Staunenswerter Umfang, unglückliche Hauptfigur

Einleitung Mit Assassin's Creed 3 wird die erfolgreiche Serie fortgesetzt, nachdem Ezio das Zeitliche gesegnet hat. Nach dem Italienaufenthalt wird Desmond...

von Moldmaker am: 09.12.2013

Einleitung

Mit Assassin's Creed 3 wird die erfolgreiche Serie fortgesetzt, nachdem Ezio das Zeitliche gesegnet hat. Nach dem Italienaufenthalt wird Desmond Miles wieder zurück in seine Heimat, die USA, gebracht. Hier wird in einer unterirdischen Anlage, die von der Ersten Zivilisation errichtet wurde, erneut der Animus aufgebaut. Und schon geht es weiter, Zunächst mit einer unbekannten Hauptfigur, später dann mit Connor, dem Halbindianer. Die Entscheidung, die Reihe in USA fortzuführen mit massiven Bezügen auf geschichtliche Ereignisse, scheint mir vor allem eine marketingtechnische zu sein, Eine logische Fortschreibung der bisherigen Geschehnisse ist das ganze nicht. Aber man wollte wohl nicht wieder einen europäischen Schauplatz präsentieren.

Rahmenhandlung

Ubisoft hat einen Fehler gemacht, indem man Lucy Stillman, die ja bekanntlich eine Templer-Doppelagentin war, durch Desmonds Hand sterben ließ. Damit hat man ohne Not ein großes erzählerisches Potential aus der Hand gegeben. Beispiel: Man hätte Lucy als Gegnerin von Desmond positionieren können. Man hätte mit Lucy im Animus einen Templer oder besser noch eine Templerin spielen können, die gegen Desmonds Figur kämpft. Gleichzeitig hätte man Desmond und Lucy eine romantische Affäre miteinander erleben lassen können, die im Widerspruch zur Spielhandlung stünde. Und so weiter. Das hätte eine enorme Spannung aufgebaut und wäre sehr interessant gewesen. Stattdessen fehlt Lucy jetzt und man wurstelt weiter im Animus herum und weiß gar nicht so richtig, warum und für wen.

Steuerung

An der Steuerung hat sich gegenüber den Vorgängern nicht viel geändert. Mit einer Ausnahme: Wer die AC-Reihe, die ja ein Konsolenport ist, wie ich mit dem Controller spielt statt mit Maus und Tastatur, erlebt einige unangenehme Überraschungen. Es werden nur noch Xbox-kompatible Controller vollständig unterstützt, andere nur teilweise. Die Tastenbelegung ist nicht änderbar, wurde aber gegenüber den Vorgängern völlig umgekrempelt. Warum, können die Verantwortlichen wohl selbst nicht erklären. Die Steuerung des ersten AC, das sogenannte „Puppenspieler“-Konzept, war derart eingängig, daß man daran eigentlich gar nichts hätte ändern müssen. Sei's drum.

Spielmechanik

Klettern geht mittlerweile so automatisch, daß es keine Herausforderung mehr ist. In einigen Situationen wünscht man sich aber eher weniger Automatik: Wenn man einfach fliehen will, also abhauen, einfach geradeaus rennen, dann springt die Spielfigur trotzdem auf jedes erkletterbare Objekt zur Linken oder zur Rechten, wenn man zu nah daran ist. Das kann sehr lästig sein, weil man dann erst umständlich wieder loslassen muß oder Umwege in Kauf nehmen muß, die man gar nicht eingehen wollte. In der Zeit, die man damit verplempert, haben einen die Wachen dann schon eingeholt und teilen Hiebe aus. Das Kampfsystem ist mittlerweile allzu einfach, obwohl es bei den Vorgängern schon nicht schwierig war. Neu ist ein rudimentäres Deckungssystem. Stellt man die Figur an eine Hausecke oder einen Stapel Kisten oder ähnliches, schmiegt sie sich an die Wand und ist für Gegner nicht sichtbar. Und neu sind auch die „Anpirschzonen“, Areale mit niedriger Vegetation, in denen die Figur automatisch in die Hocke geht und somit unsichtbar wird. Eine ganz praktische Sache, die einige neue Möglichkeiten für Attentate mit sich bringt. Leider ist es immer noch nicht möglich, per Tastendruck hinter irgendwelchen Objekten selbständig in Deckung zu gehen. Die Attentate laufen ab wie gehabt. Neu ist die Möglichkeit, bei Gewehrangriffen Gegner als menschliche Schutzschilde zu verwenden. Ziemlich fies, aber effektiv. Connor hat natürlich auch einen Bogen und einen Tomahawk, das gehört zu einem richtigen Indianer dazu.

