Ist das noch ein Spiel?

Amnesia - The Dark Descent von Frictional Games war 2010 im Grunde das, was Baldurs Gate für das Rollenspielgenre war: Die Wiederauferstehung eines...

von marioworld2013 am: 02.10.2015

"Amnesia - The Dark Descent" von Frictional Games war 2010 im Grunde das, was "Baldurs Gate" für das Rollenspielgenre war: Die Wiederauferstehung eines totgeglaubten Genres: des Horrorspiels.

Der Horror des Spiels entstand allerdings nicht durch effekthascherische Splatterorgien, sondern er spielte sich vielmehr im Kopf des Spielers ab durch eine Atmosphäre, die Angst erzeugte: Dunkelheit, eine unheimliche Soundkulisse, allein in einem großen Anwesen und vollkommen wehrlos gegenüber allem Bösen, was da lauern mochte, denn es gab keine Waffen: Wurde der Spieler entdeckt, gab es nur die Möglichkeit, sich zu verstecken bzw. die Beine in die Hand zu nehmen. Jeder, der das Spiel damals erlebt hat, wird sich an Momente erinnern, in denen er selbst am PC sitzend den Atem anhielt, damit auch wirklich gar kein Geräusch sein in einem Schrank kauerndes Alter Ego verraten konnte.

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe anderer Genrevertreter, wie zum Beispiel "Outlast" von Red Barrels oder eben den direkten Nachfolger zu "The Dark Descent": "Amnesia - A Machine For Pigs" aus dem Jahr 2013, unser heutiges Testobjekt.

Diesmal wurde das Spiel nicht von Frictional selbst programmiert, sondern von The Chinese Room, die zuvor mit "Dear Esther" auf sich aufmerksam machten. Zunächst scheint sich A Machine For Pigs genauso zu spielen wie der Vorgänger: Mit den WASD-Tasten und der Maus steuern wir unseren Charakter wie in einem 3D-Shooter durch ein Gebäude. An Gedächtnisschwund leidend versuchen wir, wie sich in den ersten Minuten herausstellt, unsere beiden Söhne zu finden. Warum es dazu kam, erfahren wir größtenteils durch Notizzettel, die es zu finden gilt und die man auch sorgfältig lesen sollte, erzählen sie doch die Geschichte dieses Spiels. Und recht viel mehr als eine Geschichte und die Atmosphäre bietet das Programm auch nicht.

Nach relativ kurzer Zeit wird man merken, dass es einige Veränderungen in der Spielführung gibt. So gibt es im Nachfolger kein Inventar mehr, in das wir gefundene Gegenstände packen und die wir später, wie in einem Adventure verwenden und kombinieren können. Überhaupt gibt es im kaum noch Gegenstände, mit denen wir interagieren können. Die nur recht selten eingestreuten Rätsel lassen sich für gewöhnlich sehr simpel lösen. Beispiel: Wir finden eine Maschine, die nicht läuft. Der Grund ist offensichtlich: Die Sicherung ist defekt. Gut, dass im Raum zuvor jede Menge davon lagen. Also: Defekte Sicherung raus, in den vorherigen Raum rein, neue Sicherung holen, einsetzen, Schalter umlegen, Rätsel gelöst.

Ein wichtiges Spielelement des Vorgängers war das Licht: In der Dunkelheit verschlechterte sich der geistige Zustand unserer Spielfigur zunehmend. Das Bild wurde immer verschwommener, schlimmstenfalls konnte man nur noch kriechen. Zum Glück gab es immer wieder Kerzen oder Fackeln, die angezündet werden konnten und eine Lampe im Inventar. Doch für die Lampe galt es, Öl zu finden, und für die Kerzen und Fackeln Zunderbüchsen. Man musste man sparsam damit umgehen. Und: Zu viel Licht machte einen auch sichtbarer für das Böse... In "A Machine For Pigs" sind Zunderbüchsen, Lampenöl und anzündbare Gegenstände gestrichen worden. Der Spieler hat eine Lampe und die kann man unbegrenzt leuchten lassen.

