Seite 2: Geschäftmodell: Digitale Distribution - Interview: Im Gespräch mit Dan Connors

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Making Games: Aber kann man sich nicht einfach mit einer Distributions-Plattform wie Steam oder Gamersgate zusammentun?

Die Telltale-Homepage: »Wir mussten ein Web-Team aufbauen, eine E-Commerce-Lösung finden und uns auch mit Marketing und Publishing auseinandersetzen.« Die Telltale-Homepage: »Wir mussten ein Web-Team aufbauen, eine E-Commerce-Lösung finden und uns auch mit Marketing und Publishing auseinandersetzen.«

Dan Connors: Ja, aber auch diese Plattformen wollen Geld verdienen, und dein Spiel hat ja auch nur eine begrenzte Lebensdauer. Und wenn deine zehn Jungs ein Projekt zusammenbauen wollen, das ein paar Millionen Dollar Umsatz macht, dann wird virales Marketing reichen. Aber wenn man eine 50 oder 100 Millionen Dollar Firma aufbauen will, muss man sehr viel mehr Arbeit hineinstecken, um Profit zu machen. Mit viralem Marketing bekommt man sozusagen viralen Erfolg. Es sieht von außen immer besser aus als aus wirtschaftlicher Sicht. Wenn es keine vernünftige Struktur zur Monetarisierung gibt, werden eine ganze Menge kostenlose Kopien im Umlauf sein und alle möglichen Partner werden einen Teil des Gewinns abbekommen. Auch wenn es nur ein 10-Dollar-Produkt ist: Wenn man es eine Million mal verkauft, bekommt man zehn Millionen Dollar. Beim Entwickler kommen davon aber vielleicht nur fünf Millionen an. Was immer noch viel Geld ist, aber was soll man als nächstes damit tun? Hört man dann einfach auf und geht in Rente oder reinvestiert man und baut ein Geschäft auf? Und spätestens dann muss man sich Gedanken über einen soliden Geschäftsplan machen. Denn du wirst nicht mit jedem Spiel solch einen Erfolg haben. Auf jedes World of Goo kommen Hunderte Spiele, die es eben nicht geschafft haben.

Making Games: Worauf kommt es an, wenn man seinen Fuß in die Türen der großen Konsolen-Plattformen bekommen möchte? Wie schwierig war es für euch?

Dan Connors: Das ist kompliziert. Entweder ist es technisch herausfordernd oder aber der Plattform-Partner ist vom Programmieren her herausfordernd. Etwas für den PC aufzubereiten ist sehr viel einfacher. Aber auch da ist es schwierig, mit den Distributions-Partnern zusammen zu arbeiten. Die haben ihre eigenen Möglichkeiten und ihre eigenen Pläne. Und diese Pläne stimmen nicht immer mit den eigenen überein.

Making Games: Was sind denn die größten Herausforderungen aus technischer Sicht?

Dan Connors: Wenn man für Konsolen entwickelt, muss man auf all die gesetzlichen Überprüfungen, Lokalisierungen und Achievements achten. Und dann gibt es da noch die vorgegebenen Meilensteine und Hardware-Limits, um die man sich kümmern muss.

Making Games: Wie wichtig ist das Timing bei der digitalen Distribution? Microsoft bringt zum Beispiel nur zwei Spiele die Woche heraus.

Dan Connors: (Lacht) Bei unseren Episoden-Spielen ist das sicher nicht ganz so kompliziert. Aber die Verkaufskanäle können natürlich auch als Unterstützung gesehen werden. Microsoft weiß schließlich am besten, wie sie Einheiten verkaufen. Sie wissen, was nötig ist, um einem Produkt genügend Aufmerksamkeit zu geben, so dass es genügend Schwung bekommt, um auf der Plattform erfolgreich zu sein. Es stehen also gute Gründe hinter ihrer Entscheidung. Und sie sind da offensichtlich sehr umsichtig. Sie versuchen bei jedem XBLA-Spiel so viel wie möglich zu verkaufen, was ja das Beste für alle ist. Aber es ist kein freier Vertriebskanal. Man muss definitiv mit einem Partner zusammen arbeiten, der ebenfalls etwas erreichen will.

Making Games: Woran muss ich denken, wenn ich in die digitale Distribution einsteigen will? Es geht jetzt nicht um Millionen-Projekte, sondern um ein kleineres Produkt, das ich mit kleinem Team und kleinem Budget erstellen möchte.

Dan Connors: Die erste Frage, die man sich stellen sollte, ist: Wer wird es kaufen? Wenn die Antwort dazu ist, weil es großartig wird, dann heißt es einfach: Okay, viel Glück. Es ist gut, überzeugt zu sein, aber es steckt, auch mit einem guten Produkt noch eine Menge harte Arbeit dahinter, es bekannt zu machen. Je mehr Augen auf das Produkt gerichtet sind, desto mehr Geld verdient man. Wenn man diese Augen von jemand anderem bekommt, musst du den auch bezahlen. Und das ist die entscheidende Frage: Wie groß muss dein Stück vom Kuchen sein, damit du auch satt wirst?

