Seite 2: Projekt Exodus - Live-Rollenspiel zu Battlestar Galactica

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Schiffs-Sandkasten

Das eigentliche LARP konzipierten die Organisatoren größtenteils als leicht gesteuertes Sandbox-Spiel, vergleichbar mit einem GTA, nur eben im Raumschiff. Die Rahmenhandlung war grob vorgegeben und die Spielleitung konnte (falls nötig) immer wieder lenkend eingreifen. Die spannenden Geschichten, die sich an Bord abspielten, stammten jedoch aus dem Zusammenspiel der Teilnehmer. Jeder Spieler bekam im Vorfeld ein Charakterblatt mit einer Vorgeschichte und zwei möglichen Spielweisen. Dazu gab es eine Liste mit dem Charakter bekannten Personen und die dahinterstehenden Verbindungen.

Aufgrund dieser Hintergründe konnten die Teilnehmer auf andere Spieler reagieren und ein flexibles und spannendes Spiel gestalten. So war ein Crewmitglied der Hesperios ein Informant des Militärs, die Assistentin der geretteten Politikerin erwies sich als Freiheitskämpferin mit zweifelhaften Kontakten und der Schiffsarzt mit dem vertrauenserweckenden Spitznamen »T-Bone« versteckte sich an Bord vor Strafverfolgung, nachdem ihm einige Schönheitsoperationen misslungen waren.

Und dann war da auch noch der (von den Organisatoren angenehm mystisch brabbelnd verkörperte) Zylonen-Hybrid in einem geheimen Lagerraum, der immer mehr der Bordsysteme übernahm und für ungünstigte technische Fehler sorgte. Ein ungeplanter FTL-Sprung, ausgelöst vom Hybriden, grillte beispielsweise beinahe einen Techniker im Reaktorraum . Mehr Geschichten von Bord gibt es in der Bildergalerie weiter unten.

Man sieht der Mölders nicht unbedingt an, was für Szenen sich einige Tage lang in ihr zugetragen haben. (Foto: Dennis Lange) Man sieht der Mölders nicht unbedingt an, was für Szenen sich einige Tage lang in ihr zugetragen haben. (Foto: Dennis Lange)

Raumschiffsimulator 2.0

Die Crew der Hesperios steht unter Aufsicht des Militärs. (Foto: Norman Liebold) Die Crew der Hesperios steht unter Aufsicht des Militärs. (Foto: Norman Liebold)

Alles in allem sorgte die gewaltige Immersion des aufwändig umdekorierten Zerstörers sehr schnell für eine intensive Verbindung der Spieler zum gespielten Charakter. Während es bei Rollenspielen auf dem PC, der Konsole oder im klassischen Pen&Paper-Genre in der Regel schwerer fällt, sich wirklich in die Spielfigur hineinzudenken und vor allem zu fühlen, waren die Exodus-Spieler deutlich näher am Geschehen.

Sie zitterten auf dem im Februar doch recht kühlen Schiff, warfen sich auf den Boden, wenn jemand eine Waffe zog und litten in vielen Situationen, als seien sie tatsächlich real betroffen. Als beispielsweise per Bordfunk die Nachricht von einer großen Gruppe freundlicher Raumschiffe auf dem DRADIS (dem Schiffsradar) durchgegeben wurde, waren die Freudentränen einiger Spieler nicht gestellt, sondern echt. Als sich diese Schiffe dann als von den Zylonen zerstört zurückgelassene Wracks herausstellten, war die gefühlte Verzweiflung ebenso real.

Tatsächlich waren die Computersysteme an Bord vollständig im Sinne eines Raumschiffsimulators nutzbar. Das DRADIS zeigte Planeten, freundliche und feindliche Raumschiffe und unbekannte Objekte an, das Schiff ließ sich (virtuell) drehen und beschleunigen, Sprünge mit dem FTL-Antrieb konnten berechnet werden. Die Techniker im Reaktorraum leiteten die immer zu knappe Energie auf verschiedene Systeme, was unter Umständen zwar den FTL-Antrieb schneller laden ließ, dafür aber die Langstreckensensoren lahmlegte. Kommuniziert wurde über die vom Team installierten Bordlautsprecher, die per Teamspeak angesprochen wurden (die ursprüngliche Schiffsanlage ist nicht mehr in Betrieb). Über Textkonsolen ließ sich zudem Eingriff in die tiefer gelegenen Bordsysteme nehmen.

