Seite 2: Videospiele als Brettspiel-Vorlage - Bretter, die den Spaß bedeuten

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Amerika trifft Deutschland

Dass aber gerade die Siedler von Catan als der Prototyp für die vergleichsweise biederen »German Games« herhalten musste, hat eine gewisse Ironie. Teuber war vor allem das Szenario der Inselsiedler wichtig.

Klaus Teubers Die Siedler von Catan wird von vielen Kritikern als Startpunkt des kreativen Höhenflugs aktueller Brettspiele gesehen. Klaus Teubers Die Siedler von Catan wird von vielen Kritikern als Startpunkt des kreativen Höhenflugs aktueller Brettspiele gesehen.

Egal ob Siedler zu Recht als erstes »German Game« gehandelt wurde oder nicht: Es ebnete den Weg für sogenannte Autorenspiele: Clevere Designprodukte von namhaften Spielemachern. Aufbauspiele im Stil der Siedler hatten Hochkonjunktur, und seit den Siedlern sind Spiele wie die Hofsimulation Agricola oder das Handelsspiel Puerto Rico enorm erfolgreich. Nur ein neues Siedler, ein neues Ausnahmespiel, das neue Spieler lehrt, Karton und Holzfiguren zu lieben -- das gab es in diesem Ausmaß nicht mehr. War Siedler der kreative Zenit der Brettspiele? Keineswegs! Der nächste Schritt fand nämlich in den Köpfen der Spielemacher statt.

»Brettspiele sind zurück! Sie haben eine fantastische Energie, die Designs sind umwerfend und wir wollen diese Welle reiten wie eine Bande unterernährter Surfer!«, sagt Quintin Smith, britischer Spielejournalist und einer der schwer begeisterungsfähigen Macher der charmanten Online-Brettspielshow »Shut Up & Sit Down«. »Brettspiele sind heute lebendiger als jemals in der Menschheitsgeschichte, weil sich die unterschiedlichen Nationalitäten vermischt haben. Vor zehn Jahren haben Designer aus den USA und England, die sich größtenteils auf das Erzählen von Geschichten und auf Simulationen konzentriert haben, deutsche Spiele entdeckt, die sich auf Design spezialisiert haben. Und jetzt haben wir Spielemacher, die wissen, dass man beides miteinander verknüpfen kann. Intelligente Spiele, die gleichzeitig großartige Geschichten erzählen.«

Mechanik trifft Geschichte

Die Mischung zweiter unterschiedlicher Brettspielkulturen hat das Medium auf eine neue Ebene gehievt. Offensichtlich wird das in Spielen wie der so wunderschönen wie brillanten Neuauflage der Klassikers Descent: Journeys in the Dark Second Edition vom US-Verlag Fantasy Flight, in Deutschland veröffentlicht vom Heidelberger Spieleverlag.

Auf seinen Postbotenrunden hat Bernd Eisenstein viel Zeit, sich viele Gedanken um komplexe Strategiespiele zu machen. Auf seinen Postbotenrunden hat Bernd Eisenstein viel Zeit, sich viele Gedanken um komplexe Strategiespiele zu machen.

Die erste Edition des Spiels erschien 2005 und war vor allem ein unterhaltsames Dungeon-Abenteuer, bei dem sich eine Heldenbande mit ein bisschen Taktik und sehr viel Glück durch Horden von Monstern würfelte, die von einem Mitspieler gesteuert werden. Mit den Erweiterung lässt sich Descent als epische Kampagne spielen, was allerdings nichts am Kern des Spiels ändert: Monster totwürfeln.

