Seite 2: Adrift - Im Weltall gibt es keinen Shitstorm

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

FPX statt FPS

Nun also: ADR1FT. Adam Orth bezeichnet es in Anlehnung an First Person Shooter (FPS) als FPX, als First-Person-Experience. »Unser Ziel ist eine gewaltfreie, erzählerische First-Person-Erfahrung«, sagt Orth und lehnt damit an Spiele an wie Gone Home, Dear Esther oder Proteus. Fährt dann aber fort: »… mit echten Spielsystemen, echten Mechaniken und vielen Dingen, die Spieler beschäftigen sollen.«

Echte Spielsysteme, echte Mechaniken? Das klingt so, als ob Orth damit ein wenig die Kritik an Spielen wie Gone Home anspricht, die unter vielen Spielern als langweilige »Walking Simulators« verschrien sind. »Wir sprechen diese Kritik nicht ein wenig an, wir sprechen sie absolut an«, so Orth. »Wahrscheinlich wäre ein Spiel, in dem man einfach nur durch die Station schwebt und sonst nicht viel macht, gar nicht so mies. Aber: Wir haben so viele schöne Mechaniken in unserem Spiel.« Kein »Floating Simulator« also.

Einer der anderen Astronauten, dessen Schicksal uns mehr über den Hintergrund der Protagonistin verraten soll. Einer der anderen Astronauten, dessen Schicksal uns mehr über den Hintergrund der Protagonistin verraten soll.

ADR1FT ist eine Art Survival-Puzzle in einer kleinen, aber detaillierten offenen Welt, im Look inspiriert von Gravity und dem Kubrick-Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum. Als gestrandete Astronautin gilt es, die zerbrochene Raumstation zu erkunden. Sauerstoff tritt aus. Spieler müssen ständig Sauerstoffflaschen aufsammeln, sonst ersticken sie. Um die Station zu reparieren, müssen Rätsel gelöst werden, die durch die fehlende Schwerkraft bedingt sind. Währenddessen erfährt der Spieler etwas über das Ereignis, das die Station zerfetzt hat.

Die (metaphorischen) Parallelen zu Orths Leben sind unverkennbar. Um den Twitter-Account der Astronautin soll es hier aber eben nicht gehen. »Es dreht sich viel weniger um dieses Zeug, als ich anfangs gedacht habe«, sagt Orth. Das liegt am Team. Zuerst kam Omar Aziz dazu, dann immer mehr seiner Freunde. Acht Entwickler zählt das Team von Orths Studio three one zero inzwischen. Und so geht es auch in ADR1FT genau so viel um die einsame Überlebende wie auch ihre Crew. »Man lernt durch die anderen Charaktere etwas über sich selbst. Wenn man die anderen Astronauten trifft, erfährt man über die Beziehungen zu ihnen, wer man selbst ist.«

Allein im All

Das klingt wahnsinnig ambitioniert, viel zu sehen gab es davon allerdings nicht. Wir durften eine Szene anspielen, die es so auch im aktuellen Trailer zu sehen gab. Als namenlose Astronautin fliegen wir durch einen Tunnel, dann ein Labor, vorbei an zerrissenen Pflanzenblättern und Wasserblasen, und raus ins All, wo ein abgerissener Teil der Station bewegungslos vor der Erde schwebt. Das Licht am Anzug eines Astronauten blinkt rot, und eine Roboterstimme im Ohr sagt: »Survivor detected«, Überlebender entdeckt.

Die zerstörte Raumstation schwebt in Bruchstücken über der Erde. Die zerstörte Raumstation schwebt in Bruchstücken über der Erde.

