Snowpiercer - Klassenkampf im Sci-Fi-Zug

Für das US-Publikum ist dieser Film zu schlau, findet der eigene Kino-Verleih - trotz hochkarätiger Hollywood-Besetzung. Dabei ist Snowpiercer eines der besten Sci-Fi-Werke, die wir seit Jahres gesehen haben.

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Als die globale Erderwärmung ihren Höhepunkt erreicht, ergreift die Menschheit Gegenmaßnahmen. 79 Staaten schließen sich zusammen und lassen ein künstliches Kältemittel in die Atmosphäre schießen. Doch das Experiment schlägt furchtbar fehl, eine zweite Eiszeit ist die Folge, die alle Menschen ausrottet. Alle, bis auf einige Wenige, die sich in einem Zug verbarrikadiert haben, der auf einem den Globus umspannenden Schienennetz ziellos durchs ewige Eis rattert. Willkommen in der Welt von Snowpiercer.

Bevor wir jetzt zum Kern der Sache kommen und feststellen, dass »Snowpiercer« ein ganz fantastisches Stück Genrekino ist, klären wir zunächst eine Frage, die wohl den meisten Lesern durch den Kopf gehen dürfte: »Snow…was?« Nur Wenige haben überhaupt schon einmal den Namen vernommen, geschweige denn Filmszenen gesichtet, denn der neue Film vom koreanischen Wunderkind Bong Joon-ho ist ein Musterbeispiel darin, wie man Filme nicht vermarkten sollte. Keine zünftigen TV-Clips, keine Plakatkaskaden an den Wänden, ja nicht einmal ein Trailer lief bisher in den Kinos.

Zu schlau für die USA

Der Grund dafür ist ebenso simpel wie skurril: Snowpiercer wurde schlicht überhaupt nicht vermarktet. Zumindest in den USA hatte der Film, der im Heimatland des Regisseurs mit 10 Millionen Zuschauern ein Selbstläufer an den Kassen war, einen immens schweren Stand. Harvey Weinstein, Boss des Independent-Studios Miramax und Rechteinhaber der englischen Vertriebsrechte, war und ist der Meinung, Snowpiercer sei für ein US-Publikum nicht geeignet. 20 Minuten wollte er entfernen, um den Wechsel zwischen Drama und Action zu beschleunigen.

Kein Einzelfall für Weinstein, der in der Vergangenheit schon mehrfach die von ihm eingekauften Filme nur in einer gekürzten Schnittfassung auf den US-Markt bringen wollte. Als sich Regisseur Bong Joon-ho weigerte sein Werk zu beschneiden, strich Weinstein die Marketing-Kampagne für Snowpiercer auf ein Minimum zusammen und lässt ihn nun im Sommer dieses Jahres in wenigen, ausgewählten US-Kinos anlaufen.

Captain-America-Darsteller Chris Evans ist in Snowpiercer in der Hauptrolle zu sehen und kämpft sich von einem Ende des Zuges zum anderen. Captain-America-Darsteller Chris Evans ist in Snowpiercer in der Hauptrolle zu sehen und kämpft sich von einem Ende des Zuges zum anderen.

Somit haben wir hier also einen Film, dessen eigener Geldgeber ihn gerne für ein amerikanisches Action-Publikum zurechtstutzen würde, der in vielen englischsprachigen Ländern bis heute nicht anlaufen durfte und seither durch Mund-zu-Mund-Propaganda über kleine Festivals getragen wird - und dort teils frenetischen Jubel erntet. Bessere Vorzeichen für einen tollen Kinoabend könnte es kaum geben… liefe Snowpiercer nicht Gefahr, im Werbetamtam der Frühjahrsblockbuster unterzugehen.

Daher an dieser Stelle eine dringende Ermahnung: jeder, der sich selbst auch nur im Entferntesten als Fan des Science-Fiction-Genres bezeichnet, muss diesem Film eine Chance geben. Snowpiercer ist ein Film, der weit über seinen Hype hinauswächst, weil er klug ist, reich an Metaphern und vor einfallsreicher Symbolik fast zu bersten droht. Der seltene Fall eines Genrebeitrags also, der seine hübschen Effektszenen auch mit Tiefe auszukleiden versteht.

Eine Prise Bioshock

Das zentrale Thema, die Chronik einer dem Untergang geweihten Spezies, die sich trotz allergrößter Not lieber in eine Zwei-Klassengesellschaft zerklüftet, ist freilich nicht neu. Spieler zum Beispiel erkennen zahlreiche Parallelen zu den Titeln der Bioshock-Reihe. Auch dort wurde in arm und reich geteilt, auch dort gab es einen prophetischen Führer, der mit demagogischer Zunge und brutaler Gewalt herrscht. Und es gab die Aufrührer.

Natürlich eskaliert die angespannte Lage im Zug schnell, sodass sich die Armen aus dem hinteren Teil des Zuges bis zur Spitze durchzuschlagen versuchen, um dort den Lokführer Wilford zu töten und dessen Maschine an sich zu reißen. Bong Joon-ho inszeniert diese Szenen mit atemberaubendem Tempo. Der exzellente Soundtrack wummert in ohrenbetäubendem Stakkato, baut sich auf, bis die Spannung kaum noch auszuhalten ist.

Überdies spart Snowpiercer in den Actionszenen nicht mit Blut. Bong Joon-Ho, der mit The Host und Mother bisher fast ausschließlich düsteres bis tiefschwarzes Kino abgeliefert hat, gönnt sich hier und da ein paar durchaus krasse Gewaltspitzen, die der ohnehin schon ausgesprochen nihilistischen Grundstimmung den letzten Anstrich Schwärze verpassen.

Snowpiercer - Clip aus dem Film Video starten 2:02 Snowpiercer - Clip aus dem Film

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