Gameforge-Urteil des BGH - G.A.M.E Bundesverband gibt Stellungnahme ab und übt Kritik

Dr. Konstantin Bertram, Rechtsanwalt und Verbandsjustiziar des G.A.M.E Bundesverbands der Computerspielindustrie, übt in einer Stellungnahme Kritik am sogenannten »Gameforge-Urteil« des Bundesgerichtshofes. Es geht um die Zulässigkeit von Werbung für den Kauf von virtuellen Gegenständen, insbesondere im Hinblick auf Kinder.

Der G.A.M.E Bundesverband übt Kritik am »Gameforge-Urteil«. Der G.A.M.E Bundesverband übt Kritik am »Gameforge-Urteil«.

Bereits im Juli 2013 untersagte der Bundesgerichtshof (BGH) im Rahmen eines Präzedenzfalls an Kinder gerichtete Werbung in Online-Spielen. Das Urteil wurde infolge einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (Vzvb) gegen die Onlinespiele-Firma Gameforge gefällt. Einige Monate danach liegt nun auch eine schriftliche Begründung des Bundesgerichtshofes vor.

Dr. Konstantin Bertram, Rechtsanwalt und Verbandsjustiziar des G.A.M.E Bundesverbands der Computerspielindustrie, hat das so genannte »Gameforge-Urteil« kritisch betrachtet und nimmt dazu folgendermaßen Stellung.

Seit vergangener Woche liegt eine schriftliche Begründung des BGH-Urteils in Sachen Runes of Magic (»Gameforge-Urteil«) vor. Auch wenn die rechtliche Tragweite dieser Entscheidung nicht überschätzt werden sollte, bietet sie aus Sicht des G.A.M.E. Bundesverbands der Computerspielindustrie doch genügend Anlass für einige kritische Anmerkungen.

Die Entscheidung erging als Versäumnisurteil und ist noch nicht rechtskräftig. Gegenstand des Unterlassungstenors ist die folgende Aussage, die im Rahmen des Spiels Runes of Magic verwendet wurde: »Schnapp dir die günstige Gelegenheit und verpasse deiner Rüstung & Waffen das gewisse Etwas!«

Der BGH sieht hierin eine unmittelbar an Kinder gerichtete werbende Aufforderung und damit einen Verstoß gegen Nr. 28 des Anhangs zu § Abs. 3 UWG.

Zur Begründung dieses Ergebnisses erklärt der BGH, dass durch das Spiel und die besagte Aussage gerade Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Kinder im rechtlichen Sinn), gezielt angesprochen würden. Hierfür verweist er auf eine angeblich kindertypische Sprache, die er maßgeblich darin erkennen will, dass die zweite Person Singular (»Dir«) verwendet wird und sich im Umfeld der Aussage vereinzelte Anglizismen (gemeint sind wohl die Wörter »pimpen« und »Dungeon«) finden. Welche Merkmale darüber hinaus auch das Spiel als solches kindertypisch erscheinen lassen sollen, wird in den Urteilsgründen nicht weiter erläutert.

Diese Argumentation des BGH ist nicht allein wegen ihrer konkreten rechtlichen Folgen bemerkenswert, sondern vor allem auch deshalb, weil sie deutlich macht, wie wenig Bezug Richter, die über diese Materie in letzter Instanz zu entscheiden haben, mitunter zu Computerspielen haben. Jedem, der Computerspiele nicht nur vom Hörensagen kennt, ist klar, dass der beschriebene Sprachstil für dieses Medium generell kennzeichnend ist. Man muss schon recht unbedarft an das Thema herangehen, um anzunehmen, dass Computerspiele ihre Kernzielgruppe allgemein bei Kindern unter 14 Jahren fänden. Studien belegen nämlich etwas vollkommen anderes: Rund 85 % aller Spieler von Computerspielen sind keine Kinder, und das Durchschnittsalter liegt bei circa 32 Jahren.

Diese Altersstruktur ist rechtlich deshalb von besonderer Bedeutung, weil das Gesetz gerade nicht die »an jedermann« gerichtete werbende Ansprache verbietet, von der sich Kinder lediglich auch angesprochen fühlen könnten. Untersagt ist nur die gezielte Ansprache von Kindern. Die Ansprache einer Zielgruppe, die zu 85 % nicht aus Kindern besteht, ist aber geradezu der Lehrbuchfall einer an jedermann gerichteten Ansprache.

Zweifel wirft die Urteilsbegründung auch unter einem anderen Aspekt auf: Das Gesetz nennt mit der »beworbenen Ware« einen klaren Bezugspunkt, der für eine verbotene Ansprache kennzeichnend sein muss. Mit anderen Worten: Das beworbene Produkt muss in der Werbung konkret benannt sein. Es genügt gerade nicht, wenn nur ein allgemeiner Kaufappell ausgesprochen wird. Die vorliegend verbotene Aussage lädt den Spieler nur dazu ein, sich »das gewisse Etwas« für seine Rüstungen oder Waffen zu »schnappen«. Worin dieses »Etwas« besteht, geht aus der Aussage nicht hervor. Ein konkretes Produkt wird also gerade nicht beworben. Vielmehr handelt es sich um eine allgemeine Einladung, den Item-Shop – also ein »virtuelles Ladenlokal« – aufzusuchen und dort erst nach dem passenden »Etwas« zu stöbern. Auch in der realen Welt sind solche allgemeinen Einladungen zum Besuch eines Geschäftes nicht vom Verbot der hier bemühten Vorschrift umfasst und daher dann auch nicht wettbewerbswidrig. Warum im Onlinebereich etwas anderes gelten soll, ist der Urteilsbegründung nicht zu entnehmen.

Daran würde sich nicht einmal etwas ändern, wenn dem BGH darin rechtzugeben wäre, dass in der werbenden Ansprache nicht unmittelbar Produktmerkmale und Preise genannt sein müssen, da es hier schon an der ausdrücklich geforderten Bezugnahme zumindest auf ein konkretes Produkt fehlt. Dieser Produktbezug wird auch nicht durch einen Link zum Item-Shop hergestellt, in dem sich ein Sortiment unterschiedlicher Produkte findet.

Wenn der BGH entgegen dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut dennoch einen bloßen Shop-Link für ein Verbot ausreichen lässt, dann ist zumindest der Unterlassungstenor zu weit gefasst, weil dieser den Shop-Link nicht als begrenzendes (weil aus Sicht des BGH ja für die Rechtsverletzung ausschlaggebendes) Merkmal nennt.

Fazit: Die Entscheidung des BGH ist aus mehreren Gründen kritikwürdig. Da gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt wurde und somit eine endgültige Entscheidung noch aussteht, bleibt aber noch die Hoffnung, dass der Richterspruch nicht in dieser Form Bestand haben wird.

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