Idiocracy ich hör dir trapsen

Im Film Idiocracy wird die gewagte These aufgestellt das nur dumme Menschen sich vermehren während Intelligente langsam aber sicher aussterben. Der Held des...

von Tsabotavoc am: 29.02.2012

Im Film Idiocracy wird die gewagte These aufgestellt das nur dumme Menschen sich vermehren während Intelligente langsam aber sicher aussterben. Der Held des Films, Joe Bauer, landet aus Versehen in der Zukunft und findet sich von Vollidioten umgeben.

Es wird zwar im Film nicht explizit darauf eingegangen aber das zwischen den Begebenheiten in Idiocracy und Armada 2526 nur knapp 20 Jahre liegen kann kein Zufall sein.

*Präsident Camacho empfiehlt: Krasse Infrastruktur!*

Armada 2526 bezeichnet sich selbst als 4X Strategiespiel für Einsteiger. Ich hätte hier hellhörig werden sollen. Klar: Als jemand der Master of Orion II und Galactic Civilization rauf und runter gespielt hat bin ich ganz offensichtlich nicht die Zielgruppe. Aber nur weil man ein Spiel einsteigerfreundlich gestalten möchte, muss man nicht jegliche Komplexität und jeden Anspruch daraus entfernen.

Auf den ersten Blick wirkt Armada wie ein Klon zu Master of Orion. Ein sehr hässlicher Klon übrigens. Man startet auf seinem Heimatplaneten und tritt mit seinem Völkchen die Reise in die unendlichen Weiten des Alls an. Um aus seinem Straßenrandplaneten das Zentrum eines Imperiums zu machen muss man hierbei - genreüblich - forschen und ausbauen.

Wobei 'Forschen' und 'Ausbauen' hier ein großes Wort ist: Der Techtree ist so übersichtlich wie der U-Bahn-Plan der Ortschaft Treglwang und auch ähnlich aufregend. Insgesamt gibt es acht Forschungsgebiete mit ungefähr hundert Technologien. Hört sich viel an? Sins of a Solar Empire hat als Echtzeitstrategiespiel schon knappe 90 Technologien. Master of Orion hatte glaub ich über 400.

Als ich damals Master of Orion II gespielt habe, war ich auch nicht der SuperPro. Aber ich war auch nicht der Idiot für den einen das Spiel offensichtlich hält. Wie auch immer: Im Techtree kann man nichts falsch machen. Man wird aber auch vor keine Herausforderung gestellt. Die Planeten baut man mit wenigen Gebäuden stückchenweise aus, nur wenig lässt sich verbessern. Selbst wenn man sich nur durchklickt ist ein Versagen praktisch ausgeschlossen.

Dadurch wird aber umgekehrt dem Spieler die Belohnung vorenthalten: Warum soll ich mich über etwas freuen für das ich mich augenscheinlich nicht anstrengen muss?

Armada könnte trotzdem funktionieren und könnte trotzdem Charme haben... Leider hat es eine Grafik die selbst zehn Jahre älteren Spielen die Schamesröte ins Gesicht treibt. Als 4X Spieler ist man ja grafisch nicht verwöhnt. Aber das hier grenzt schon an seelische Grausamkeit. Gerade Einsteiger für dieses Genre sollten, wenn man Ihnen schon kein komplexes Spiel bietet, so doch wenigstens mit einer halbwegs ansprechenden Grafik geködert werden.

*Die QuaQua die sind gut, die Klurku die sind böse, doch die Schweiz die bleibt neutral!*

Es wäre unfair zu sagen die Entwickler hätten alles falsch gemacht. Vermutlich aus Versehen sind Ihnen auch ein paar Dinge gelungen: Z.B haben die Rassen in Armada - wenn sie vom Computer gespielt werden - alle eine eigene Persönlichkeit. Das hat den Vorteil dass die Rassen sich etwas vom langweiligen KI-Brei vergleichbarer Spiele abheben.
Es hat den Nachteil, dass ich bereits zu Spielbeginn weiß mit wem ich Verträge machen kann und mit wem nicht.

Da die Klurku böse sind kommt es also zum Raumgefecht.
Und epischer kanns kaum noch zugehen: Die eigene Flotte stellt sich in einer Linie auf vergleichbar mit den klassischen Formationen aus Monumentalfilmen. Auf der anderen Seite steht die gegnerische Flotte in vergleichbarer Formation. Danach haut sich alles und jeder in einem nicht zu entwirrenden oder kontrollierenden Battle Royal die Birne ein. Scheinbar ist im Jahr 2526 die Funktionsweise von Funkgeräten ein unlösbares Mysterium. Das ist auch komplett logisch: So habe ich zwar im Techtree eine Technologie ala 'unglaublich viel besserer Protonenpenetrator' gefunden aber keine 'Deine Schiffe haben jetzt ein Funkgerät'-Technologie.
In sich gesehen ist es also stimmig.

