Seite 2: E3-Gastkolumne - E3stigkeit

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Ein Hauch von 1990

Heute ist die Messe immer noch ein buntes Spektakel. Aber im Dienste der Professionalisierung wurde sie zurechtgestutzt und in Form gepresst. Die Stände sind nun mit viel Bedacht arrangierte Ansammlungen von Lichtshows, Projektionsflächen und Unmengen von Bildschirmen aller Größen. Wo man früher das Gefühl hatte, die Deko sei im Bastelkreis des Entwicklungsstudios entstanden, scheint heute die einzige Kreativentscheidung darin zu bestehen, die Fläche der mit Logo und Artwork zu bedruckenden Trennwand auszurechnen.

Eine der Letzten ihrer Art. Eine der Letzten ihrer Art.

Die knapp bekleideten »Booth Babes« hat man im Dienste eines gesitteten Images schon vor ein paar Jahren verbannt oder zumindest züchtiger bekleidet. Geradezu schockiert blieb ich heute kurz am Stand von Namco stehen. Vor einer riesigen Tekken Tag Tournament 2-Videoleinwand fand sich dort doch tatsächlich eine einsame Hostess, die sich mit knappem Röckchen in Kampfpose schmiss. Neben ihr gleich noch ein gemieteter Sportwagen mit Flügeltüren und »Tekken«-Airbrush. Vor Rührung lief mir beinahe eine einzelne, nostalgische Träne über die Wange. Sehr oldschool, Namco.

Apropos »oldschool«: So ein klein wenig 1990 wehte auch durch die Hallen, als ich zum ersten Mal den neuen Wii-U-Controller in die Hände bekam. Bis auf das Gewicht von einem halben Kilo Batterien war es, als sei Segas Gamegear aus seinem Grab auferstanden. Das klobige Plastik-Rechteck in der Hand zu halten weckt unweigerlich Erinnerungen an Zeiten, in denen der Unterschied zwischen einem Mobiltelefon und einem Backstein nur in der Länge der Antenne bestand. Mindestens genauso unbeholfen stellten sich denn auch die ersten Spiele von Drittherstellern dabei an, die neue Hardware zu unterstützen. Batman: Arkham City: Armoured Edition beispielsweise zeigte sich wirklich superheldenhaft in seinem Bemühen, möglichst viele Spielfeatures auf den Bildschirm des neuen Controllers auszulagern, die viel bequemer direkt auf dem TV-Bildschirm integriert waren.

Ehrenrettung

Fast schien es so, als hätte ich vorzeitig den Punkt im Leben eines Spieleredakteurs erreicht, in dem er einen mürrischen Retro-Podcast starten muss. Doch dann kam Bethesdas Dishonored. Es ist zu schade, dass das Spiel schon so lange vor der E3 angekündigt und gezeigt wurde. Eigentlich sollte jeder Artikel von der Messe grundsätzlich mit den Worten enden: » ... aber Dishonored war besser!«

Der Grafikstil vom Half-Life 2-Designer Victor Antonov ist ein absoluter Genuss und erfüllt wirklich den erklärten Anspruch, ein »bewegtes Gemälde« zu erschaffen. Auch spielerisch hält die Mär vom übernatürlich begabten Attentäter in einer Welt zwischen dekadentem Überwachungsstaat und bitterer Armut, was sie verspricht. Nach kurzer Eingewöhnung vermischen sich in Dishonored die besten Eigenschaften von Spielen wie Bioshock und Assassin’s Creed zu einem extrem abwechslungsreichen Titel, der genau die richtigen spielerischen Freiheiten lässt.

Der einzige Skandal war, dass ich tatsächlich spielen konnte. Dabei hätte der Monitor längst mit »Best of E3«-Preisen überklebt sein müssen. »Es ist das Spiel, auf das wir praktisch seit der Gründung unseres Studios hingearbeitet haben«, sagte mir denn auch Julien Roby, der Produzent des Spiels bei den viel zu wenig geschätzten Arcane Studios. »Unser Ziel ist es, ein Spiel zu erschaffen, dass dem Spieler genau das gibt, was er will«. Und plötzlich musste ich wieder an das Bild in meinem Hotelzimmer denken. Dem Künstler hätte Dishonored sicher auch gefallen.

Lust auf mehr?
Dann schauen Sie doch mal auf unserer Schwesterseite Krawall.de vorbei, auf der sich André seit Jahren durch die Irrungen und Wirrungen der Spielebranche kämpft.

2 von 2


zu den Kommentaren (43)

Kommentare(39)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.