Ubisofts Bärendienst - Warum der Game Launcher Raubkopien fördert

Ein Kopierschutzsystem, das Raubkopien verhindern soll, sie aber stattdessen fördert - Ubisofts Game Launcher ist ein Debakel nicht nur für die Firma selbst, sondern für die ganze Spielebranche, sagt Christian Schmidt.

Gestern klingelt mein Telefon, am Apparat ist unser freier Autor Martin Deppe, der Die Siedler 7 für uns testet und mitteilt: Das Spiel geht nicht mehr! Die Ubisoft-Server verweigern die Verbindung. In meiner Tür taucht der Kollege Daniel Matschijewsky auf und nickt: Ihm ist gerade aus dem gleichen Grund Assassin’s Creed 2 abgeschmiert. Ein dritter Redakteur fiel aus der U-Boot-Simulation Silent Hunter 5. All diese Spiele sind an Ubisofts neuen Kopierschutz, den Game Launcher gebunden. Wenn das Internet oder - schlimmer - die Ubisoft-Server ausfallen, dann verweigern die Spiele von einer Sekunde auf die andere den Dienst. Eine kleine Serverstörung, und rund um die Welt fliegen Zehntausende von Spielern gleichzeitig aus Assassin’s Creed 2. So ist es in den letzten drei Tagen mindestens zweimal geschehen.

Für Ubisoft summiert sich die Einführung des Game Launchers zum Image-GAU. In den Foren und Kommentaren lässt die Spielerschaft kaum ein gutes Haar an dem System. Ubisofts »Friss oder stirb«-Strategie erhitzt die Gemüter genauso wie die sparsame Kommunikation des französischen Konzerns. Der massive Serverausfall vom Wochenende hat neues Öl ins Feuer gegossen. Bei Amazon.de bekam Assassin’s Creed 2 von 273 Kundenrezensionen 231 Mal die niedrigste Bewertung, einen von fünf Sternen. Nicht, weil es ein schlechtes Spiel wäre, sondern allein wegen des Online-Zwangs.

Kein Gewusel ohne Internet. Siedler 7 verweigert ohne Ubi-Login den Dienst. Kein Gewusel ohne Internet. Siedler 7 verweigert ohne Ubi-Login den Dienst.

Am schwersten aber wiegt, dass der Ubisoft Game Launcher einen Effekt hat, den man ironisch nennen könnte, wenn er nicht so bedenklich wäre: Lange ist unter Spielern nicht mehr so viel über Raubkopien gesprochen worden – und zwar positiv. Mit unverhohlener Genugtuung meldeten Community-Mitglieder neue Gerüchte, dass der Kopierschutz bereits geknackt sei, jede Neuigkeit aus der Welt der Cracker verbreitete sich blitzartig. Wer noch nie von Crackergruppen gehört hatte, erfuhr nun ihre Namen. Das hatte nichts Anrüchiges mehr, sondern Untergrund-Charme, die Aura des Widerstands.

Wer die Diskussionen verfolgt, der muss den Eindruck gewinnen, dass selbst besonnenen Spielern diese Art von Gesetzesbruch zunehmend als legitime Form des Protests erscheint. Raubkopierer und ihren Erstversorger, die Cracker, dürfen sich nicht nur über stillschweigendes Verständnis, sondern über offenen Zuspruch freuen. Das ist neu. Angesichts der Zumutungen des Ubisoft-Systems glauben viele, sich durch die Nutzung von Raubkopien nicht mehr als Krimineller fühlen zu müssen, sondern als Rebell.

Besonders ärgerlich sind Verbindungsprobleme bei den langwierigen Feindfahrten in Silent Hunter 5. Besonders ärgerlich sind Verbindungsprobleme bei den langwierigen Feindfahrten in Silent Hunter 5.

Ausgerechnet das bislang rigideste System zum Schutz vor Raubkopien erweist sich also als Wind in den Segeln der Raubkopierer. Die Franzosen erweisen damit der gesamten Branche einen Bärendienst. Wer jetzt aus Frust über den Game Launcher oder aus schierer Neugierde zum ersten Mal in die Torrent-Ströme und Cracker-Seiten eintaucht, der wird womöglich dort hängen bleiben und zukünftig auch andere Spiele aus der Illegalität beziehen. So schwemmt der Game Launcher ein neues Publikum in die Arme der Szene.

Ubisofts unglücklicher Vorstoß wirft die Sache der Raubkopie-Gegner um Jahre zurück. Die Spielebranche klagt ja nicht nur – zu Recht! – über den immensen Schwarzmarkt, sie bekämpft ihn auch seit Jahrzehnten, und das nicht nur physikalisch, sondern auch psychologisch: Am wichtigsten wäre immer noch, dass die Spieler das Raubkopieren nicht als Kavaliersdelikt begreifen. Sondern einsehen, dass sie damit einen kriminellen Akt begehen, der sie strafbar macht und der gesamten Spielebranche schadet.

Wer in einer Diskussion über den Game Launcher, Assassin’s Creed 2 & Co. derzeit die Meinung vertritt, dass keine noch so kundenfeindliche Politik irgendwem das Recht gibt, eine Raubkopie zu nutzen, der hat einen schweren Stand. Das ist das Schlimmste an Ubisofts Game Launcher. Es ist das Letzte, was PC-Spiele derzeit gebrauchen können.

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