» Auf jedes World of Goo kommen Hunderte Spiele, die es eben nicht geschafft haben.« » Auf jedes World of Goo kommen Hunderte Spiele, die es eben nicht geschafft haben.«

Making Games: Es steckt also eine Menge Geschäftliches hinter der Produktion eines Spiels?

Dan Connors: (Lacht) Ja, deswegen nennt man es ja Geschäft. Publishing ist ein Geschäft. Und die Entwicklung ist der kreative Teil des Geschäfts. Wenn man nur kreativ arbeiten will, übergibt man dem Publisher die Verantwortung. Du machst etwas Großartiges, handelst einen guten Preis mit ihnen aus und kannst so weiter machen. Das Problem ist natürlich, dass du vom Publisher abhängig bist. Wenn der Publisher sagt, dein Produkt funktioniert für uns nicht, hast du ein mächtiges Problem.

Making Games: An was muss ich beim Projektmanagement denken? Müssen meine Leute bei digitaler Distribution schneller oder fokussierter arbeiten?

Dan Connors: Die Rechnung ist eigentlich ganz einfach: Der Ertrag der Investition sollte die Entwicklung vorantreiben. Das gibt vor, wie viele Leute man hat und wie lange man an dem Produkt arbeiten kann. Wenn man etwas erstellt, dass keinen ausreichend hohen Ertrag verspricht, muss man alles noch mal überdenken. Und wahrscheinlich wird alles kleiner werden. Es ist einfach ganz anders, wenn man 300.000 Dollar bekommt, als wenn man 10 Millionen Dollar für ein Retail-Produkt bekommt. Dann sind es eben nicht mehr 80 Leute, sondern zehn.

Making Games: Was denkst du über die gewachsene Internet-Bandbreite? Man kann inzwischen komplette Xbox-360 Titel herunterladen. Ist das eine Konkurrenz für die typischen, kleinen Download-Spiele?

Dan Connors: Ich glaube nicht so sehr. Die traditionellen Spiele tun das, was sie am besten können. Die Download-Spiele haben hier eine Möglichkeit, etwas anderes zu bieten. Eine Erfahrung, die es vorher nicht gab. Retail hat die Spiele limitiert. Es gibt Vorgaben, was ein Spiel sein kann. Wir hätten im Handel doch niemals sechs Spiele in sechs Monaten in die Regale stellen können. Erst die digitale Distribution hat uns das ermöglicht. Sie hat auch Dinge wie mehr Benutzer-Einbeziehung, ständige Updates und Mikro-Transaktionen ermöglicht. All diese verschiedenen Wege sind konsistenter als der traditionelle Handel.

Das erste Telltale-Spiel Bone: »Wir registrierten den Aufschwung der digitalen Distribution und uns war klar, dass wir damit eine Zielgruppe ansprechen konnten, die von den Retail-Kanälen sozusagen unterbeliefert war.« Das erste Telltale-Spiel Bone: »Wir registrierten den Aufschwung der digitalen Distribution und uns war klar, dass wir damit eine Zielgruppe ansprechen konnten, die von den Retail-Kanälen sozusagen unterbeliefert war.«

Making Games: Was würdest du sagen ist eine gute Team-Größe, um in die digitale Distribution einzusteigen?

Dan Connors: Das kommt ganz auf das Projekt an. Was möchte man machen und wem möchte man es verkaufen. Wie muss das Spiel aussehen und funktionieren, um die prognostizierten Verkaufszahlen zu erreichen. Und wie bekommt das Spiel an dieses Punkt. Sobald man das festgelegt hat, kann man in sein Team investieren. Aber unbedingt defensiv planen! Wenn man glaubt eine Million zu verdienen, sollte man für die Entwicklung maximal 300.000 einplanen und ein Team anstellen, das 50.000 im Monat kostet. Wenn man mehr Gewinn erwartet, kann man auch ein größeres Team engagieren. Aber bevor man irgendwelche Entscheidungen trifft, sollte man die Größe seiner Zielgruppe herausfinden. Und dann natürlich, welche konkreten Inhalte sie von deinem Spiel erwarten.

Making Games: Letzte Frage: Was ist aus eurer Sicht der größte Vorteil der digitalen Distribution?

Dan Connors: Ganz klar: Konstantes Feedback aus der Zielgruppe. Die vielen Iterationen, mit denen wir uns monatlich verbessern können. Und wir haben richtigen Kontakt zur Zielgruppe. Ich vergleiche das manchmal mit Live-Musik. Das Produkt ist live. Und wir und die Zielgruppe sind während der Entwicklung miteinander verbunden. Das motiviert das Team, beeinflusst Entscheidungen und während wir weiter entwickeln, bekommen wir live das Feedback von unseren Fans. Es ist wie bei einem Rockkonzert und wir sind die Musiker auf der Bühne. Was kann es Schöneres geben?

Dieser Artikel erschien im Making Games Magazin Ausgabe 04/2009. Das Making Games Magazin ist die führende deutsche Publikation für Entwickler von Videospielen. Bei makinggames.de finden Sie alles Wissenswerte über Jobs in der Branche, Events in Deutschland, Best Practice in Studios und vieles mehr.

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