Herzallerliebstes Knobelmärchen

Mit »Anna's Quest« hat Daedalic Entertainment nun das dritte externe Adventure (bei dem sie selber also bloß Publisher sind) innerhalb von...

von Geron1985 am: 28.07.2015

Mit »Anna's Quest« hat Daedalic Entertainment nun das dritte externe Adventure (bei dem sie selber also bloß Publisher sind) innerhalb von achtzehn Monaten rausgebracht. Nachdem »1954: Alcatraz« und »Randal's Monday« eher schwach bis mäßig ausfielen, waren meine Erwartungen an das kleine australische Entwicklerstudio Krams Design nicht besonders hoch. Doch Spieledesigner Dane Krams und seine Leute konnten mich positiv überraschen... trotz einiger kleinerer Mängel.

 

Story:

Das kleine Mädchen Anna lebte von der Außenwelt abgeschirmt mit ihrem Großvater in einer kleinen Hütte im Wald. Als er schwer krank wurde, zog Anna in die Welt hinaus, um nach einem Heilmittel zu suchen und ihren geliebten Opa zu retten. Doch dieser hatte sich aus gutem Grund mit seiner Enkelin aus der Zivilisation zurückgezogen, denn in Anna schlummert die Gabe der Telekinese und in der weiten Welt lauerten Feinde, die nur darauf warteten, das Mädchen in ihre Finger zu bekommen.

So dauerte es auch nicht lange, bis Anna von einer Hexe entführt und in einem Turm eingesperrt wurde, um Experimente an ihr durchzuführen...

Die erste Überraschung offenbart sich dem Spieler schon zu Beginn, denn anders als die knuffige Comicgrafik es vermuten lässt, ist »Anna's Quest« keine Fantasy-Komödie à la »The Book of Unwritten Tales«. Zwar gibt es allerhand schrullige Charaktere, wie einen sprechenden Teddybären namens Ben, der in Wahrheit ein verwunschener Junge ist und Anna durch die Geschichte begleitet, und gewiss hat das Spiel auch seine lustigen Momente, doch im Kern steckt eine ernstere Märchengeschichte, als es auf den ersten Blick erscheint. Man kommuniziert mit ruhelosen Geistern und hilft ihnen dabei, endlich Frieden zu finden, versucht kinderfressenden Hexen das Handwerk zu legen und wird im Kerker des Teufels höchstpersönlich eingesperrt.

Dabei bedient Dane Krams sich reichlich bei alten Märchen und Legenden und vermischt sie zu einer neuen Fantasy-Märchenwelt. So trifft man etwa auf die Bremer Stadtmusikanten und muss einen alten, versunkenen Schatz aus einem See bergen, der von den drei 'Weißen Frauen' bewacht wird. Die Anleihen und Inspirationen wirken jedoch zu keiner Zeit erdrückend und nervend, wie das beispielsweise in »Randal's Monday« der Fall war.

Leider kommt die Story nur schleppend in Fahrt. In der ersten Spielhälfte plätschert sie so vor sich hin, ohne den Spieler an den PC fesseln zu können. In der zweiten Hälfte wird sie dann immer interessanter und spannender. Auf ihrer Suche nach einem Heilmittel für ihren Großvater, wird Anna in ein Familiendrama hineingezogen, das auch jeder wirklich ernsthaften Fantasygeschichte oder Saga gut zu Gesicht stehen würde. Zum Ende hin spitzt sich die Lage derart zu, dass zumindest ich so richtig von der Geschichte gebannt wurde. Die letzten drei Spielstunden musste ich trotz fortgeschrittenem Abend am Stück durchspielen, weil ich mich einfach nicht mehr vom Monitor loseisen konnte.

Das Ende setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Es ist unerwartet, erzählerisch super umgesetzt und hat mich wirklich überrascht. Alleine für diesen grandiosen Schlussakt lohnt es sich, »Anna's Quest« eine Chance zu geben.

Schade nur, dass es so lange dauert, bis die Story in Fahrt kommt. Eine echte Top-Wertung wurde durch die erste Hälfte leider verspielt.

