»Mach es zu deinem Projekt!«, rufen mir die Helden des Heimwerkens entgegen. Von Plakaten, aus dem Fernsehen, aus der Zeitung schauen sie dreckverschmutzt zu mir herauf (oder auf mich herab). Durch ihre Adern fließt Motivation, sie schwitzen Ambitionen, niemals würden sie auf die Idee kommen, ihr Projekt nicht abzuschließen.
Als Spieler möchten wir gerne davon ausgehen, dass Entwickler genauso ums perfekte Endergebnis kämpfen wie die strammen Damen und Herren aus der Baumarkt-Reklame. Doch das erscheint utopisch. Day-One-Patches sind nur der Anfang, oft wird monatelang an Ecken und Kanten herumgefeilt, die es schon zu Release nicht hätte geben dürfen.
Verständlich, dass manche Spieler erst Monate nach der Veröffentlichung zuschlagen, um sich solchen Ärger zu ersparen. The Magic Circle legt hier spielerisch den Finger in diese Wunde - und gleich noch eine Schippe drauf, indem es mich selbst zum Retter macht, der ein kaputtes Spiel in die richtige Richtung lenken kann. Oder zumindest will.
Der Autor
Maximilian Schulz (27) studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Berlin. Der Wille, ein wenig Programmieren zu lernen ist bei ihm grundsätzlich schon vorhanden, leider reicht die Zeit nicht immer. Wie schön, wenn sich das Gefühl, am Spiel etwas verändern zu können, dann wenigstens beim Spielen einstellt. Wie unschön allerdings, wenn diese Veränderungen am Ende doch nur extrem rudimentär sind. Zum Glück hat Max sehr viel für innovative Story-Ideen übrig, das wirkt definitiv ausgleichend.
Das Dauerdebakel
The Magic Circle erzählt die fiktive Geschichte seiner eigenen Entwicklung. Über zehn Jahre arbeiten die Entwickler schon am Spiel und sind doch Lichtjahre davon entfernt, es fertig zu stellen. Als Berliner, der hin und wieder Flugreisen unternimmt, kenne ich dieses Phänomen. Unendliche Testschleifen decken immer neue Bugs auf und enthüllen klaffende Storylöcher, der Chef Entwickler Ishmael Gilder (Ish) ist zu allem Überfluss mit überbordender Exzentrik gesegnet, völlig vergeistigt und dadurch ähnlich projektfähig wie die Fahrplanautoren der Deutschen Bahn nach Wintereinbruch.
Ish ist also das genaue Gegenteil des anfangs skizzierten Baumarkthelden. Als avantgardistischer Designkünstler hat er die Grenze zum selbstzerstörerischen Handeln schon lange überschritten, und das passt auch: »Avantgarde-Bewegungen verstanden sich seit jeher als subversive Bewegungen, die auf unorthodoxe Weise ihre eigenen kulturellen Wertsysteme leben und gegenüber der herrschenden Kultur als Gegenmodell propagieren wollten«, schreibt der Kulturwissenschaftler Thomas Düllo.
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