Entscheidungen in Spielen - Freiheit ist ein Geschenk

Für Benjamin Danneberg ist die Wahl keine Qual. Im Gegenteil, er begrüßt Story-Entscheidungen in Spielen – zumindest gut gemachte.

Während Online-Rollenspiele immer mehr zu simplen Solo-Abenteuern ohne Langzeitspaß schrumpfen, locken mich Singleplayerspiele zunehmend mit mehr Spieltiefe. Das heißt nicht selten, dass ich heutzutage viel mehr Entscheidungen treffen darf.

Von meinem Weg durch die Welt (Folge ich der Story oder Nebenaufträgen?) über die Lösung von Problemen (Schießen, schleichen, quatschen?) und moralische Fragen (Guter Dieb, böser Dieb?) bis hin zum Schiedsspruch über Leben und Tod.

Und das ist gut so. Dass ich als Spieler wählen kann, wie eine Geschichte verläuft oder gar ausgeht, hebt Spiele angenehm von eindimensionalen Medien wie Buch, Film und Fernsehen ab.

Die Gegenkolumne: Entscheidungen, nein danke!

Der Autor

Benjamin Danneberg findet es großartig, wenn seine Entscheidungen nachhaltige Auswirkungen auf den Spielverlauf haben. Wenn er minutenlang darüber grübeln muss, was er eigentlich will. Wenn er sich bei kniffligen moralischen Fragen die Haare rauft. Und wenn das Spiel ihn am Ende für seine Wahl mit sinnvollen Konsequenzen belohnt, dann ist er glücklich.

Freiheit bedeutet Konsequenzen

Symbol für die Freiheit: die Open World (hier im kommenden Ghost Recon: Wildlands) Symbol für die Freiheit: die Open World (hier im kommenden Ghost Recon: Wildlands)

Freiheit ist einer der großen Spiele-Trendbegriffe der letzten Dekade, vor allem dank der Open World: Ich kann (im Rahmen der Möglichkeiten des Spiels) tun und lassen, was ich will, wann ich es will, und oft auch wie ich es will.

Zur wachsenden Freiheit gehört auch der gespielte Charakter: In vielen Spielen kann ich wählen, was ich sage, und immer öfter wirkt sich das auch auf den Verlauf der Geschichte oder zumindest auf Teile davon aus. Ohne diese Freiheiten gibt es keine Entscheidungen, ohne diese Entscheidungen habe ich aber auch keine Freiheit.

Selbst wenn mir nur wenige Optionen offenstehen (etwa wegen technischer Einschränkungen), ist das immer noch besser, als am narrativen Nasenring durch die Manege geführt zu werden. Natürlich muss diese Freiheit auch Konsequenzen haben, sonst ist sie bedeutungslos. Dabei reichen aber schon kleinste Auswirkungen, um mich eng ans Geschehen zu binden.

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Angefangen bei der Baldur's Gate Saga über Deus Ex bis hin zu Pillars of Eternity kann ich jede Menge Spiele anführen, die Entscheidungen mit Konsequenzen verbinden. Hatte ich dabei das Gefühl, etwas zu verpassen? Nein, denn ich habe (m)eine Geschichte gestaltet - und das geht nun mal nicht ohne Konsequenzen.

So auch in The Banner Saga, einem Spiel, das die Konsequenzen meines Handelns geradezu zelebriert. Ich entschied mich beispielsweise, meinen besten Krieger zur Rettung eines Goldtransports zu schicken. War der gewaltige Nordmann stark genug? Nein. Ich verlor ihn unwiederbringlich an meine Gier.

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Folgen fürs Gedächtnis

Diese Entscheidung war eine der wichtigsten meines Spielerlebens. Sie hat mich nachhaltig beeindruckt, ich denke noch heute bei anderen, ähnlichen Entscheidungen an diese Szene und ihre Konsequenzen zurück. Das ist ein Reifeprozess, den man bei anstrengungslosem Konsum mundgerecht präsentierter Storykost nicht erfährt.

Darin besteht auch die Stärke des Mediums Videospiel: ich kann Einfluss nehmen. Ich kann - und ich zitiere hier Gamestarleser Scario - durch meine Handlungen Aussagen über mich selbst treffen. Viel mehr als in Buch oder Film bin ich direkt in eine Geschichte involviert.