Gameplay

Nichts neues hier. Man betritt ein neues Gebiet und muß oder kann es erkunden. Durch das Erklettern von Aussichtspunkten werden neue Teile der Map freigeschaltet. Die Missionen werden durch Markierungen angezeigt. Außerhalb der Missionen kann man allen möglichen Nebenkram machen. Später mehr dazu. Die großen, lebendig wirkenden Städte sind interessant anzusehen. Es macht schon Spaß, sie zu erkunden. Überaus praktisch ist die Schnellreisefunktion, die im Verlauf des Spieles immer weiter freigeschaltet wird, je mehr Orte man besucht hat. Es gibt ein etwas hakelig zu bedienendes Handels- und Warenherstellungssystem. Während das Handelssystem gut integriert ist, weil man damit Geld verdienen kann, um irgendwelche besseren Ausrüstungsgegenstände zu kaufen, wirkt das Herstellungssystem für irgendwelche Gegenstände eher überflüssig.

Handlung

Es beginnt um 1760 in London mit einem Typ, den man zuerst nicht einordnen kann. Um eine Rezension zu schreiben, muß ich hier leider spoilern. Wer das Spiel also tatsächlich noch nicht kennt und es sich nicht verderben lassen will, sollte hier aufhören zu lesen. Statt des erwarteten und lautstark angekündigten Halbindianers Connor spielt man also einen undurchsichtigen Typen namens Haytham Kenway, der Engländer ist und alles tut, was man von den Assassinen so kennt, also Klettern und Meucheln. Die ersten Missionen sind interessant. Später wird per Schiff nach Boston gereist. Man trifft einige historische Persönlichkeiten wie Benjamin Franklin. Boston ist sehenswert und recht groß. Es gibt, wie immer in der AC-Reihe, viel zu entdecken und zu erkunden. Die Missionen sind ebenfalls gut gemacht. Haytham ist gerissen, skrupellos und knallhart. Es gibt auch eine Situation mit einer Indianerin, die Haytham das Leben rettet. Man ahnt schon, was dann passiert. Und am Ende der ersten Sequenz kommt als Überraschung, daß Haytham kein Assassine ist, sondern ein Templer. Das hat gesessen! Das ganze hat mir ausnehmend gut gefallen. Davon hätte ich gerne mehr gehabt. Wie das so ist bei romantischen Verwicklungen, bringt die Indianerin ein Kind zur Welt, dessen Vater Haytham ist. Der Junge wird uns zunächst als Kind vorgestellt. In allzu länglichen Tutorial-Missionen lernen wir nun einige neue Moves in der AC-Reihe, vor allem das Klettern in Bäumen, das flüssig und natürlich ist, sowie das Jagen von Tieren, das Auslegen von Ködern und einiges mehr. Es dauert einige Missionen, bis wir endlich den jugendlichen Connor vor uns haben. Zuvor wird das Dorf des Indianerstammes von einem von Haythams Leuten niedergebrannt. Connor merkt sich das Gesicht und den Namen. Nun muß ja irgendwann mal eine Verbindung zwischen einem Indianerjungen und den Assassinen hergestellt werden. Hierzu wird eine Spezialmission eingebaut, der Adlerflug, in welcher Juno, die Dame aus der Ersten Zivilisation, unserem tapferen Jungen, der nun von einem Adler repräsentiert wird, alles mitteilt, was er wissen muß, um zu verstehen, warum ausgerechnet er der Auserwählte ist, der den Kampf gegen die Templer weiterführen muß. Das ganze wirkt sehr bemüht, um nicht zu sagen: an den Haaren herbeigezogen. Auch wenn der belesene Zocker weiß, daß Altair „Fliegender Adler“ oder auch „Keines Mannes Sohn“ bedeutet. Der Junge gelangt danach zu einem alten Herrenhaus, in dem der alte Achilles wohnt, der seinerseits die Assassinen in Nordamerika repräsentiert. Wie die dorthin gekommen sind und warum Achilles zu ihnen gehört, wird nicht erklärt. Der Junge jedenfalls bittet darum, von Achilles ausgebildet und trainiert zu werden, was dieser nach einiger Brummelei dann auch macht und Connor auch Connor nennt – wieder ohne daß erklärt wird, warum eigentlich. Am Ende dieser ganzen umständlichen Prozedur haben wir endlich den erwachsenen Connor vor uns und können uns der eigentlichen Geschichte widmen.

Missionen

Die Geschichte wird in den Hauptmissionen vorangetrieben. Wie immer sind die Missionen in „Sequenzen“ zusammengefaßt. Sie sind solide gemacht, interessant und spannend; es gibt wenig daran auszusetzen. Damit verbunden ist der Aufbau der „Siedlung“, in dessen Verlauf etliche Nebenmissionen zu erledigen sind. Aber hätten weiße Siedler sich einem Halbindianer untergeordnet bzw. ihn als Respektsperson oder Anführer akzeptiert? Die Frage stellt sich auch bei dem maritimen Missionen, wo Connor ein ganzes Schiff befehligt. Wer Red Dead Redemption gespielt hat, weiß, was ich meine. Im Verlauf des Spieles gelangt man dann auch noch nach New York. Interessant, wie europäisch die Städte erscheinen. Man kann annehmen, daß Ubisoft gut recherchiert hat, um die Atmosphäre des 18. Jahrhunderts an der US-Ostküste realistisch darzustellen.

