Zehn Jahre sind in der Spielewelt eine Ewigkeit. In dieser Zeit veröffentlicht EA zehn FIFAs, Activision fünf Call of Dutys und Blizzard 0,8 Diablos. Dass ein Mann die ganze Zeit über dem gleichen PC-Spiel treu bleibt, ist also eher ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist es, wenn der Mann diese zehn Jahre an einer einzigen Partie spielt. Und zwar in Civilization 2, dem globalen Rundenstrategie-Klassiker von 1996.
Im Jahr 2002 beginnt James Moore seine Partie. Er spielt die Kelten, zusammen mit computergesteuerten Amerikanern, Wikingern, Sioux, Griechen, Japanern. Seinen Spielstand kopiert er im Laufe der Jahre auf jeden neu angeschafften Computer, setzt sich immer mal wieder an Civilization 2, hier mal ein Zug, da mal ein Krieg.
Auf der Social-News-Plattform Reddit veröffentlicht James schließlich unter dem Spitznamen »Lycerius am« 12. Juni 2012 ein Posting über den aktuellen Stand seiner zehnjährigen Partie – die ein Medienecho hervorruft, wie wir es bislang allenfalls von Blockbustern wie GTA 4kannten.
1700 Jahre Krieg
Denn mittlerweile ist James im Jahr 3991 angekommen und unser Planet am Ende. Nur drei Nationen existieren noch: Neben James‘ Kelten ringen noch Amerikaner und Wikinger um die Vorherrschaft, seit 1700 Jahren herrscht Krieg zwischen den drei Mächten, die sich alle anderen Völker nach und nach einverleibt haben.
Nur die Sioux dümpeln auf einer winzigen Insel vor sich hin und versuchen mit einem armen Ingenieur, eine Straße durch den Wald zu ziehen. Durch Nuklearschläge verursachte Umweltverschmutzung hat die Polkappen schon 20 Mal abschmelzen lassen, ja, das geht in der Spiellogik von Civilization 2. Und es lässt die Spielwelt schrumpfen, Küsten werden überflutet, Städte weggespült.
Gleichzeitig hat die globale Erwärmung jedes halbwegs fruchtbare Stückchen Land in einen Dschungel oder eine Einöde verwandelt, zusätzlich verseucht von Atomkriegen. Landwirtschaft gehört der Vergangenheit an, Millionen verhungern, viele Städte verschwinden ganz von der Landkarte oder verkommen zu kleinen Nestern.
Ingenieure, die verseuchte Landstriche säubern und der Zivilisation wieder auf die Beine helfen könnten, werden kaum ausgebildet. Denn die wenige verbleibende Industrie ist nur auf eines ausgerichtet: Krieg.
Big Brother meets Fallout
Zwischen den drei verbleibenden Weltmächten herrscht nicht nur Dauerkrieg, sondern auch eine Pattsituation. Alle Drei sind dermaßen hochgerüstet, dass selbst der »Verlust von 20 Panzern nichts ausmacht, denn es strömen ständig neue an die Front«, so James. An den Fronten stoßen riesige Heere aufeinander, Frontnester wechseln alle paar Runden den Besitzer.
Auf die seltenen Waffenstillstands- oder gar Friedensverträge antworten die KI-Gegner schon in der nächsten Runde mit einem erneuten Erstschlag, meist regnet es Nuklearraketen. Allerdings fast ausschließlich auf Einheitengruppen außerhalb der Städte, denn Letztere sind durch die SDI-Raketenabwehr geschützt.
Die wiederrum lässt sich mit Spionen umgehen, die Atombomben in die Metropolen schmuggeln. Auch das passiert ständig und mündet normalerweise in einer Kriegserklärung aller Nationen -- aber hey, es bekriegen sich ja sowieso schon alle! Kurzum: James‘ Civilization-Welt ist eine höllische Mischung aus Big Brother und Fallout, die grauenhafte Zukunftsvision einer Welt, die nicht mehr am Abgrund steht, sondern längst drin liegt.
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