Seite 3: Der Free2Play-Boom - Der Gratis-Krieg

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Hübsch und kostenlos

Doch die Konkurrenz schläft nicht, andere spannende Sachen sind längst da. Etwa Tribes: Ascend, ein gutaussehender Gratis-Shooter, in dem zwei Teams aus Raketenrucksack-Kriegern in irrer Geschwindigkeit durch Hügellandschaften rasen, schlittern und hüpfen. »Gratis sein reicht nicht mehr«, sagt Todd Harris, der Chief Operating Officer des Tribes-Entwicklers Hi-Rez, über die aktuelle Lage.

In Tribes: Ascend schlagen die Spieler rasante Multiplayer-Schlachten. In Tribes: Ascend schlagen die Spieler rasante Multiplayer-Schlachten.

Als eines der ersten Free2Play-Spiele der nächsten Generation kombiniert Tribes das Gratis-Geschäftsmodell mit der hochwertigen Optik und den ausgeklügelten Spielmechaniken von Vollpreistiteln. Tribes ist eben keine heruntergedummte Casual-Ballerei, sondern ein knallharter Multiplayer-Shooter, der Anfänger gnadenlos überfordert und Erfolge erst nach stundenlanger Übung erlaubt.

Dieser Anspruch spiegelt sich im Design der Bezahlinhalte wieder: »Wir haben gleich am Anfang entschieden, dass wir keine exklusiven Spielinhalte - Waffen, Karten - verkaufen wollen«, erzählt Harris. »Bei uns bezahlt man nur für kosmetische Gegenstände, und um Items schneller freizuschalten.« Zusätzlich, so betont Harris, seien neue Waffen immer nur »Sidegrades«, also keine überlegenen Superknarren, sondern alternative Schießprügel, die Vor- und Nachteile haben und nicht unbedingt besser oder schlechter ausfallen als die 08/15-Ausrüstung.

Das Standard-Präzisionsgewehr etwa muss erst aufgeladen werden, bevor es vollen Schaden anrichtet. Fortgeschrittene Waffen haben diesen Nachteil nicht, saugen dafür aber mit jedem Schuss Energie aus dem Jetpack des Scharfschützen und erschweren so Stellungswechsel.

Ein ähnliches Modell verfolgt auch Sony Online, das Ende des letzten Jahres den Online-Shooter Planetside 2 aus der Taufe gehoben hat. Wohlgemerkt aus einer überaus schicken Taufe, die Online-Massenschlachten sehen klasse aus. Bis zu 2.000 Spieler kämpfen auf drei Kontinenten um die Planetside-Oberhand. »Gibt es einen besseren Weg, so viele Spieler auf die Server zu locken, als das Spiel umsonst zu machen?«, fragt Matthew Higby, der Creative Director des Spiels.

PlanetSide 2 - Screenshots ansehen

Bezahlt wird in Planetside 2 für neue Waffen und Fähigkeiten. Auch hier war es den Machern wichtig, die neuen Schießprügel nicht übermächtig zu gestalten. »Die freigeschalteten Gegenstände machen dich nur in gewissen Situationen besser«, sagt Higby. »Das beste Langstrecken-Sturmgewehr wird dich in engen Räumen benachteiligen, wenn du gegen jemanden mit Standardwaffen kämpfst.«

Vom Konkurrenzdruck profitieren die Spieler - oder?

Dass die Balance ähnlich sorgsam gehütet werden muss wie ein Atomwaffen-Startcode, gehört bei Multiplayer-Shootern zum guten Ton. In Tribes wurde der übermächtige Jackal-Granatenwerfer abgeschwächt, nachdem sich Spieler beschwerten.

Tom Putzki, Leiter von Wargaming Deutschland für World of Tanks. Tom Putzki, Leiter von Wargaming Deutschland für World of Tanks.

Auch in World of Tanks soll Balance bei Premium-Inhalten besonders wichtig sein. »Wir hatten mal einen chinesischen Panzer, den Typ 959, im Premium-Shop«, erzählt Tom Putzki. Er hat einst den Gothic-Entwickler Piranha Bytes mitbegründet, heute leitet er das deutsche Büro des weißrussischen World of Tanks-Entwicklers Wargaming.net.

