Seite 2: Test-Tagebuch: Arma 2 - Unser Erfahrungsbericht [Update: 4. Tag & Fazit]

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Tag 2

Heute nehmen wir Sie in unserem Test-Tagebuch auf eine der insgesamt sieben Einzelmissionen mit, stellen das Kommunikations- und die Assistenzsysteme vor und erklären, welche gravierenden Fehler Bohemia Interactive bei deren Design gemacht hat.
Außerdem fassen wir einige der gefundenen Bugs im Zwischenreport zusammen und beobachten die Team-KI. Zudem finden Sie in der Hardware-Rubrik einen Grafikvergleich mit erste Einschätzungen zu den Systemanforderungen und wir berichten in GameStar TV über die Militärsimulation.

Von hart bis knallhart

Bevor es in den Einsatz geht, wählen wir einen von insgesamt vier Schwierigkeitsgraden. Diese dienen allerdings nur als grobe Orientierung und lassen sich alle individuell – auf den höheren Anforderungsstufen mit einigen Einschränkungen – anpassen. So bleibt es ihnen überlassen, ob Sie die KI von Freund und Feind per Schieberegler oder Voreinstellung festlegen. Auf einer Skala von eins bis hundert schieben wir den Regler für die Gegner-Intelligenz auf 80 und den von unseren Begleitern auf 90.

Arma 2 - Bilder zum zweiten Testtagebuch ansehen

Neben den KI-Fähigkeiten dürfen Sie zahlreiche Hilfsfunktionen aktivieren und sich so beispielsweise Wegpunkte in der Landschaft, Gegner auf der Karte und im Gelände mit Beschreibung anzeigen lassen, verstärkte Panzerung und Leuchtspurmunition verwenden und die automatische Meldung bei entdeckten Feinden für Ihrer Spielfigur einschalten. Selbst mit allen Hilfen bleibt Arma 2 aber auch weiterhin eine herausforderndes Spiel, das kaum Fehler verzeiht und zum behutsamen Vorgehen mahnt. Der Spielablauf stellt somit trotz der gleichen Perspektive einen starken Kontrast zum typischen Ego-Shooter wie beispielsweise Call of Duty dar. Serienkenner wird’s freuen, Neueinsteiger müssen eine lange und verschreckende Eingewöhnungsphase überstehen, bei der Sie das Spiel oft allein lässt.

Erste Team-Mission

Unser erster Auftrag beginnt an Bord eines Hubschrauberträgers. Von hier bringt uns ein UH-1Y-Helikopter zu einer nahe gelegenen Insel. Wir sollen ein kleines Dorf von Feinden säubern und uns später mit einem Verbündeten treffen. Nebenbei können wir auch noch ein paar Kriegsgefangene befreien. Doch so weit kommen wir beim ersten Anlauf gar nicht, denn die KI und die fehlerhaften Missionsskripte machen uns einen Strich durch die Rechnung. Aber zurück zum Anfang: Wir sind inzwischen gelandet, unser Team schleicht eine Anhöhe hinauf. Im Dorf versuchen die KI-Kollegen, in der Nähe von Deckungen zu bleiben. Und zunächst sieht es auch so aus, als würden sie als Einheit funktionieren. Doch der Eindruck täuscht. Wenige Minuten später ist einer der Männer sinnlos vorgestürmt und liegt jetzt niedergeschossen am Boden. Während eine zweite Einheit nach einer halben Ewigkeit erste Hilfe leistet, bleibt der Rest des Teams teilnahmslos im Dorf zerstreut.

Die Illusion einer taktisch vorgehenden, ihre Umgebung einschätzende und sich der Lage bewusst seienden Team-KI zerbricht immer wieder, auch weil die Einheiten auf einige Gefahren nicht clever reagieren. So wird das Team später von einem Schützenpanzer angegriffen, doch statt sich gesammelt zurückzuziehen oder irgendwie auf die Gefahr zu reagieren, passiert nichts. Das Missionsskript zieht zwar vor, dass ein Angriffshubschrauber zur Unterstützung herbei eilt, doch als die Maschine über uns kreist, versagt sie den Angriff auf das Panzerfahrzeug. Unser Eindruck: Die KI kann theoretisch viel, ist aber regelmäßig von den extremen Anforderungen, die Arma 2 stellt, überfordert. Außerdem sorgen KI-Aussetzer für Frust. Verlassen können Sie sich auf Ihre Begleiter nur selten.