Wir schweben zum vermeintlichen anderen Überlebenden. Die Steuerung ist dabei minimalistisch und fühlt sich mit einem Controller schon jetzt sehr passend an: Wir schweben mit dem linken Analogstick durch die Station, schauen uns mit dem rechten Stick um. Wir sind keine schwebende Kamera. Am Körper der Astronautin können wir herunterblicken. Die Bewegung hat Gewicht. Über die beiden Trigger steigen oder sinken wir durchs All. Mit den Bumpern rollen wir nach links und rechts. Das ist unheimlich atmosphärisch.

Und gewinnt nochmal massiv an Intensität, weil wir das Spiel mit der VR-Brille Oculus ausprobieren dürfen, die wie gemacht ist für behäbiges Schweben im All, und es umso beeindruckender wirkt, wenn Wasserblasen am Helmvisier vorbeischweben. Orth betont aber, dass die Entwicklung für klassische Plattformen - PC und Konsole - im Vordergrund steht. Eine einzige Aktionstaste erledigt den Rest, ist aktuell allerdings noch nutzlos. Weil die Animationen zum Auffüllen des Sauerstoffvorrats nicht fertig sind, wurde auch die Sauerstoffmechanik deaktiviert.

Ebenfalls nicht zu sehen sind die Rätsel, die Orth als eine unheimlich spannend klingende, von 2001: Odyssee im Weltraum inspirierte Mischung aus Guitar Hero und Tetris beschreibt. Am vermeintlichen Überlebenden angekommen sehen wir nur eine Leiche, die uns nichts über sich selbst oder die Heldin des Spiels preisgibt. Kurz: Zu spielen gab es einen »Floating Simulator«.

three one zero gegen die Welt

Normalerweise wäre das kein gutes Zeichen, vor allem nicht, wenn das Spiel in nur knapp einem halben Jahr für PC, Konsolen und eventuell auch für Oculus Rift erscheinen soll. Normalerweise. Es sind zwei Faktoren, die das vielversprechende Konzept von ADR1FT tragen und die dafür gesorgt haben, dass Orth bereits für den frühen Prototypen Geld von Investoren bekam und schnell darauf mit 505 Games einen Publisher fand.

Grund eins: das Team. Alle acht Entwickler bei three one zero sind erfahrene Spielemacher, die bereits gemeinsam große Projekte gestemmt haben. Ihre Lebensläufe sind beeindruckend. Sound-Mann Al Nelson hat an Projekten wie der Netflix-Hit-Serie House of Cards mitgearbeitet. Andere Teammitglieder waren bei Bioshock, Uncharted oder God of War dabei, wieder andere haben für die NASA gearbeitet. Es ist ein Team aus Experten, die sich realistische Ziele setzen können - und clever genug sein sollten zu merken, wenn diese Ziele unmöglich sind und sie doch noch mehr Zeit brauchen. Hoffentlich.

In den zerstörten Laboren schweben die Überreste der Station: Blätter, Wasserblasen – und lebenswichtige Luftkanister. In den zerstörten Laboren schweben die Überreste der Station: Blätter, Wasserblasen – und lebenswichtige Luftkanister.

Der andere Grund wird klar, als wir Adam Orth danach fragen, ob er nicht die Twitter-Geschichte hinter sich lassen will, oder ob ihn »das Ereignis« definiert: »Oh, es hat mich neu definiert«, sagt Orth, »ich bin ein anderer Mensch. Es hat mein Leben auf diese unfassbare Art verändert. Ich bin durch düstere Zeiten gegangen, aber das war es wert.

Selbst die Zeit, als es sich angefühlt hat, als würde es nie wieder enden und ich nicht mehr aus dem Haus gehen wollte. Ich bin einfach keiner, der aufgibt.« Dann macht er eine kurze Pause. Vom Witze reißenden Adam Orth von vor einem Jahr scheint nichts mehr übrig zu sein. Der Mann ist ernst. »Wenn ich nichts mehr mache, dann haben die gewonnen. Ich will nicht, dass die gewinnen. Ich will gewinnen.«

2 von 3

nächste Seite


zu den Kommentaren (47)

Kommentare(44)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.