*Ein Weltraumdrache fordert 500 Credits*

Einfachheit in allen Dingen... Daher gibts auch keine Zufallsereignisse. Zumindest sind mir keine während dem Test untergekommen. Keine Piraten, keine Supernova, kein Forschungsunfall... Nichts. Null. Nada. Wenn mir jetzt jemand glaubhaft erklären kann warum Einsteiger Zufallsereignisse hassen die etwas Würze ins Spiel bringen gebe ich dem Spiel freiwillig zehn Punkte mehr.
Obwohl: Ganz wollten die Entwickler anscheinend doch nicht auf Zufallsereignisse verzichten weshalb man immer mal wieder - besonders in Raumschlachten - rein zufällig einen Crash zum Desktop erleidet.

*Dreifach Merkulit-Raketen-Fregatte*

Ich kanns nicht oft genug sagen: Zu einem guten 4X Spiel gehört einfach Schiffsbau dazu. Es ist in Ordnung wenn Einsteiger nur mit Basisschiffen hantieren müssen aber ich denke keiner hätte sich beschwert wenn die Option für fortgeschrittene Spieler verfügbar gewesen wäre.

Immerhin nehmen die Entwickler damit einiges an Motivation: Jeder der sich ein bisschen fürs Genre interessiert bastelt gern an DEM perfekten Supervernichtungsraumschiff, DER perfekten Aufklärungsfregatte die blitzschnell zwischen die Linien schlüpft oder DEM vernichtenden Stealth-Plasmatorpedokreuzer zur Vernichtung von Handelsflotten oder Außenposten.

Warum man selbst keine Schiffe designen darf ist mir ein Rätsel. An den epischen, innovativen Raumschiffen der einzelnen Rassen kanns nicht gelegen haben. Denn wenn der Techtree der U-Bahn-Plan von Treglwang ist so wäre eine Beschreibung der Raumschiffe das Telefonbuch.

Es gibt interessante Schiffe. In der Praxis spielt das aber aufgrund des Schlachtenkuddelmuddels keine Rolle und generell sind die interessanten Schiffe viel zu wenige als das es ins Gewicht fallen würde.

*Diplomatie en gros*

Was mich wirklich überrascht hat ist die Diplomatie. Die Diplomatie ist nicht gut. Nein. Sie ist hervorragend. Hätte man das restliche Spiel so aufgezogen hätten wir einen würdigen MOO2 Nachfolger. Das Herz von Diplomaten darf hier wirklich Purzelbäume schlagen. Vom Handel über Friedensabkommen, Forschungsabkommen und Geschenken bis zu Drohungen: Alle Griffe sind erlaubt und daher ist es tatsächlich so das der Diplomatieteil wirklich nur als perfekt bezeichnet werden kann. Hier sieht selbst der Klassiker MOO2 einfach alt dagegen aus. Man muss die Optionen nicht nutzen. Aber man kann. Und genau das hätte ein gutes 4X für Einsteiger ausgemacht.

*Noch mehr gute Nachrichten*

Zugegeben: Grafik und Sound sind unter aller Kanone. Die Benutzeroberfläche versprüht den Charme einer Stahlbaukonstruktion. Und die Raumschlachten erinnern eher an Destruction Derbys meets Troja meets Spaceball. Und ja: Es stürzt alle zwanzig Minuten mit einer professionell wirkenden Visual Basic Fehlermeldung ab...
Aber die Deinstallationsroutine befreit die Festplatte halbwegs rückstandslos von diesem digitalen Krebsgeschwür. Und bei einem Spiel wo kaum etwas richtig gemacht wurde ist zumindest das eine angenehme Überraschung oder?

*Fazit*

Armada wird keinen Spieler vor unlösbare geistige Gewaltakte stellen. Selbst Mikrogehirnspieler werden davon unterfordert. Es ist auf den essentiellen Kern eingeschrumpft und vegetiert am Rande der Existenzfähigkeit vor sich hin.

Man merkt dem Spiel deutlich an dass die Zielgruppe Einsteiger hier als Ausrede missbraucht wurde um möglichst wenig Arbeit ins Spiel zu stecken. Denn wenn man Armada auf ein Wort runterbrechen müsste wäre das: Langweilig.

Ich kann einem Spiel verzeihen dass es langweilig ist. Aber die Zielgruppe Einsteiger dafür zu missbrauchen um Faulheit während der Entwicklung zu rechtfertigen treibt mir die Galle hoch.

So ist das letzte was ich tun kann dem Spiel mit diesem Kurztest meinen Salut zu geben. Einen ausführlichen hat es sich nicht verdient und das Bewertungssystem von Gamestar lässt es leider nicht zu ein Spiel richtig abzustrafen.

Wer auch immer im Saturn neben den Restposten dieses Terrors in Bitform landet möge doch bitte drei Reihen weiter gehen und sich Idiocracy kaufen. Das ist zwar kein Spiel aber ein wirklich guter Film.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(3)
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