Seite 2: GDC 2011 - Exklusiv-Interview mit Peter Molyneux - »Ich bin wie ein kreativer Schmetterling«

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GameStar Von den alten Hasen der Industrie bist du einer der letzten, der überhaupt noch AAA-Spiele entwickelt. Warum bist du nicht auch schon längst in den Social-Games-Bereich gewechselt?

Peter Molyneux Ich habe in meiner Karriere an so vielen Genres gearbeitet. Theme Park hat sich damals in den 90ern schon ein bisschen wie ein Social Game angefühlt. Ich mag es, an Spielen zu arbeiten, die soziale Elemente enthalten. Ich habe aber auch an Strategietiteln und Actionspielen gearbeitet und will mich nicht für den Rest meines Lebens einem einzigen Genre verschreiben. Ich bin da eher wie ein kreativer Schmetterling, der von Blüte zu Blüte fliegt.

GameStar Aber fliegst du dann auch extra zu der Blüte, in der am meisten Geld steckt?

Peter Molyneux Geld ist nur die eine Seite. Manchmal ist es ein großer Fehler, auf den vermeintlichen Erfolgszug aufzuspringen. Was heute erfolgreich ist, muss das nicht unbedingt morgen auch noch sein. Ich liebe natürlich die Vorstellung, dass mein Spiel von Millionen Menschen gespielt wird -- und wenn das auch noch Geld bringt, super! Aber für mich ist noch viel entscheidender, dass das Spiel selbst die Leute überzeugt und nicht einfach nur Profit bringt.

GameStar Zurück zum klassischen AAA-Entwickler: Wie lässt sich ein Unternehmen der Spielebranche mit hunderten Angestellten überhaupt managen, damit am Ende auch noch ein originelles Produkt herauskommt?

Peter Molyneux Wir bewegen uns in einer äußerst facettenreichen Branche, da kann man schnell mal die Orientierung verlieren. Manche Entwickler probieren etwas aus und wenn es nicht funktioniert, springen sie woanders hin, probieren wieder herum und so geht es weiter. Ich folge da lieber einem etwas anderen Ansatz. Wir konzentrieren uns auf etwas, picken uns das heraus, was wir für sinnvoll halten und bleiben dann am Ball. Es gibt hunderte Gründe, warum etwas nicht funktionieren kann. Wenn man aber an einem Konzept festhält, an das man glaubt, dann hat man in der Regel ganz gute Chancen.

GameStar Kann man das also zusammenfassen unter dem Credo »Fokus führt zu Qualität«?

Peter Molyneux Immer wenn ich nicht fokussiert war, hat das zumindest zu einem schlechteren Ergebnis geführt. Fable 3 ist zum Beispiel ein tolles Spiel, das Team hat eine fantastische Arbeit geleistet. Aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich noch mehr hätte da sein müssen, mich noch weniger hätte ablenken lassen sollen.

GameStar Was sind denn die Top 3 der schlechtesten Entscheidungen in deiner Karriere?

Peter Molyneux Oh, es gibt vermutlich hunderttausende »schlechteste« Entscheidungen. Als allererstes fällt mir da die völlig abstruse Idee ein, niemals an einem Sequel arbeiten zu wollen. Als wir Black & White fertig gestellt hatten, haben wir nicht einfach gesagt »Hey, lasst uns jetzt mit Black & White 2 anfangen!« Wir haben dann stattdessen an sechs unterschiedlichen Spielen gearbeitet.
Und ich hab noch gar nicht über die unzähligen und wirklich üblen Faux Pas gesprochen, die ich mir in all den Jahren mit der Presse erlaubt habe.

GameStar Wäre es nicht toll, all diese Erfahrungen mal zusammenzufassen und jungen Entwicklern damit unter die Arme zu greifen?

Peter Molyneux Ich versuche bereits, mit einigen Entwicklern zu sprechen und ihnen hier und da ein paar Tipps zu geben, allerdings will ich das Ganze nicht zu sehr bewerben. Erst gestern Morgen habe ich mit einem jungen Designer gefrühstückt, und er macht gerade exakt dieselben Fehler, deren Folgen ich Jahre zuvor schon ausbaden musste. In der Situation konnte ich natürlich sagen: »Wenn du das jetzt machst, dann passiert voraussichtlich das und das… so war es zumindest damals bei mir!«

GameStar Wie gehst du denn in deiner Firma mit Innovationen um? Einerseits musst du deine Mitarbeiter ja ermutigen, innovativ zu sein, andererseits darf es auch nicht ausarten.

Peter Molyneux Ich hoffe, mich bringt hinterher niemand um, weil ich das hier bereits erzähle: Wir überlegen derzeit, ob wir nicht einfach die Presse zu einem unserer Kreativtage einladen. Bei Lionhead gibt es nämlich die Möglichkeit, die eigenen kreativen Ideen und Konzepte vor versammelter Runde vorzustellen. Und da dachte ich, dass die anwesende Presse vielleicht auch ein ganz guter Meinungsbringer wäre. Es wird dort keine Ankündigungen von Spielen geben, aber es gibt einen Eindruck, wie unsere Kreativprozesse aussehen.

Generell ist es viel wahrscheinlicher, dass eine neue Idee umgesetzt wird, wenn sie Teil eines bestehenden Spieleprojekts ist. Wenn es um ein völlig neues Konzept geht, dann ist es hingegen sehr unwahrscheinlich, dass wir einfach alles stehen und liegen lassen und uns diesem Spiel widmen.
Am Kreativtag kommen dann unsere Leute und stellen völlig unterschiedliche Dinge vor. Mal hat jemand ein völlig neues Konzept für Kämpfe in Spielen entwickelt, ein anderer hat eine neue Webseite gebaut und wieder ein anderer hat sich vielleicht einen Weg überlegt, wie man besser mit der Community umgeht. Wenn es aber um ein gänzlich neues AAA-Spielkonzept geht, sagen wir einfach mal »Paintball auf dem Mond«, dann wissen alle, dass die Umsetzung äußerst unwahrscheinlich ist.

Manche dieser Ideen reifen dann aber auch bei uns weiter und überleben in irgendeiner Form. Das war zum Beispiel mit der Milo-Demo der Fall, die wir vor ein paar Jahren gezeigt haben. Andere Ideen landen dann vielleicht in etwas abgewandelter Form in Fable.

GameStar Wo du gerade Milo ansprichst: Was passiert jetzt mit dem Konzept, habt ihr Pläne?

Peter Molyneux Es ist mir leider völlig, zu einhundert Prozent und auf den Tod verboten, auch nur ein Wörtchen darüber zu verlieren.

GameStar Das verstehen wir natürlich, bald ist ja auch wieder E3, nicht wahr?

Peter Molyneux Genau.

GameStar Dann lassen wir das Thema Milo doch vorerst ruhen und gehen noch mal kurz zurück zum Mobile-Segment. Wäre es nicht toll, wenn all die originellen Ideen, die nicht umgesetzt werden konnten, als Spiel auf dem Smartphone oder dem Tablet landen würden?

Peter Molyneux Klar, bei der ein oder anderen Idee sagen wir ja auch schon: »Das ist eine tolle Idee, aber sollten wir so etwas nicht vielleicht auf der oder der Plattform machen?!«
Es gibt da so einige spannende Ideen, die bei uns herumgeistern, wir werden sehen.

GameStar Vielen Dank, Peter, es war uns eine Freude!

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