Seite 6: Kopierschutz oder Tod - Industrie versus Spieler

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Das Recht als Kunde

Wer aber ein echter Kunde ist, der muss sich längst nicht jede Kopierschutz-Schikane der Spielefirmen gefallen lassen. Denn Verbraucher genießen in Deutschland weitreichende Rechte, insbesondere bei der Rückgabe von Waren. Wenn eine Software nur begrenzt oft aktiviert werden kann, dann hält der Verbraucherschützer Saller das für einen klaren Sachmangel: »Als Käufer kann man sein Geld zurückfordern.« Das gelte insbesondere dann, wenn die Einschränkung nicht klar auf der Packung angegeben ist. Professor Hoeren geht sogar noch weiter: »Es gibt ein Urteil zum Schadenersatz nach§ 826 BGB. Ich würde den Kunden raten, nicht nur den Kaufpreis zurückzufordern, sondern für den entstandenen Aufwand auch Schadenersatz zu verlangen.« Erst dann, so der Medienrechtler, würde die Sache für die Hersteller schmerzhaft. Gleichzeitig wünscht sich Hoeren mehr Initiative von den Verbraucherzentralen. Denn die haben die Möglichkeit, den Herstellern Massenabmahnungen zuzustellen. Dazu, sagt Markus Saller, müsste man aber erst einmal von den Kunden legitimiert werden: »Mir ist keine einzige Beschwerde zu dem Thema bekannt.« Die Spieler finden sich auch deshalb damit ab, dass ihr Half-Life 2 unverkäuflich zu Hause herumliegt, weil der Sachwert der Software zu gering ist. Vor Gericht werden Bagatellfälle im vereinfachten Verfahren abgehandelt, Berufung ist ausgeschlossen. Zudem haben die Softwarefirmen kein Interesse an Eskalation. »Es kommt in diesem Bereich nie zu Prozessen«, sagt Professor Hoeren, »weil die Hersteller lieber das Geld zurückzahlen, als die Sache vor Gericht auszutragen.«

Die Wirksamkeitsdebatte

Womöglich bekommen die PC-Spieler Rückendeckung aus unerwarteter Richtung: Aus der Branche selbst. Denn es die Frage, wie wirksam Kopierschutz-Maßnahmen überhaupt sind, ist durchaus umstritten. Dass Spore so oft kopiert wurde, so lautet eine Theorie, könnte unter anderem eine direkte Konsequenz aus dem harten Kopierschutz sein; zunehmende Einschränkungen trieben die Nutzer in die Tauschbörsen, wo die gleiche Software ohne lästigen Aktivierungszwang angeboten wird.

Das Knobelspiel World of Goo besitzt keinen Kopierschutz. Das Entwicklerteam 2D Boy beziffert die Raubkopierate mit 90%. Das Knobelspiel World of Goo besitzt keinen Kopierschutz. Das Entwicklerteam 2D Boy beziffert die Raubkopierate mit 90%.

Es gibt nach wie vor Programme, die ganz ohne Kopierschutz angeboten werden. Das kultige Knobelspiel World of Goo zählt ebenso dazu wie das originelle, beim Deutschen Entwicklerpreis vor Kurzem zum »Besten Adventure 2008« gekürte Edna bricht aus. »Nach unseren Beobachtungen kommen auf ein verkauftes Edna ungefähr fünf bis sechs Downloads«, sagt Claas Paletta vom Publisher Daedalic, räumt aber ein, dass die tatsächlichen Zahlen wohl »noch ein ganzes Stück höher« liegen dürften. Aber: »Von Edna bricht aus haben sich rückblickend mehr Einheiten verkauft als von vergleichbaren Spielen mit Kopierschutz, die zur gleichen Zeit veröffentlicht wurden«, zum Beispiel die Adventures The Abbey und Goin’ Downtown. Die Entscheidung, auf einen Kopierschutz zu verzichten, »scheint uns zumindest nicht geschadet zu haben«, folgert Paletta. Allerdings bleiben die Entwicklungskosten für Spiele wie Edna bricht aus im Vergleich zu Top-Titeln wie Crysis überschaubar und sind damit relativ schnell wieder eingefahren.
2D Boy, die Macher von World of Goo, rechnen auf ihrer Webseite vor, dass neunmal mehr Menschen Highscores hochladen, als das Spiel überhaupt gekauft haben. Sie kommen so auf eine Raubkopie-Quote von mindestens 90%. Die Jungentwickler lässt das -ungerührt: »Wir vermuten, dass die Raubkopierer Leute sind, die das Spiel sowieso nie gekauft hätten.« Sie verweisen auf Berechnungen von Russell Carroll vom Internet-Portal Reflexive Arcade, der zumindest für den Bereich der preisgünstigen Casual Games folgert: »Für 1.000 Raubkopien, die wir verhindern, würden wir einen zusätzlichen Verkauf generieren.« Kein Wunder, dass der Deadalic-Sprecher Paletta erklärt, herkömmliche Kopierschutz-Systeme hätten es »sehr schwer, tatsächlich einen signifikanten Unterschied in der Zahl der Kopien auszumachen.« Logistep-Chef Richard Schneider verdreht angesichts solcher Aussagen die Augen: »Die Hersteller von B-Games sind immer sehr überrascht, wenn wir ihnen mitteilen, wie häufig ihre Titel geklaut werden.«

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