Dank der LSP-Software (LARP Space Program) konnten die Spieler nicht nur das Schiff steuern sondern auch Reaktorenergie umleiten. (Foto: Norman Liebold) Dank der LSP-Software (LARP Space Program) konnten die Spieler nicht nur das Schiff steuern sondern auch Reaktorenergie umleiten. (Foto: Norman Liebold)

Die Bordsysteme bestanden größtenteils aus von den Organisatoren selbst zusammengestellten Computern auf Basis von AMDs sparsamen AM1-APUs (Jaguar-Rechenkerne, wie sie auch in PS4 und Xbox One arbeiten) und wurden von einer aufwändig entwickelten Software namens LSP (Larp Space Program) gesteuert. Um auf dem Schiff überhaupt ein vernetztes Computersystem nutzen zu können, musste die Mölders jedoch zuvor erst mit vielen hundert Metern Netzwerkkabeln ausgestattet werden. Sogar eine LAN-Verbindung zwischen der Mölders und dem U-Boot des Marinemuseums Wilhelmshaven wurde hergestellt.

Hilfreich war hier der Standort Wilhelmshaven, da der Projektpartner Mindfactory in greifbarer Nähe sein Stammgeschäft hat. Die flexible Lichtsteuerung geschah mittels LED-Lichtschläuchen und einer Hardware namens Blinkstick, mit der sich der Controller des Lichtschlauches per USB am PC flexibel ansteuern lässt. Weitere Hintergründe zur Vorbereitung und zur Technik des Spieles finden sich bei Gamertec.

Dramatisches Finale

Zum Ende des Spieles wurde es dann noch einmal sehr dramatisch: Es kam zu Aufständen und Schießereien, die Nahrung wurde knapp und die Energie reichte nur noch für wenige Sprünge. Zahlreiche Lecks in der Außenhülle waren nur notdürftig geflickt. Dann der rettende Funkspruch, es meldete sich der Kampfstern Pegasus. Die Überlebenden fielen sich in die Arme - bis dann bekannt wurde, dass nur Militärs und Politiker evakuiert würden. Dazu sollte sogar der FTL-Antrieb demontiert werden - das Todesurteil für die Zivilisten an Bord! Im Anschluss kam es zum Tumult und einer Schießerei auf der Brücke (ein filmreifer Showdown), der der Serie mehr als gerecht wurde.

So schreibt Fabian Geuß, Spieler bei Projekt Exodus und Veranstaltungsleiter des in der LARP-Szene sehr bekannten Liverollenspiels ConQuest of Mythodea in einem Artikel: »Dieses Finale war an Fatalismus und Hoffnungslosigkeit nicht mehr zu übertreffen und setzte einen würdigen Schlusspunkt ans Ende einer Verkettung von dystopisch-zwanghaften Entscheidungen.«

Das Spiel endete mit einem furiosen Showdown auf der Brücke - hier staunt die Spielleitung gerade über die filmreifen Szenen auf den Überwachungskameras. (Foto: Norman Liebold) Das Spiel endete mit einem furiosen Showdown auf der Brücke - hier staunt die Spielleitung gerade über die filmreifen Szenen auf den Überwachungskameras. (Foto: Norman Liebold)

Projekt Exodus endete für die Spieler an dieser Stelle. Im Anschluss folgte aber noch eine Reflexion über die Erlebnisse - und natürlich eine Abschlussfeier für Spieler und Veranstalter. Eines dürfte Exodus sehr eindeutig bewiesen haben: Politische Bildung kann und soll auch Spaß machen. Und obwohl es nur ein Spiel war, haben die Teilnehmer beeindruckende Erfahrungen sammeln können, konnten erproben wie sie sich in Ausnahmesituationen verhalten würden. Es war also weit mehr als nur ein sehr teurer und sehr hübscher Raumschiffsimulator - auch wenn sich ein Star Citizen als LARP sicherlich auch gut machen würde. Chris, ruf doch mal bei den Veranstaltern an!

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