»Die Mädels sind stärker«
In der EPS weht ein rauer Wind, und mit Kilian »Derleo« Ricken bekommt auch ein männlicher Akteur sein Fett ab. Er ist kein Profispieler, sondern Club-Manager von N!faculty, musste kurzfristig einspringen und verbuchte während der Partie bislang nur drei Abschüsse bei vier Ableben. »Die Mädels sind stärker als er«, resümiert auch Co-Kommentator Naseri-Goki.
Am besten steht bei N!faculty Franz »Gore « Burghardt mit einer 8:0-Statistik da. »Das ist ein eiskalter Österreicher. Hat zu Hause ein kleines Kind, aber spielt wie’n Arsch«, scherzt der Moderator Lenski. Burghardt lebt in Wien und gilt als der große alte Mann der deutschsprachigen Counterstrike-Szene. »Mit 25 ist normalerweise Schluss, wegen der Reflexe«, erzählt der Liga-Sprecher Tobias Merklinghaus. Mister Gore liegt zwei Jahre über der Pensionierungsgrenze.
Was die Damen während der Auszeit tatsächlich besprochen haben? »Dass wir besser langsam spielen, defensiver, und mehr über außen gehen, nicht durch die Halle«, erläutert Petra Jäckel. Die Taktik bleibt zunächst ohne Erfolg, N!faculty macht das 9:0. Doch dann besteht die Chance auf einen Rundengewinn. Kommentator Lenski verfällt in einen ähnlichen Sprechrausch wie Herbert Zimmermann anlässlich des Fußball-WM-Finales 1954: »Lunatic gegen Gore ... da geht er down!«, brüllt der Sprecher und fährt im Telegrammstil fort: »Überzahlspiel drei gegen zwei. Chrizzo muss fallen ... und er fällt! Jetzt nur noch Bad mit 18 HP gegen drei Mädels. Und Lunatic mit dem Frag!« Es steht 9:1, und die Halle tobt, als hätten die Snogard Dragons das ganze Match gewonnen. Die Spielerinnen klatschen sich jubelnd ab.
Natürliche Auslese?
Warum Frauen allgemein weniger erfolgreich spielen als Männer, dafür hat hier niemand eine wirkliche Erklärung. »Keine Frau ist ingame vom movement so gut wie ein Mann«, erklärt Jennifer Löhr auf Counterstrikisch. »Die können einen total ausmoven. Ich weiß nicht, woran das liegt. Vom aiming her finde ich es gleich.« So richtig bei den Herren mithalten konnte bislang nur die erste Frau, die in der ESL Pro Series antrat, Julia »Cruncher« Numberger aus München. Mutmaßlich liegt es schlicht an der natürlichen Auslese: Es gibt eben nach wie vor sehr viel mehr Männer, die quasi spielend aufwachsen. Damit haben Frauen schwer zu kämpfen.
Dazu kommen Vorurteile, Neid und dumme Sprüche. Kritiker hatten in Foren zum Streik gegen das Team aufgerufen, es war die Rede von einem »reinen Marketing-Gag«. Die Frauen würden stärkeren männlichen Akteuren den Platz wegnehmen. Letztlich gipfelten die Diskussionen in Beleidigungen; dabei fielen harmlosere Begriffe wie »Tittenbonus« ebenso wie nicht druckreife Formulierungen. Natürlich sind die harten Männer, die so etwas in der Anonymität des Internets schreiben, im realen Leben zwölf, heißen Torben und werden morgens von Papa mit dem VW Golf zur Schule gefahren. Dennoch: Vereinzelt, so geben die Spielerinnen zu, zehrt das an den Nerven.
Hintergrund für das »epic fail«-Geschrei, wie Computerspieler neudeutsch für »Skandal « sagen: Das Quintett der Snogard Dragons hat sich nicht für die Königsklasse qualifiziert. Es ist vielmehr berufen worden. Die Führungsriege von Snogard verpflichtete die Frauen als Ersatz für die ursprüngliche Mannschaft. Mit der hatte man sich vertraglich nicht einigen können, sodass für die anstehende Spielzeit eine neue Besetzung her musste. Die Verantwortlichen entschieden sich für die fünf Spielerinnen, die als Clan »we.are« bereits Deutscher Meister bei den Damen waren. »Ich kann verstehen, dass Leute kritisieren, wie wir in die Liga gekommen sind. Man sollte aber sachlich bleiben«, meint die 21-jährige Christina »Angel« Hülzer aus Köln.
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