 

8,5/10

 

Rätsel:

In den letzten beiden Daedalic-Adventures (»1954: Alcatraz« und »Randal's Monday«) waren gerade die Rätsel eine der großen Schwachstellen. Krams Design hat auch hier deutlich bessere Arbeit geleistet, wenngleich man hier und da merkt, dass »Anna's Quest« ihr Erstlingswerk ist.

Zwischendurch stolpert man über das eine oder andere arg unlogische Rätsel. Beispiel gefällig? Schon im ersten Akt muss Anna dringend an einen bestimmten Schlüssel herankommen. Dieser befindet sich jedoch im Besitz einer Ratte, die ihn uns natürlich nicht freiwillig überlässt. Sicher denkt nun jeder automatisch daran, die Ratte mit einem Stück Käse zu füttern, damit sie den Schlüssel fallen lässt. Jedoch denken sicher nur wenige daran, Schimmelreste aus dem Abfluss mit gelber Farbe anzumalen und das kleine Tierchen damit zu füttern.

Insgesamt funktionieren die Rätsel jedoch sehr gut und unlogische, bizarre Knobeleien, wie die oben genannte, bleiben die Ausnahme. Die große Mehrheit der Kopfnüsse kann mit einigem Nachdenken gelöst werden. Allerdings sollte man dafür ein bisschen Zeit einplanen, denn die Rätsel haben es teilweise durchaus in sich. Den Schwierigkeitsgrad sollte man also nicht unterschätzen, was erfahrenen Abenteurern gut gefallen sollte.

Das Rätseldesign setzt vor allem auf Bewährtes und besteht ausschließlich aus klassischen Kombinationsrätseln, die dem bekannten Schema F folgen. Etwas Innovatives braucht man hier nicht erwarten, aber das war auch nie der Anspruch von Krams Design. Dafür sind die Rätsel größtenteils gut umgesetzt und in die Story integriert. Nur wenige sind Lückenfüller, die bloß dafür da sind, die Spielzeit nach oben zu treiben. Ähnlich wie Daedalic es auch in seinen Eigenentwicklungen praktiziert, haben die Entwickler ein schlankes Adventure geschaffen, welches nicht mit unnötigen - weil für die Story vollkommen belanglosen - Rätseln künstlich aufgeblasen wurde.

 

8/10

 

Atmosphäre:

Wie eingangs bereits erwähnt, erwartet den Spieler bei »Anna's Quest« überraschenderweise keine kindliche Komödie. Dies spiegelt sich nicht nur in der Story, sondern auch in der Atmosphäre wider. Von Anfang an überkommt den Spieler ein etwas beklemmendes Gefühl und es wird eine leicht melancholische Grundstimmung erzeugt. Ob dies mit der kindlichen Comicgrafik vereinbar ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich persönlich liegt gerade in diesem Kontrast zweier scheinbar nicht zueinander passender Dinge ein großer Reiz.

Der Zeichenstil ist hübsch, jedoch mangelt es an Details, die Animationen sind auf einem mäßigen Niveau. Dafür sind die Zwischensequenzen aber sehr schön gestaltet und auch animiert. Technisch ist hier dennoch viel Luft nach oben.

Der Soundtrack ist stimmig und unterstreicht die leicht melancholische Stimmung, ist aber auch nichts wirklich herausragendes. Er erfüllt seinen Zweck, mehr aber nicht. Dafür sind die (englischen) Sprecher gut gewählt und machen einen tollen Job, auch wenn einem der etwas weinerliche Ben manches Mal auf den Zwirn geht. Dass Protagonistin Anna tatsächlich von einem elfjährigen Mädchen gesprochen wird, verleiht ihr noch mehr Glaubwürdigkeit.

Doch auch bei der Atmosphäre greift das gleiche Problem, wie schon bei der Story. So lange die Geschichte bloß dahindümpelt, schwächelt das Spiel auch atmosphärisch. Erst in der zweiten Spielhälfte wird es dann dichter und steigert sich bis zum Ende.