Kommunikation und Wahrnehmung

Die KI ist in Arma 2 nur eines von vielen Problemen. Während wir in das Dorf vorrücken, bellt unser Vorgesetzter nämlich regelmäßig Befehle, mit denen wir nichts anfangen können: »1, move to that house.« Welches der vielen Dorfhäuser er meint, wissen wir nicht. Und schon sind wir bei den Designfehlern, die in Arma 2 fast schlimmer sind als die Bugs. Ständig bekommen wir Anweisungen, denen eine Orts oder Richtungsvorgabe fehlt. Wir sollen diesen Soldaten angreifen und zu jenem Baum gehen, aber wo sich Baum und Feind befinden, wissen wir nicht. Mit aktiviertem Hilfssystem wird wenigstens die letzte vermutete Feindposition angezeigt. Doch Hardcore-Spieler bleiben der Desinformation überlassen. Nachfragen, welchen Feind der Vorgesetzte meint, oder wenigstens in welcher Richtung er den Bösewicht vermutet, können wir nicht.

Und es gibt noch mehr fatale Designfehler: Bei den Feindmeldungen verabschiedet sich Arma 2 teilweise vom System des Vorgängers Armed Assault. Darin wurde die Position eines gesichteten Feindes stets mit ungefährer Meterentfernung und Zeitangabe für den eingeblendeten Kompass angegeben, also: »Feind auf 5 Uhr, hundert Meter«. Welches fünf Uhr gemeint ist, zeigte der Kompass.
Jetzt rufen ihre Kameraden nur noch: »Feind, linke Flanke, weit«, oder ähnliches, denn die Kommentare variieren ständig im Satzbau, in den Entfernungseinheiten, also ob Meter oder ein grobes »weit« oder »nah« und mal ist es Norden, dann wieder links oder rechts und manchmal wird sogar die Position in Bezug auf eine andere Einheit angegeben. Hinzu kommt, dass die englische oder russische Sprachausgabe (je nach Einheit) und die deutsche Übersetzung nicht immer übereinstimmen. Zudem sind die aus unterschiedlich intonierten Audioschnipseln zusammen gesetzten Kommentare schwer zu verstehen. Das Schlimmste: Der Kompass als Bezugspunkt für das Gehörte fehlt komplett.

In der Praxis stellt sich das neue System als Katastrophe heraus. Es ist nie klar, ob der Rufende bei links und rechts von seiner Position ausgeht, worauf sich die Entfernungsangabe bezieht und wer überhaupt spricht. Wenn die Ansage kommt, während wir in einer Drehung sind, haben wir keine Chance einzuschätzen, welches »vorn« überhaupt gemeint ist. Bis wir uns umgesehen haben und die Einheit entdecken die uns die Meldung zurief (Die Zahl mit der sich die Soldaten untereinander identifizieren, wird erst angezeigt, wenn Sie in den Befehlsmodus wechseln), hat sich die Situation auf dem Schlachtfeld längst geändert.

Unsere Spielfigur meldet Einheiten, die sie nicht sehen sollte. Unsere Spielfigur meldet Einheiten, die sie nicht sehen sollte.

Weiter verschlimmert werden die wirre Kommunikationslage und die damit einhergehenden Wahrnehmungsprobleme durch eine KI, die durch Wände sehen darf. So meldet ausgerechnet unsere eigene Spielfigur (vorausgesetzt, wir haben die Funktion Automelden aktiviert) Einheiten, die sich hinter Gebäuden befinden. Der Feind, denn wir da gerade angeblich gesehen haben, wird aber selbst mit allen Hilfssystemen nicht für uns optisch markiert. Lächerlich!

Kurz: Teamkommunikation und Feindmeldungen sind nutzlos, schlecht durchdacht und inkonsistent. Hier erwartet Bohemia eine drastische Abwertung bei Balance und Bedienung. Immerhin funktioniert das System schlechter als im Vorgänger. Und unter dem vermeintlichen Realismus, den das Spiel bieten möchte, kann man diese Schwächen nicht verbuchen. So be- und eingeschränkt ist kein echter Soldat.