Die neue Edition hingegen hat damit sehr wenig zu tun. Descent Second Edition ist auf der einen Seite natürlich wieder eine witzige Dungeon-Hatz, eigentlich aber ein Spiel über eine Fantasy-Spezialeinheit, über eine Ghost Recon-Truppe mit Schwert, Bogen und Feuerball. Statt sich nur durch Verliese zu kämpfen, müssen die Spieler hier in Bergpässen, Dörfern und Burgen komplexe Missionsziele in zweistufigen Quests erfüllen. In einem frühen Szenario gilt es etwa zu verhindern, dass der Monsterspieler mit einer fiesen Goblin-Bande Getreide aus einem Dorf klaut. Je nachdem, wie sich die bis zu vier Helden geschlagen haben, wird der Goblin-Anführer stärker, den man in der zweiten Phase beim Verhören eines Dorfbewohners stoppen muss. Worauf es dabei ankommt, ist das Zusammenspiel der Helden. Es geht um schnelle Vorstöße und das Verteidigen von Engpässen. Es ist ein Spiel, das von der Spannung lebt, wenn Helden und Monstermeister mit ihren jeweils ganz eigenen Fähigkeiten unterschiedliche Ziele verfolgen. Das altmodische Ameritrash-Dungeon-Äußere von Descent birgt einen Kern aus geschliffener deutscher Mechanik.

Battlestar Galactica Auch zu Fernsehserien wie Battlestar Galactica ...

Game of Thrones ... und Game of Thrones ...

Beowulf ... sowie zu Filmen wie Beowulf gibt‘s Brettspiele. Die sind aber meist keine Neuerfindungen, sondern umbenannte Versionen bereits bekannter Spiele.

Faszination Brettspiel

Aber nicht nur elegante, ineinander greifende Spielmechaniken gehören zur neuen Brettspielwelle. »Die besten Brettspiele sind die, die Spieler neue Dinge tun lassen. Dinge, die du in keinem anderen Spiel machst, nicht in Videospielen und nicht im Sport«, wirft Paul Dean ein, Smiths Partner bei Shut Up & Sit Down.

Die Spielejournalisten Quintin Smith und Paul Dean ... Die Spielejournalisten Quintin Smith und Paul Dean ...

»Brettspiele zwingen uns zum Bluffen, lass uns mit ungleichen Kräften gegeneinander antreten, zwingen uns zur verzweifelten Improvisation. Brettspiele verhalten sich zu öden Familienspielen wie Videospiele zu Minesweeper und Solitaire.«

Das neue City of Horror von Nicolas Normandon, erschienen beim Verlag Asmodee, macht Spieler zu Überlebenden der Zombie-Apokalypse und lässt sie sich gegenseitig durch Intrigen und Ränkespiele bekämpfen, lange bevor die Zombies überhaupt an ihre wohlverdienten Gehirne kommen. »Es gibt kein emotionaleres Verhandlungsspiel derzeit«, sagt auch Guido Heinecke von Tric Trac und für Quintin Smith ist es eine »erschreckende Darstellung des Menschen im Zombie-Horror.«

... machen mit Shut Up & Sit Down eine der unterhaltsamsten Brettspielseiten im Netz. ... machen mit Shut Up & Sit Down eine der unterhaltsamsten Brettspielseiten im Netz.

Im weitaus minimalistischeren The Resistance von Don Eskridge, das nur aus einer Handvoll Karten und einem Spielstein besteht, sind die Spieler Teil einer Widerstandsbewegung gegen ein totalitäres Regime. Jede Runde wird ein neuer Anführer bestimmt, der ein Team aus Spielern auf geheime Missionen schickt. Allerdings gibt es im Team auch Doppelagenten der Regierung, die eine Mission scheitern lassen können.

Das Spiel besteht komplett daraus, über Gespräche, Ausschlussverfahren, wilde Anschuldigungen und paranoide Seitenblicke zu versuchen, die Doppelagenten zu entlarven. Das Spielprinzip ist dabei gar nicht so neu. Schon sieben Jahre vor der Veröffentlichung von The Resistance gab es beim Verlag Asmodee das ähnliche Die Werwölfe von Düsterwald, in dem Werwölfe nachts Dorfbewohner morden. The Resistance glänzt allerdings mit einem stärkeren Szenario und einem weitaus eleganter gegliederten Spielfluss, der Spieler ein ganzes Spiel über unterhält.

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