Nebenaufgaben

Es gibt sehr viel zu tun: Kuriermissionen, den Untergrund von Boston und New York erkunden, Forts befreien, Schiffsmissionen, Expeditionen, Konvois überfallen, aber vor allem anderen: Jagen. Und hiermit kommen wir zum besten Teil von AC3, dem Grenzland. Das Grenzland ist das Filetstück dieses Spieles. Es ist riesengroß und in verschiedene Regionen unterteilt. Im Grenzland leben viele Tierarten, die alle gejagt werden können. Aus der Jagdbeute können Dinge hergestellt werden, die zum Aufbau der Siedlung benötigt werden, oder man kann sie verkaufen; entweder ganz einfach beim Händler in Boston oder New York, oder man stellt Konvois zusammen, für die es dann mehr Kohle gibt. Das Grenzland ist so gut gemacht und so stimmig, daß es auch als eigenständiges Spiel durchgegangen wäre. Hinzu kommen noch die Jahreszeiten. Sowohl im Sommer als auch im Winter ist das Grenzland eine Augenweide. Auch nach Beendigung der Haupthandlung und sämtlicher Neben- und Sammelaufgaben kann man immer wieder ins Grenzland zurückkehren und jagen

Schwierigkeitsgrad

Insgesamt ist AC3 zu einfach. Andererseits wird man (wie immer in der AC-Reihe) zu früh und zu schnell von den Wachen entdeckt, so daß man kämpfen muß. Meine Empfehlung an die Entwickler: Mehr schleichen, weniger kämpfen! Die Balance stimmt nicht. Die Vorgaben für die 100%-Erfüllung sind teilweise nur schwer zu schaffen, was aber oftmals an der Steuerung oder irgendwelchen Zufällen scheitert.

Technik

Die Grafik sieht noch etwas besser aus als bei den Vorgängern. Auf meinem PC läuft AC3 sehr flüssig, allerdings von Zeit zu Zeit mit minimalen Framerate-Drops. Die haben sicher nichts mit meiner Hardware zu tun. Ich habe deshalb einige Optionen runtergedreht, etwa die Schattenqualität oder die Umgebungsqualität, und kann rein optisch keinen Unterschied feststellen. Allerdings werden die kurzzeitigen Framerateneinbrüche dadurch tatsächlich gemildert. Insgesamt eine saubere Umsetzung, die problemlos läuft. Es fällt auf, daß die Audioausgabe teilweise deutlich zu leise ist. Bugs sind mir eher selten aufgefallen, bis auf einen nicht löschbaren Konvoi, der einen Konvoi-Slot dauerhaft blockiert hat. Das hatte aber keinen weiteren negativen Einfluß.

Fazit

Das Spiel macht einen unausgewogenen Eindruck. Man hätte einige Tätigkeiten besser mit Haytham statt Connor ausüben sollen, etwa die Seefahrtmissionen. Und warum sollte ein Eingeborerer den Weißen, die sein Land stehlen und sein Volk ermorden, dabei helfen, auf ebendiesem Land eine Siedlung aufzubauen? Warum sollte er (freiwillig) ihre Konflikte lösen, ihre Kämpfe ausfechten? Stimmig ist das nicht, und das wertet das Spiel ab. Zu Beginn gefiel es mir, auch mal einen Templer zu spielen und die Handlung aus ihrer Sicht der Dinge voranzutreiben. Leider hat man sich bei Ubisoft nicht getraut, das auch mal konsequent umzusetzen. Die Figur des Connor selbst wirkt eher dröge, leicht mißmutig, und seine Motivation bleibt schleierhaft. Insgesamt ist Connor eine etwas unglückliche Besetzung für die Hauptfigur in AC3. Haytham hingegen hat ein scharfes Profil und hätte eine ideale Hauptfigur abgegeben.. Es wäre interessant gewesen, das Spiel sozusagen in zwei Hälften zu zerteilen: Haytham als Vertreter der Weißen und der Templer, die ja mehr oder weniger als die Bösen dargestellt werden, und Connor als Vertreter der Assassinen (warum auch immer), die das Gute repräsentieren. Stattdessen gibt es eine halbgare Mischung.

Mm.


Wertung
Pro und Kontra
  • Gute Grafik
  • Missionen machen Spaß
  • Enormer Umfang
  • Viele Nebenaufgaben
  • Große Bewegungsfreiheit
  • Das Grenzland ist der beste Teil des Spiels
  • Verhunzte Steuerung (Controller)
  • Zuwenig Schleich, zuviel Kampf
  • Hanebüchene Rahmenhandlung
  • Verschenktes erzählerisches Potential
  • Motivation von Connor ist unverständlich und unglaubwürdig
  • Mißmutige Hauptfigur

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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