Seite 3: Die Ultima-Historie - Teil 1 - Rule Britannia

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Ultima 5: Weitgehend ignoriert

Ultima 5: Warriors of Destiny - Erscheinungsjahr: 1988 - Publisher: Origin - Designer: Richard Garriott - Beilagen: 54 Seiten Hintergrundbuch, Logbuch über Lord Britishs Expedition, Kodexmünze, Stoffkarte, Referenzkarte Ultima 5: Warriors of Destiny - Erscheinungsjahr: 1988 - Publisher: Origin - Designer: Richard Garriott - Beilagen: 54 Seiten Hintergrundbuch, Logbuch über Lord Britishs Expedition, Kodexmünze, Stoffkarte, Referenzkarte

Es ist schwer, einen Meilenstein wie Ultima 4 zu übertreffen, und Ultima 5 hat das unverschuldete Problem, genau zwischen dem bedeutendsten und dem technisch eindrucksvollsten Ultima zu erscheinen. Unter solchen Voraussetzungen ist es zwar verständlich, dass Ultima 5:Warriors of Destiny heute weitgehend ignoriert wird, verdient allerdings ist dieses Schicksal nicht, denn Garriott erzählt die im Vorgänger begonnene Geschichte zu ihrem notwendigen Ende: der Tyrannei im Namen der Moral.

Nachdem Lord British auf rätselhafte Weise verschwunden ist (später stellt sich heraus, dass er in der Unterwelt gefangen gehalten wird), übernimmt Lord Blackthorn die Amtsgeschäfte - und korrumpiert das Wertesystem durch kaltherzigen Dogmatismus: Wer etwa lügt, wird gehängt. War Ultima 4 ein Statement über die Relevanz von moralischen Werten, dann ist Ultima 5 eine Warnung vor dem religiösen Fundamentalismus.

»Wenn ich immer gesagt habe, dass Ultima 4 mein Lieblings-Ultima ist, dann liegt das daran, dass es einen so zentralen Punkt in meiner kreativen Arbeit darstellt«, sagt Richard Garriott. »Aber ehrlich gesagt mag ich die Geschichte von Ultima 5 lieber. Wenn du bei Ultima 4 einmal den Bogen raus hattest, also wusstest, dass du dich immer brav verhalten musst, dann war das ganze Spiel nicht mehr besonders geheimnisvoll. Der Geschichte fehlte die Raffinesse - das war sozusagen rohe Gewalt. Ultima 5 bildet die Realität von Gut und Böse viel glaubhafter ab, es gibt Figuren, die vorgeben, dir zu helfen, aber in Wahrheit bestehlen sie dich oder verraten dich an die bösen Jungs.«

Als er diese Story schreibt, ist Garriott fasziniert von den sogenannten »Televangelists«, Fernsehpredigern, die in den USA mitunter ein Millionenpublikum erreichen und Millionen verdienen. »Es gibt so viele davon, und ich glaube, die meisten wollen einfach bloß Kohle machen. Oder nimm die ganzen Leute, die so tun, als könnten sie mit deinen toten Verwandten reden. Ich bin überzeugt, die wissen, dass sie gar keine magischen Kräfte haben, die stehlen einfach Geld von Menschen, die in einer persönlichen Notlage sind.«

Ultima 5 baut das rundenbasierte Kampfsystem aus. Erst mit dem siebten Teil wird in Echtzeit gekämpft. Ultima 5 baut das rundenbasierte Kampfsystem aus. Erst mit dem siebten Teil wird in Echtzeit gekämpft.

Mit Ultima 7 wird Garriott später ein ähnliches Motiv aufgreifen, und in mancherlei Hinsicht ist Warriors of Destiny der eigentliche Urvater dieses als Serienhöhepunkt gehandelten siebten Teils, denn es ebnet den Weg in eine glaubwürdig simulierte Welt. So werden nicht nur fließende Tag- und Nachtwechsel eingeführt, sondern auch ein geskripteter Tagesablauf für die zahlreichen NPCs. Außerdem entlocken die Dialoge den Gesprächspartnern nun keine einsilbigen Antworten mehr, sondern wirken spürbar glaubhafter und dynamischer - jedenfalls für die Verhältnisse des Jahres 1986.

