Detektivarbeit
Robert Przybylski, der oberste Business Developer von GOG, könnte genauso gut »Detektiv« auf seine Visitenkarte schreiben. Er recherchiert nämlich mit seinem Team, an welche Türen sie überhaupt klopfen müssen. Denn oft ist völlig unklar, wer genau eigentlich welche Rechte an welchem Spiel hält. Oder an Teilen davon. Oder nur an der Musik. Oder am Markennamen.
Zwei prominente Beispiele: Beim ersten Wasteland (1988) hat heute InXile die Rechte am Programmcode (InXile wurde 2002 von Brian Fargo mitgegründet, der Wasteland für Interplay entworfen hat), während die Wasteland-Markenrechte hingegen bei EA liegen. Gut, das geht ja noch, schließlich haben InXile und EA bei Wasteland 2 zusammengearbeitet.
Viel dschungelöser war es bei System Shock 2, denn hier hatten die Markenrechte eine Odyssee hinter sich. Die Kurzfassung: EA hatte das Trademark an der Serie, der Entwickler Looking Glass hingegen die Namensrechte. Für einen Nachfolger braucht man beide, das hatte Looking Glass bereits beim ersten System Shock so eingefädelt, um die weitere Zusammenarbeit mit EA zu sichern und zugleich zu verhindern, dass der Publisher die Marke eigenständig fortführt.
Doch dann machte das Studio 2000 dicht, also ein Jahr nach System Shock 2. Das Copyright an der Serie geht an die Star Insurance Company - eine Versicherungsgesellschaft. 2007 lässt EA die Markenrechte auslaufen, und niemand glaubt mehr an ein System Shock 3. Oder wenigstens daran, dass System Shock 2 neu veröffentlicht wird.
Doch 2013 kriegt GOG das Lizenzgewirr endlich auseinanderklamüsert, System Shock 2 erscheint neu aufgelegt und mit deutscher Sprachausgabe - 14 Jahre nach seinem ursprünglichen Verkaufsstart. Aber auch bei weniger prominenten klassischen Titeln und kleinen Publisher-Entwickler-Kombinationen liegt die Lizenzsituation völlig im Dunkeln - schließlich hat vor 20 Jahren niemand damit gerechnet, dass es mal Spiele-Downloads geben würde: Unser Spiel ist doch soooo groß, dass braucht ganze DREI Disketten!
Die Zukunft: Alles kann, nichts muss
In der Zukunft hingegen werden Spiele-Downloads immer selbstverständlicher - entsprechende Expansionspläne hegt GOG. So setzen die Warschauer vermehrt auf den Vertrieb auch aktueller Spiele, allen voran The Witcher 3, das ja praktischerweise vom Firmenfamilienmitglied CD Projekt Red stammt. Auch immer mehr Indie-Entwickler entdecken GOG als Vertriebsalternative, etwa für das Oldschool-Rollenspiel Legend of Grimrock 2 oder das Mittelalter-Aufbauspiel Banished.
Klassische Publisher wie EA, Ubisoft & Co. bieten auf GOG zwar gerne alte Spiele an, weil es für sie oft der einfachste Weg ist, mit den Klassikern überhaupt noch Geld zu machen - schließlich muss man die ja erst mal technisch modernisieren -, scheuen aber davor zurück, auf der Plattform auch aktuelle Titel zu veröffentlichen.
Die Kopierschutzfreiheit schürt nun mal Ängste, nicht nur vor Raubkopien, sondern vor allem vor dem Gebrauchthandel, der vielen Herstellern seit jeher ein Dorn im Auge ist. Da bevorzugt man dann doch die Konten- und Kundenbindung an Steam oder eigene Plattformen à la Origin und Uplay. Entsprechend schwierig wird es für GOG, mehr aktuelle Spiele auf die Plattform zu holen - ein erfolgreiches The Witcher 3 wäre allerdings ein guter Grundstein.
Außerdem wollen die Warschauer ihren Dienst weiter aufbauen, und zwar mit »GOG Galaxy«. Dahinter verbirgt sich ein Online-Client à la Steam, der Shop, Multiplayer-Partien, Freundeslisten, Leaderboards, Achievement-Protzerei und so weiter miteinander verknüpft. Und wer den Social-Media-Schnickschnack nicht braucht, bekommt per Client auch automatische Updates seiner gekauften Spiele. Etwa dann, wenn mal wieder ein deutscher Fanboy 50 Handbücher an Judas gemailt hat.
Diese Community-Elemente sollen natürlich auch Kunden binden und zu weiteren GOG-Käufen ermuntern - aber eben freiwillig, ohne Always-On oder Installationszwang. Wer Spiele einfach wie bisher über die GOG-Website herunterladen und kopierschutzfrei auf dem eigenen Rechner speichern möchte, kann das weiterhin tun.
Per »Cross-Play Multiplayer« sollen GOG-Spieler irgendwann auch mit Nutzern anderer Clients spielen können - zum Beispiel mit, genau, Steam. Die Polen wollen GOG also mittelfristig zu einer Art »freiheitlichen« Steam-Alternative ausbauen, frei nach dem Motto »Alles kann, nichts muss« - ein spannendes Projekt und ein Fingerzeig in eine Spielezukunft, in der Online-Zwänge und restriktiver Kopierschutz eben doch kein Muss ist. Wie früher eben.
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