Seite 2: »Wir wurden ständig gestört« - Essay zu »Die Akte Ascaron« von Franz Stradal

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»Der Arena-Modus wurde erzwungen«

Was uns umgebracht war ist zum Beispiel der Netzwerk-Modus für die Games Convention 2007. Der war nie geplant, und eine Netzwerkentwicklung zu erzwingen, wenn die Basisspielelemente noch in Arbeit sind, führt unweigerlich zu Chaos und Zeitverlust. Heiko tom Felde weist ja darauf hin, dass der Netzwerkmodus zu dem Zeitpunkt das einzige war, was vom Spiel fertig existierte. Klar! Als er 2006 in die Firma kam, hat er alles auf Stopp gesetzt und diesen getürkten Arena-Modus durchgesetzt. Technisch keine große Sache, da Sacred 2 komplett Server-Client-basiert ist, aber ein Riesen-Zeitaufwand; zumal nach Implementierung des Inhalts alles noch mal gemacht werden musste. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt lieber Spielinhalte erstellt als Werbung.

Sacred 1 hatte sich beachtlich gut verkauft. Sacred 1 hatte sich beachtlich gut verkauft.

Vergleichen wir den Werbeaufwand von Sacred 1 und die Verkäufe mit dem Werbeaufwand von Sacred 2 und dessen Verkäufen, muss man die Frage stellen, ob Werbung ein Spiel verkauft oder vielleicht doch der gute Inhalt.

Auch sehr bitter und zeitaufwändig war die Konsolenkonvertierung. Natürlich hat das dem PC-Team viel Zeit geraubt. Daniel Dumonts Team hatte vorher noch nie auf Konsole entwickelt und auf dem PC nur Erfahrung mit relativ kleinen Titeln ohne Netzwerk-Modus. Jeder Projektleiter, der glaubt, eine Konsolenversion kostet den PC-Primärtitel keine Zeit, hat den Titel Projektleiter nicht verdient. Letztlich ist es Kai Struve zu verdanken, dass die Konsolenversion überhaupt fertig wurde.

»Seelenlose Excel-Spiele«

Es soll Spiele geben, die werden von Designern in Excel entworfen und dann minutiös sklavisch umgesetzt. Einige wenige werden ganz gut, doch, Entschuldigung, die meisten nicht! Eine Vision muss stark genug sein, um auf Papier übertragen zu werden. Und dann muss sie immer noch stark genug sein, um vom Papier in Software übertragen zu werden. Letztlich muss sie stark genug sein, um vom Programm auf den Nutzer überzuspringen. Das ist wesentlich.

Port Royale Port Royale

Sacred 1 hat sicher mehr Dokumentation als Port Royal, Patrizier oder ähnliche, es ist allerdings auch viel komplexer. Dabei haben die Dokumente sogar dem Ascaron-Stil entsprochen, weil Michael Bhatty, der für Sacred eine wunderbare Welt erschaffen hat, und Hans Arno Wegener daran mitgearbeitet haben. Mir ist es wichtig, den Programmierern eine Vision rüber zu bringen, umsetzten muss und soll (!) er sie selber. Wie soll ein Programmierer zum Beispiel einer Kreatur Leben einhauchen, wenn er den Gedanken dahinter nicht versteht? Das stumpfe Umsetzten von Vorgaben führt, gerade in der Entertainment-Entwicklung, zu überwiegend schlechten und vor allem seelenlosen Ergebnissen.

»Wir haben Spaß programmiert«

Der richtige Weg, den uns auch Sacred 1 gezeigt hatte, (schließlich hatten wir hier bewiesen, dass das Team Spaß programmieren kann!) ist eine Mischung aus Extreme Programming und Prototyping. Und auch so etwas lässt sich ganz sicher zuverlässig planen, wenn man will und weiß, wie es geht. Ich denke, jeder kann sich vorstellen, wie stolz ich auf Sacred 1 und das Team dahinter bin; dabei gewesen zu sein bedeutet mir sehr viel.

Wie schon oben erwähnt, guckt auf die Ergebnisse! Auf die Insolvenz und die 80 Stellen, die dadurch verloren sind, brauche ich ja nicht noch extra hinweisen.

Franz Stradal

Zwei weitere Zuschriften von ehemaligen Ascaron-Mitarbeitern lesen Sie am Ende unseres Akte Ascaron-Reports.

» Report: Die Akte Ascaron - Geschichte einer schleichenden Katastrophe lesen

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