Eigentlich schade, denn dies hätte durch stärkeren Humor in der ersten Hälfte vermieden werden können. Mehr Witz, mehr Lacher zu Beginn, die dann im späteren Spielverlauf immer weniger werden, hätten zu einer viel höheren Einzelwertung in diesem Unterpunkt führen können. So vergebe ich für die erste Hälfte des Adventures 6 Punkte und für die zweite Hälfte 8 Punkte, was zusammen 7 Punkte ergibt. Für den wahnsinnig gelungenen Schlussakt gibt es dann aber doch noch einen kleinen Bonus oben drauf.

 

7,5/10

 

Balance:

Der Schwierigkeitsgrad von »Anna's Quest« ist recht knackig und spricht damit vor allem erfahrene Spieler an. Genre-Neulinge werden sich hier schwer tun, vor allem, weil Krams Design keine Rätselhilfe eingebaut hat. Lediglich eine Hotspot-Anzeige ist integriert, wer mal feststeckt muss in eine Komplettlösung schauen. Ein mehrstufiges Hilfesystem wäre hier sehr wünschenswert gewesen, zumal man mit diesem Spiel auch Kinder ansprechen wollte, die durch den Schwierigkeitsgrad jedoch abgeschreckt bzw. frustriert werden.

Doch auch erfahrene Spieler werden das Fehlen der Rätselhilfe vermutlich bedauern, denn zwischendurch tauchen immer mal wieder Rätsel auf, deren Lösung derart abstrus ist, dass sie nur durch konsequentes und langwieriges Trial&Error gelöst werden können, was definitiv nicht Sinn der Sache ist.

Dafür ist die Steuerung überaus gelungen. Designschnitzer wie in »Randal's Monday« gibt es hier nicht. Sämtliche Funktionen lassen sich über die Maus steuern, nicht eine Einzige muss über die Tastatur bedient werden. Klingt belanglos, ist es aber durchaus nicht und ist auch nicht selbstverständlich. Die meisten anderen Adventures haben doch wenigstens eine Funktion, die über das Keyboard bedient werden muss, und sei es bloß die Hotspot-Anzeige. Das Schöne an der uneingeschränkten Maussteuerung ist, dass man die Tastatur bedenkenlos bei Seite schieben und den dadurch gewonnenen Platz auf dem Schreibtisch zum Abstellen des Abendessens, eines schönen Heißgetränks oder sonstwas nutzen kann.

 

7,5/10

 

Umfang:

Die Spielzeit von »Anna's Quest« liegt bei rund zehn bis zwölf Stunden und die Käufer können sich über den kostenlos beiliegenden Soundtrack freuen.

Der Downloadversion auf GOG liegen zudem ein Wallpaper, zwei Artworks und ein Minispiel bei, die jedoch eher belanglos, und nur für echte Sammler interessant sind.

Der Vollpreis für die Boxversion beträgt knappe 30€, für die Downloadversion von GOG 22$ (=20€) und auf Steam liegt er bei etwa 22€. Zu diesen Preisen bekommt man schon recht ordentlich etwas geboten.

Negativ fällt jedoch das Fehlen einer deutschen Synchronisation ins Gewicht. Von einem deutschen Publisher hätte man schon eine deutsche Vertonung erwarten können, man muss sich aber mit deutschen Untertiteln begnügen.

Trotzdem habe ich im Nachhinein nicht das Gefühl, zu viel für das Spiel ausgegeben zu haben. Es hat mir ein paar sehr schöne Abende mit ordentlicher 'Hirngymnastik' bereitet.

Empfehlen würde ich aber eine der günstigeren Downloadversionen. Sollte man auf einen Sale warten? Das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, persönlich finde ich die 20-22€ aber einen sehr fairen Preis. Wer nach dem Lesen meines kleinen Tests Interesse an diesem gelungenen Erstlingswerk bekommen hat, kann also auch direkt zugreifen.

 

8/10

 

Fazit:

39,5/50 -> 79% 


Wertung
Pro und Kontra
  • Schwierigkeitsgrad
  • Tolles Ende
  • Bessere Story als erwartet
  • Hübscher Grafikstil
  • Sympathische Figuren
  • Animationen
  • teils unlogische Rätsel
  • keine dt. Vertonung

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(0)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.