misstrauen gegenüber dieser. Nach kurzer Spielzeit bestätigen sich Andersons Vermutungen: Die Bürger gehören allesamt einer Sekte an und verbergen ein größeres Geheimnis; im weiteren Story verlauf soll der „Außenseiter“ Walters selbst Opfer ihres Geheimen Mythos werden.

~ Leerer Bildschirm ~

Als Dark Corners of the Earth 2005 erschien, überraschte es mit einem bis dato sehr selten dagewesenen Phänomen: Ein leerer Bildschirm, bis auf das, was der Protagonist tatsächlich zu Gesicht bekommt. Es wurde auf jegliche Anzeigen, wie z.B. ein Lebensenergiebalken, und Indikatoren vollends verzichtet. Der Gesundheitszustand von Walters drückt sich ausschließlich durch Veränderung der Geräuschkulisse und Erscheinen von unangenehm wirkenden Bildschirmeffekten aus. Neben physischem Schaden kann Walters auch derart in Panik geraten, dass er sich in heiklen Situationen buchstäblich selbst die Kugel gibt: Der Spieler muss immer wieder gegen Walters labile Psyche ankämpfen, in entsprechenden Situationen etwa schnellst möglich einen sicheren Unterschlupf finden, denn ansonsten richtet sich Walters selbst hin. Auch dieser sogenannte Geisteszustand lässt sich nicht punktgenau durch einen Balken ablesen, sondern gibt sich durch andere Merkmale zu erkennen, beispielsweise durch schnelleren Puls oder plötzliche Beeinträchtigung der Wahrnehmung.

~ Schock trotz wenigen Effekten ~

Es ist beeindruckend, dass Call of Cthulhu das Fürchten lehrt, trotz nahezu vollständigem Verzicht auf den damals wahrscheinlich technisch nicht realisierbaren Effektchaos: Ähnlich wie in Amnesia: The Dark Descent, leidet man beim Spielen unter ständigem Verfolgungswahn, der meist sogar am Höhepunkt durch eine Änderung der Geräuschkulisse bestärkt wird. Hinzu kommen Jacks Wahnvorstellungen, gegen die wir stetig ankämpfen und aus der Ego-Perspektive mitverfolgen müssen. Grafisch abwechslungsreich ist Call of Cthulhu nicht, die Farbtöne sind stilsicher immer und immer in dunklem, kontrastarmen Grau-Beige gehalten, was aber nicht zwangsläufig zu einer Eintönigkeit beiträgt, sondern auch der beklemmenden Atmosphäre positiv zu Gute kommt. Die einzigartige Hintergrundmusik, für mich als völlig unerfahrenen Musiker leider schwer weiter zu beschreiben, untermalt die Stimmung perfekt. Den Spieler am Computer schockiert allerdings auch die schwammige und völlig unausgegorene Steuerung, spätestens wenn Walters die erste Wimme in die Hand bekommt, wünscht sich jeder PC-Spieler den XBOX-Controller. Das hätten die Entwickler besser ausmerzen müssen, zumal Dark Corners of the Earth ein ganzes Jahr später auf den PC portierte, völlig ohne grafische Änderungen.

~ Schwankende Spannungskurve mit Höhepunkten ~

Die ersten paar Spielstunden geben dem Spieler das Gefühl, ein Meisterwerk an Story spielen zu dürfen – es macht einfach unheimlich viel Spaß, dem Mythos in Innsmouth auf die Schliche zu kommen, teilweise ist solide Detektivarbeit gefordert, auch wenn der geübte Spieler nur selten an seine Grenzen stoßen wird. Die Atmosphäre ist, wie angesprochen, schon in den ersten Minuten beklemmenden, gerade wenn nach Abschluss eines Rätsels plötzlich ein unbekanntes Wesen nachts über die Häuserdächer umherspringt. Der Höhepunkte ist die darauffolgende Verfolgung durch ein Hotel in Innsmouth, es ist schnelle Reaktion gefordert und im Nu ist man vom Verfolger erwischt worden – einfach brillant, eines der bestinszenierten Höhepunkte in einem Videospiel überhaupt. An dieser Stelle schon verliert das Spiel allmählich an Reiz, auch wenn man im weiteren Spielverlauf noch sehr viel Freude mit der Marsh-Raffinerie haben wird – über weite Strecken, gerade zum Ende hin, sind völlig unnötige Schießereien zu absolvieren, die durch eine grauenhafte Bedienung, wiederkehrende Gegner und eine strohdumme künstliche Intelligenz einfach keinen Spaß machen. Es ist zwar nett anzuschauen, dass sich einige Schussverletzungen äußerst realistisch auf den Gesundheitszustand auswirken, zu einem elementaren Spielelement hätten die Schießereien aber nie mutieren dürfen. Zu allem Übel ist auch der Schwierigkeitsgrad hoch angesetzt, und wenn man stirbt, darf man meist an einem weit zurückgelegenen Kontrollpunkt wieder von vorne beginnen – freies Speichern gibt’s nicht. An einigen Stellen jedoch ist zumindest die Möglichkeit gegeben, einen Schusswechsel zu vermeiden, Drumherum kommt man allerdings nicht – nichts für Pazifisten.

~ Fazit ~

Es ist sehr schwierig ein faires Urteil zu fällen: An vielen Stellen beeindruckt das Spiel vollends durch seine Atmosphäre, wie etwa die psychischen Störungen, die der Spieler aus Augen Jack Walters durchleben muss, oder spielerische brillante Höhepunkte, gerade zu Beginn des Spiels und weitere Innovationen, wie der anzeigeleere Bildschirm. Mit der Marsh-Raffinerie kann das Spiel auch in Mitten der Handlung überzeugen. Zum Ende hin allerdings gewinnen Gefechte an Bedeutung, gleichermaßen verliert die Story wiederum, der absolut Zentrale Aspekt des Horror-Trips, an Bedeutung. Ansatzweise ist Story des Spiels wahrlich ein Meisterwerk, die Ausarbeitung gerade zum Ende hin ist teils ernüchternd, denn der Mythos erklärt sich plötzlich als ein schon längst dagewesenes Phänomen und nicht als mehr – vielleicht aber ist genau das auszeichnend für eine Spielumsetzung eines Lovecraft Romans.

Für mich wird Dark Corners of the Earth zwar nicht als Meilenstein, aber trotzdem als ein wirklich einzigartiger Horror-Trip in Erinnerung bleiben, und ist auch heute noch für diejenigen wärmstens zu empfehlen, die sich auf ein paar Tiefpunkte und einen schließlich eher unbefriedigenden Schlussteil einlassen wollen. Geheimtipp mit Schwächen!

+ tolle Atmosphäre ohne Effektchaos
+ brillant inszenierte spielerische Höhepunkte
+ schöne Detektivarbeit
+ Durchleben von Walters labiler Psyche
+ viele verworrene Schauermomente, passende Musik
+ Geisteszustand kann mit Folgen beeinträchtigt werden
+ interessante Tagebucheinträge, einige Dialoge
+ zunächst durchdachte, interessante Story …

- durchweg veraltete Grafik, schwammige Steuerung
- wenig Tiefgang der weiteren, wichtigen Charaktere
- … die später durch Schießerein etwas an Priorität und Qualität verliert
- keine Einflussnahme auf Dialoge, kein freies Speichern


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(5)
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