Ultima 6: Rot und Hörner =böse

Ultima 6: The False Prophet - Erscheinungsjahr: 1990 - Publisher: Origin - Designer: Richard Garriott / Warren Spector - Goodies: 48 Seiten Handbuch, Stoffkarte, Orb of the Moons Ultima 6: The False Prophet - Erscheinungsjahr: 1990 - Publisher: Origin - Designer: Richard Garriott / Warren Spector - Goodies: 48 Seiten Handbuch, Stoffkarte, Orb of the Moons

Ultima 6: The False Prophet geht dann sozusagen den notwendigen Zwischenschritt: Es ist nicht nur das erste Rollenspiel, das 1990 die technischen Möglichkeiten eines High-End-PCs mit Maus und VGA-Karte vollständig ausreizt, sondern auch eines der ersten echten Open-World-Spiele überhaupt. Die sonst übliche Trennung zwischen Oberwelt und Städten sowie Dungeons fällt weg, Britannia besteht aus einer einzigen Karte mit nahtlosen Übergängen, es gibt keine Ladezeiten mehr - jedenfalls in der PC-Version.

Außerdem ist die Spielwelt geradezu absurd detailliert und wimmelt von spannenden, weil detailliert ausgearbeiteten Figuren, die tatsächlich etwas zu erzählen haben; was heute längst zum guten Rollenspiel-Ton gehört, ist 1990 eine Sensation in 256 Farben, denn jeder NPC hat inzwischen auch ein handgezeichnetes Portrait. In Erinnerung allerdings bleibt Ultima 6 nicht zuletzt wegen seiner fantastischen Story. Kleines Experiment: Schauen Sie sich doch mal das Cover von Ultima 6 (links) an und raten Sie, wer wohl die Rolle der Bösewichte spielt. Falls Sie nämlich auf den gehörnten Dämonen mit der roten Haut tippen, den ein strahlender Avatar gerade erschlagen hat, dann sind Sie Richard Garriott auf den Leim gegangen.

Die VGA-Grafik von Ultima 6 war eine kleine Sensation. Man beachte das grafische Inventar rechts im Bild. Die VGA-Grafik von Ultima 6 war eine kleine Sensation. Man beachte das grafische Inventar rechts im Bild.

The False Prophet spielt geschickt mit Vorurteilen und falschen Erwartungen, führt mit den Gargoyles eine absichtlich »böse« aussehende Rasse ein, um sie später als überhaupt nicht böse zu entlarven - und den Spieler vor die unangenehme Frage zu stellen, ob er den ziemlich plumpen Köder vielleicht bloß deshalb so bereitwillig schluckt, weil er sich eben doch an visuellen Stereotypen orientiert. »Alle denken, okay, die sind rot und haben Hörner und Klauen und ledrige Flügel, natürlich sind das die Bösen. Und wenn du mit dem Spiel anfängst, dann greifen sie dich sofort an, klare Sache also. Aber niemand fragt sich, warum die das machen. Oder ob sie dafür vielleicht einen Grund haben.«

Zu Spielbeginn wirken die Gargoyles noch sehr bedrohlich. Das ändert sich später aber schlagartig. Zu Spielbeginn wirken die Gargoyles noch sehr bedrohlich. Das ändert sich später aber schlagartig.

Den nämlich haben sie in der Tat: Als der Avatar in Ultima 5 den gefangenen Lord British befreit, löst er dabei versehentlich eine fatale Kettenreaktion in der Unterwelt aus, die Heimat der Gargoyles wird nahezu vollständig zerstört, die wenigen Überlebenden halten den Avatar anschließend für den titelgebenden »falschen Propheten«, von dem ihre Legenden behaupten, er werde die gesamte Gargoyle-Rasse vernichten. Ultima 6 ist nach Ultima 4 also der zweite Serienteil ohne echten Bösewicht - und gleichzeitig auch der letzte, denn schon im Nachfolger bekommt es der Avatar mit Scientology, zwei Serienkillern mit den Initialen EA und dem inzwischen berühmten Guardian zu tun.

Aber diese Geschichte erzählen wir erst demnächst, wenn wir im zweiten Teil der Ultima-Historie einen Blick auf den Höhepunkt dieser großartigen Rollenspiel-Serie werfen - und auf den dramatischen Absturz, der diesem Höhepunkt folgt.

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