Hilfen

Wie bereits erwähnt, bietet Arma 2 viele Hilfssysteme. So werden Einheiten mit einem roten, weißen oder grünen Punkt, je nach Fraktionszugehörigkeit markiert. Größe und Leuchtkraft des Punktes hängen von der Geschwindigkeit der Einheit ab. Ein Soldat der im Gras liegt, wird nicht markiert, rennt er hingegen, leuchtet der Punkt hell auf. Insgesamt ist der Ansatz dieses Systems gut, auch wenn die Punkte ruhig etwas deutlicher leuchten könnten, schließlich sollen sie dem ohnehin überforderten Neueinsteiger helfen. Das die Hilfen auch für Veteranen wichtig werden, liegt hingegen an den unnützen Befehls- und Feindmeldungen.

Rennende Gegner werden dank der Hilfsfunktion mit einem zunehmend großen Punkt markiert, meist zumindest. Rennende Gegner werden dank der Hilfsfunktion mit einem zunehmend großen Punkt markiert, meist zumindest.

Doch auch mit den Hilfen gibt es Probleme. So werden Tiere (warum überhaupt?) immer weiß markiert, auch durch Gebäude hindurch. Zudem setzt das System regelmäßig aus und auch auf Geräusche reagiert es zu schwach. Während uns ein Gegner nach einem Schuss also manchmal auch über weite Entfernungen zielsicher anvisiert, wird ein dauerfeuernder Soldat für uns oft nicht besonders hervorgehoben. Pech, wer hier keine Surround-Anlage und ein übermenschliches Gehör hat.
In anderen Situationen leuchten die Punkte auch mal durch dichtes Blattwerk. Wenn die KI auf die gleichen Erkennungsroutinen zurückgreift, ist das kein gutes Zeichen für die Fairness des Spiels.

Generell fehlt es an Rückmeldungen: Was macht welche Einheit gerade? Wer spricht und wo steht derjenige? Welche Feinde hat welcher Kamerad entdeckt? Diese Informationen sollten wenigstens für Anfänger angezeigt werden und schnell (nicht nur auf der Karte) verfügbar sein, doch auch Veteranen wären sicher dankbar, wenn Sie sich eine besseren Eindruck vom Schlachthergang machen könnten, schließlich kann man die KI-Kollegen nicht einfach nach essentiellen Informationen fragen, wie es in der Realität möglich wäre. Beispiel:
»Greife Feind an!«
»Welchen Feind?«
»Den da drüben, zwischen den zwei großen Bäumen, von dir aus auf 5 Uhr.«
So lange das Spiel diese Art und einen solchen Detailgrad an Informationen nicht per Audiomeldung mitteilen kann, braucht es optische Hilfestellungen und Kompromisse. Doch die fehlen an zu vielen Stellen in Arma 2.

Bug-Zwischenreport

Ein grober Auszug:

* KI hat teils massive Wegfindungsprobleme, besonders mit Fahrzeugen und in Städten
* kaputte Missionsskripte erfordern häufige Neustarts
* viele Übersetzungsfehler, sinnloser und irritierender Meldungssatzbau, falsche Tastenerklärungen
* massive KI-Aussetzer
* sehr viele Clippingfehler
* inkonsistente Hilfsanzeigen
* inkonsistente Zerstörungs- und Waffenphysik
* KI sieht durch Wände und meldet Feinde, die sie noch nicht sehen dürfte.
* KI kann Einheiten auf zu große Distanzen identifizieren, zu gut hören und nachts zu gut sehen.
* Soundschleifen
* Scriptfehlermeldungen
* Unterstützungseinheiten greifen nicht ein
* gelegentliche Abstürze

Fazit, Tag 2

An der Bug-Front ist Arma 2 kein Totalausfall wie Armed Assault, was aber noch lange kein Kompliment und erst recht keine Empfehlung ist. Kenner des Vorgängers können wahrscheinlich über viele Fehler hinwegsehen und wenn es mal funktioniert ist Arma 2 ein nervenzerreißend spannendes Spiel mit einer einmaligen Atmosphäre, doch für eine Verkaufsversion ist der Zustand des Titels vollkommen inakzeptabel.
Was mich sogar noch mehr ärgert als die Bugs, ist das verkorkste Kommunikations- und Meldungssystem. Es funktioniert einfach nicht und dass hätte in den Alpha- und Beta-Tests herauskommen müssen. Besonders, weil die ganze Spielmechanik eng mit der Wahrnehmung zusammen hängt. Hier muss Bohemia komplett umrüsten, bevor wir auch nur ansatzweise gute Noten vergeben können.

» Zum dritten Teil des Arma2-Testtagebuchs...

2 von 4

nächste Seite


zu den Kommentaren (0)

Kommentare(171)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.