Das simplifiziert nicht nur das Spielprinzip, sondern macht auch das Durchwühlen von Schubladen in Schreibtischen etc. nahezu komplett unnötig. Es gibt ja nichts, was man mitnehmen könnte... So durchsuche ich etliche Räume, ohne irgendwas Brauchbares zu finden - unbefriedigend.

Und auch sonst ist das Spiel im Vergleich zum Vorgänger erheblich leichter geworden: Nur noch selten werden wir mit Gegnern konfrontiert und die sind alles andere als schwer auszutricksen. In Schränken verstecken kann man sich übrigens auch nicht mehr...

Was spielerisch bleibt ist ein Spaziergangsimulator mit kinderleichten Rätselchen. Das alles eingebettet in eine durchaus erlebenswerte Horrorgeschichte (die ich hier nicht spoilern möchte) und wie schon im Vorgänger gepaart mit einer grandiosen Soundkulisse und angsterfüllender Atmosphäre.

Aber nicht nur die Spielelemente wurden im Nachfolger eingespart, auch der Umfang hat deutlich nachgelassen: Benötigte ich bei "The Dark Descent" rund 10 Stunden (+ noch einmal rund 1-2 Stunden für das kostenlose Addon "Justine"), flimmerte bei "A Machine For Pigs" bereits nach knapp fünf Stunden der Abspann über den Bildschirm.

Zur technischen Umsetzung: Das Spiel ist kein Schönheitswunder, aber grafisch durchaus zweckmäßig. Meistens ist es ohnehin recht dunkel...die Soundkulisse und auch die Musik sind hervorragend und macht für mich den größten Teil der Atmosphäre aus. Überrascht hat mich, dass das Spiel mit eingeschaltetem V-Sync mitunter doch merklich ruckelte, aber das lässt sich verschmerzen. Bugs konnte ich dagegen kaum feststellen. Nur ganz zu Beginn des Spiels blieb ich einmal irgendwo in der Spielwelt hängen und konnte nicht mehr weiter. Dieser Bug trat aber nicht wiederholt auf.

Gespeichert wird im Spiel automatisch und regelmäßig. Beendet man das Spiel, wird außerdem auch an dieser Stelle gespeichert. Allerdings: Ich bin im Spiel kein einziges Mal gestorben (was bei mir sonst kaum vorkommt und schon gar nicht im Vorgänger)...

Um ein Fazit zu ziehen: Nachdem mir der Vorgänger sehr gut gefallen hat, war ich von "A Machine For Pigs" spielerisch doch recht enttäuscht. Geschichte und Atmosphäre reißen einiges wieder raus, aber mit "The Dark Descent" kann der Nachfolger meiner Meinung nach in keiner Weise mithalten. Dazu kommt der sehr geringe Umfang, der gerade am Ende trotzdem noch etwas gestreckt wirkte. Alles in allem würde ich "A Machine For Pigs" nur Menschen empfehlen, die gerne eine atmosphärische Horrorgeschichte erleben wollen. Wer spielerische Herausforderung sucht, sollte einen weiten Bogen um das Spiel machen. Das Spiel kostet bei Steam (im Verhältnis zum Gebotenen recht happige) 20,- €, wurde aber auch schon des Öfteren als deutlich billigeres Sonderangebot gesichtet. Zur Wertung: "The Dark Descent" würde ich im Wertungsbereich um 80 Punkte einordnen, "A Machine For Pigs" muss da doch ein paar Abstriche hinnehmen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grandiose Soundkulisse
  • Ordentliche Grafik
  • Dichte Atmosphäre
  • Gut geschriebene Texte, gut ins Deutsche übersetzt
  • Spiel im Vergleich zum Vorgänger zu stark simplifiziert
  • Texte in Notizen werden nicht vorgelesen
  • Der wenige gesprochene Text ist nur auf englisch zu hören (mit guten deutschen Untertiteln)

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Weniger als 5 Stunden



Kommentare(4)
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