In The Witcher 3 entscheide ich mich nicht für eine Sexszene, sondern für eine Person. In The Witcher 3 entscheide ich mich nicht für eine Sexszene, sondern für eine Person.

Ein gutes Beispiel dafür sind die (zugegebenermaßen oft schlecht umgesetzten) Romanzen. The Witcher 3 sticht als positives, aktuelles Beispiel heraus: Entscheide ich mich für Triss oder Yennefer? Dabei geht es nicht bloß um das Freischalten einer Sexszene, im Gegenteil: Ich entscheide mich für eine Person basierend auf ihrer Persönlichkeit und meinen bisherigen Erfahrungen mit ihr.

Dadurch entsteht Identifikation mit der gespielten Figur: ich bin Geralt, der Hexer, und ich folge meinem Herzen. Es gibt noch viele weitere Beispiele, die ich aufgrund des begrenzten Rahmens leider nicht anführen kann, aber der Punkt ist: Gute Entscheidungen in guten Spielen füttern unser emotionales Gedächtnis, denn wir haben selbst entschieden und die Konsequenzen getragen.

Kein dritter Weg: Ein Plädoyer für unbequeme Entscheidungen

Die Umsetzung ist der Schlüssel

Wie sehr mich das berührt, hängt von der Umsetzung ab. Während Telltale dafür bekannt ist, mit Dialogentscheidungen viel Augenwischerei zu betreiben, finde ich in Life is StrangeOptionen, die das Spiel verändern. In Pillars of Eternity entscheide ich über Gut oder Böse, über Leben und Tod, und erlebe je nachdem unterschiedliche Handlungsstränge.

Trotzdem leisten sich die Entwickler auch hier deftige Schnitzer, wenn ich mich beispielsweise dafür entscheiden kann, einen kriminellen Sklaven an Sklavenjäger auszuliefern oder zu befreien. An die Gerichtsbarkeit darf ich ihn aber nicht ausliefern.

Meine Entscheidungen in Pillars of Eternity haben glaubwürdige Folgen. Meine Entscheidungen in Pillars of Eternity haben glaubwürdige Folgen.

Gutes Entscheidungsdesign bedeutet, dass ich stets mit einer Mischung aus gesundem Bauchgefühl und moralischem Kompass urteilen kann - und mir das Spiel die passenden Wahlmöglichkeiten dafür zur Verfügung stellt. Zugleich brauche ich bei wirklich wichtigen Entscheidungen immer genügend Informationen, damit ich zumindest vorausahnen kann, wie sich meine Wahl auswirken könnte.

Folgenlose Entscheidungen dagegen frustrieren mich. Wenn ich die Sau rauslasse, meine »Opfer« mich später aber als sanftmütigen Befreier feiern, dann ist das Unsinn. Gleiches gilt, wenn meine über die Länge einer gesamten Trilogie getroffenen Entscheidungen in drei verschiedenen Farben einer Endsequenz kulminieren (Hallo, Mass Effect 3, das verzeihe ich dir nie!).

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Freiheit ist keine Last

Auch Deus Ex bot viel Entscheidungsfreiheit. Geschadet hat es dem Kultspiel nicht. Auch Deus Ex bot viel Entscheidungsfreiheit. Geschadet hat es dem Kultspiel nicht.

Freiheit geht nicht ohne Entscheidungen. Entscheidungen gehen nicht ohne Konsequenzen, sonst sind sie bedeutungslos. Dazu gehört auch, dass ich den alternativen Weg, gegen den ich mich entschieden habe, nicht erlebe. Zumindest nicht in meiner aktuellen Partie, sondern vielleicht in der nächsten - denn diese Art Konsequenz erhöht den Wiederspielwert eines Spiels massiv.

Die Folgen sind es, die sich in mein emotionales Gedächtnis einbrennen: Eine Entscheidung zu treffen, über die ich aufgrund ihrer Tragweite nachdenken musste und die im Nachhinein bei mir Reue oder Stolz, Trauer oder Freude ausgelöst hat, ist immer weitaus befriedigender als jedes Nachspielen einer bis ins letzte Detail, bis ins letzte Wort durchchoreographierten Geschichte.

Konsequenzen durch Entscheidungen machen ein Spiel besser, denn sie bleiben mir im Gedächtnis. Ich will gerne mehr davon. Viel mehr.

Wer die Wahl hat: Bedeutende Entscheidungen in Spielen

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