Seite 4: Wieder die »Killerspiele« - Argumentationsleitfaden für die Debatte

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Argument: Die Gewalt an den Schulen nimmt seit Jahren zu, das liegt doch an den Gewalt-Medien.

Analyse: Kurz nach der Tragödie von Emsdetten und dem daraus entstanden Medien-Sturm hat stern.de eine repräsentative Umfrage veranstaltet. Ergebnis: 72 Prozent der Stern-Befragten glauben, brutale Spiele seien ein Grund für die zunehmende Gewalt an Schulen. Dagegen stehen die Erkenntnisse des »Periodischen Sicherheitsberichts« des Bundesministerium des Innern, Zitat: »Weder für die Gewalt an Schulen noch für die Gewalt junger Menschen im öffentlichen Raum sind Zuwächse zu erkennen. […] Anhaltspunkte für eine Brutalisierung junger Menschen sind weder den Justizdaten noch den Erkenntnissen aus Dunkelfeldstudien oder den Meldungen an die Unfallversicherer zu entnehmen. Es zeigt sich vielmehr im Gegenteil, dass in zunehmendem Maße auch weniger schwerwiegende Delikte, die nur geringe Schäden und keine gravierenderen Verletzungen zur Folge hatten, zur Kenntnis der Polizei gelangen.« Die Gewalt an sich steigt also nicht. Das deckt sich mit den USA, wo laut Angaben des Deptartment of Justice die Jugendgewalt von 1996 bis 2002 stetig gesunken ist, während die Verbreitung von Videospielen zugenommen hat.

Argument: Egal, wie die Verbotsdebatte ausgeht, immerhin wird mal darüber geredet. Das wird Eltern und Kinder für das Thema sensibilisieren.

Im Fadenkreuz der Kritiker: Der Mehrspieler-Shooter Counterstrike. Im Fadenkreuz der Kritiker: Der Mehrspieler-Shooter Counterstrike.

Analyse: Im Kriegslärm des Killerspiele-Streits findet eine Gruppe kaum Gehör: nämlich die, die da vor sich selbst geschützt werden sollen. Die Kollateralschäden, die der Ton und das Thema der Debatte bei den jugendlichen Spielern anrichtet, sind in ihrem Ausmaß nicht abzusehen. Zunehmend verbittert verfolgt eine gut vernetzte, medienerfahrene Jugend, wie sie öffentlich stigmatisiert, falsch verstanden und nicht ernst genommen wird.

Nach dem Amoklauf von Emsdetten lasen Spieler in der Bildzeitung, Sebastian Bosse sei »per Joystick« durch die selbstgebaute Counterstrike-Karte seiner Schule gelaufen und habe versucht, »in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Lehrer und Schüler zu erschießen«; sie hörten in Fernseh-Talkshows Experten ein Verbot fordern, die World of Warcraft als »Strategiespiel mit Generälen und Sanitätern« beschreiben; sie bekamen erzählt, in der deutschen Fassung von Counterstrike spritze Blut und würden Leiber zerfetzt.

Nichts davon stimmt -- und jeder Spieler weiß das. Zurück bleibt der Eindruck, dass da Menschen über einen Bereich sprechen, von dem sie offenbar viele Befürchtungen, aber keinerlei Ahnung haben.
Im Murren der Spielergemeinde schwingt eine alarmierende Politikverdrossenheit. Denn die Verbotsdebatte macht für viele durchschaubar, auf wie dünner Kenntnisbasis sich Öffentlichkeit, Medien und Politik ihre Meinung bilden. Daraus folgen einerseits Trotzreaktionen wie die Überzeugung, der Staat wolle grundlos einen harmlosen Spaß wegnehmen. Vor allem aber droht die Desillusionierung einen generellen Vertrauensverlust in die öffentlichen Instanzen zu verstärken. Der meistgelesene Satz in den Foren, den E-Mails und Spielerdiskussionen ist nach aller Wut und Reflektion denn auch dieser: »Aber das hört da draußen doch eh keiner.«

4 von 5

nächste Seite


zu den Kommentaren (65)

Kommentare(64)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.