Um die 20 Euro kostete der chinesische Superpanzer. »Der war schnell, extrem gut gepanzert und hatte eine überaus durchschlagskräftige und akkurate Kanone. Den haben sehr viele Spieler gekauft. Wargaming hat damit sehr viel Geld verdient. Aber wir haben gemerkt: Zu viele Typ 959 und das Balancing stimmt nicht. Wir haben den rausgenommen aus dem Premium-Shop. Wir haben auf das Geld verzichtet. Zugunsten des Balancing.« Und natürlich auch zugunsten zukünftiger Profite. Denn geht einmal die Spielbalance flöten, dann gehen auch die Spieler.

Auf dem PC soll der Free2Play-Konkurrenzdruck so vor allem zu steigender Qualität führen, sowohl technisch als auch inhaltlich. Hoch und heilig geloben die Macher, die Zeiten der Abzocke seien vorbei, und die nächste Generation der Free2Play-Spiele fuße auf vier goldenen Geboten:

Balance ist eine geschäftliche Notwendigkeit. Wer beim Austarieren der Waffen und Gegenstände schlampt, hat schon verloren. Und wer sich erst mal dem Vorwurf des »Pay2Win«, also der unfairen Vorteile für Bezahlspieler, ausgesetzt sieht, braucht lange, um sein Image wieder aufzupolieren. Wenn's denn überhaupt klappt.

World of Tanks - Screenshots ansehen

Alle Spieler bekommen dieselben Karten und Modi. Niemand darf das Gefühl haben, ein Teil des Spiels bleibe ihm verschlossen, wenn er kein Geld bezahlt. Denn Spieler, die sich derart an den Rand gedrängt fühlen, wechseln zur Konkurrenz.

Alle wichtigen Bezahlinhalte müssen sich auch kostenlos freischalten lassen. Wer elementare Bestandteile des Spiels partout nicht kostenlos bekommen kann, aber auch gerade kein Geld ausgeben möchte, wird frustriert. Und ein frustrierter Kunde ist ein Kunde weniger.

Free2Play ist keine Billigware und darf auch nicht so aussehen. Ansprechende Grafik und eine durchdachte Spielmechanik werden immer wichtiger. Wer nur graue Tabellen und halbgare Upgrade-Systeme vorgesetzt bekommt, sehnt sich früher oder später nach etwas Hübscherem oder Anspruchsvollerem.

Pay2Win ist verpönt

Geradezu gebetsmühlenartig betonen die Hersteller diese Grundregeln, in jedem Interview zu einem Free2Play-Titel fällt irgendwann der echauffierte Satz: »Pay2Win? Natürlich ohne uns!« Wenn man den Worten ihrer Macher Glauben schenken will, dann klingt die schöne, neue Gratis-Welt nach dem Besten, was Spielern hätte passieren können. Und die Zahlen scheinen das zu belegen.

Ungefähr zehn Prozent aller tatsächlich aktiven Spieler von kostenlosen Multiplayer-Titeln bezahlen für Inhalte im Spiel. Bei besonders erfolgreichen Spielen wie World of Tanks soll sogar ein Viertel aller Panzerfahrer schon einmal in den Geldbeutel gegriffen haben. Und die Spieler zahlen auch nicht wenig. Laut Harris geben Spieler in Tribes: Ascend durchschnittlich den Kaufpreis eines Vollpreisspiels aus. Wie man die Spieler dazu bringt, dieses Geld auszugeben, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Willkommen auf der Schattenseite des Free2Play.

»Die wollen damit Geld verdienen!« Tim Rogers sagt es, wie es ist. Der Indie-Designer, Mathematiker und Autor hat 2011 einen der wichtigsten Texte über Gratisspiele geschrieben.In »Who Killed Videogames: A Ghost Story« beschreibt Rogers seinen Job als Berater für Casual-Games-Publisher. Mit Zahlenspielereien und Versprechen von kostenlosem Spaß war er dafür verantwortlich, dass Spieler mehr Geld im Spiel lassen als sie für ein klassisches Vollpreisspiel bezahlen würden.

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