Seite 2: Hall of Fame: Baldur's Gate Saga - Der König der Rollenspiele

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Das Team ist der Held

Dabei sind die Gefährten im ersten Teil noch nicht sonderlich redselig, gehen keine Romanzen ein, mischen sich nur selten ein und dann auch nur mit sparsamen Kommentaren. Die deutsche Synchronisation hat für mich heute Kultcharakter, ist aber anfangs ziemlich nervig gewesen.

Die Schwertküste bei Nacht: Schön – und gefährlich! Die Schwertküste bei Nacht: Schön – und gefährlich!

Der sächsische Dialekt, die jammernde Imoen, die motzende Jaheira - mittlerweile finde ich das herrlich, denn es macht den kantigen Charme des Spiels aus. Wenn ich dann endlich mein Team zusammen habe, meine verschworene Gruppe von beinharten Helden, dann motiviert mich vor allem der Fortschritt der Gruppe. Jeder Charakter verbessert sich sukzessive, steigert sich in seinen Fertigkeiten, bekommt neue Zauber, eine bessere Trefferwahrscheinlichkeit, bessere Rüstungswerte. Und das schlägt sich deutlich in den teilweise extrem fordernden Kämpfen nieder - im Wortsinn!

Folgerichtig zählen nicht nur Khalid und Jaheira zu meinen besten Freunden, sondern auch die Schnellspeicherung - denn wenn ich schlecht würfle (das D&D-Regelwerk würfelt nach bestimmten Regeln alle Kampf- und sonstigen Entscheidungen aus), dann kann eine gewaltsame Konfrontation, die auf Messers Schneide ausgefochten wird, ganz heftig in die Hose gehen.

Aber auch dann habe ich jede Menge Möglichkeiten, zu reagieren und meine Strategie zu ändern: Pausenmodus an, Team anders positionieren, effektivere Zauber verwenden, Magie mit Gegenmagie kontern. Selten war der Sieg so süß, so befriedigend wie in jenem Moment, als der Todesritter aus dem Addon Legenden der Schwertküste tot zu Boden sank. Vorher hatte sich meine Gruppe ewig durch diesen Wahnsinnsdungeon unter Durlags Turm gerätselt, geknobelt und geprügelt.

Baldur's Tor Baldur’s Tor: Der Name einer Stadt, der stellvertretend für ein ganzes Epos steht.

Atkatla Baldur's Gate 2 beginnt in der Stadt Atkatla, deren Brückenviertel jede Menge kreuzgefährlicher Halsabschneider beinhaltet. Und bösartige Untote.

Noch etwas fällt mir beim erneuten Spielen auf: Die Dialoge sind (auch heute noch) durch die Bank grandios geschrieben. Sie sind präzise und pointiert. Darin verwoben sind jede Menge - oft unterschwellige - Entscheidungen: Ich erinnere mich an diesen Wahrsager, der in meine Zukunft sieht - und dann voll Panik jede Auskunft verweigert.

Frage ich nach und dränge ihn, mir zu sagen, was er gesehen hat, wird aus Panik Aggression und er greift meine Gruppe an. Oder Lena, deren Freund im Sterben liegt. Ich verspreche, ihn schnell zu einem Tempel zu bringen. Unterwegs mache ich noch in Beregost Halt, nur um einzukaufen, dauert ja nicht lange. Doch als ich endlich den Tempel erreiche, ist der Verwundete tot - ich habe mir zu viel Zeit gelassen. Es sind solche Geschichten, die mich mal freudig, mal wehmütig an jeden einzelnen Baldur's-Gate-Durchlauf zurückdenken lassen.

Krönung durch den zweiten Teil

Mit Baldur's Gate 2 setzt sich Bioware dann endgültig die Rollenspielkrone auf. Im Vergleich zur Ursprungsversion des ersten Teils verändern sich viele technische Aspekte, den größten Fortschritt machen aber die Geschichte, die Charaktere, die Dialoge und die Aufgaben. Das Wort »Vielfalt« wird aus dem Stand neu definiert. Während ich bereits zu Beginn mehrere emotionale Rückschläge verkraften und Tode hinnehmen muss, finde ich bald schon neue Begleiter, denen Bioware allesamt vielschichtige Persönlichkeiten spendiert hat.

Da wären etwa die zerbrechliche Elfe Aerie oder der aufrechte, leicht arrogante Kleriker Anomen. Dem kauzigen Erfinder und Steckrüben-Fan Jan Jansen helfe ich bei der rührenden Geschichte rund um seine kranke Tochter. Oder ich suche mit dem abgrundtief bösen Zwerg Korgan das verfluchte Buch von Kaza.

Die Wachende Feste ist eine einzige Herausforderung. Im Keller der Festung wartet der Dämonenfürst Demogorgon auf uns. Die Wachende Feste ist eine einzige Herausforderung. Im Keller der Festung wartet der Dämonenfürst Demogorgon auf uns.

Und dann ist da noch Viconia, die Drow. Drow-Dunkelelfen sind im D&D-Universum von Natur aus eigensinnig, skrupellos, böse. Auch Viconia ist nicht gerade die nette Milchmagd von nebenan. Aber sie ist eine alte Bekannte. Ich hatte ihr im ersten Baldur's Gate schon einmal das Leben gerettet. Jetzt rette ich sie erneut und nehme sie - obwohl es dem Ansehen meiner Gruppe schadet - als Begleiterin mit.

Und das ist die beste Entscheidung, die ich je in einem Spiel getroffen habe. Denn zwischen meinem gutmütigen Helden und der hartherzigen Drow baut sich ganz langsam eine Romanze auf, die in tiefsinnigen Dialogen über Gut und Böse, Liebe und Leid, Mitgefühl und Verantwortung gipfelt. Viconia treibt mich durch eine Achterbahn der Gefühle, das macht diese Beziehung für mich unvergesslich.

Die Texte - nicht nur dieser Romanze - sind in Baldur's Gate 2 so glaubwürdig geschrieben, dass sie mich in die Handlung, ja sogar in jede Nebenhandlung geradezu hineinsaugen. Meine Begleiter mischen sich ein, sagen ständig ihre Meinung, bitten mich um Hilfe oder darum, das Richtige zu tun. Ich führe hier keine Haudraufroboter, sondern eine lebendige Gruppe.

Mächtigere Helden Meine Gruppe wird immer stärker, immer mächtiger. Bessere Rüstungen, bessere Waffen ...

Noch mächtigere Magier ... und natürlich bessere Zauber! Die Magier in diesem Spiel können unglaublich mächtig werden.

Und gerade, als ich glaube, ich hätte mit Viconia den Höhepunkt der Begleiter-Interaktion erreicht, packt das Spiel noch einen drauf: All das Gerede über Mitgefühl, Liebe, Gut und Böse hatte nicht nur einen romantischen Sinn: Es gelingt mir tatsächlich, Viconias Gesinnung, die grundsätzliche Bosheit einer Drow, zum Besseren zu wenden. Dieser Moment ist bis heute die Krönung meines bisherigen Spielerlebens.

Kein anderes Spiel hat es vermocht, Story, Persönlichkeit, Tiefe und Spielwitz so perfekt kulminieren zu lassen wie Baldur's Gate 2. Und das mit einer verdammten Nebenhandlung rund um ein einzelnes Gruppenmitglied!

Packende Abenteuer

Die Kupferkrone ist ein gemütliches Gasthaus im Slum-Viertel von Atkatla. Hier finden wir unter anderem einige Begleiter und treffen Minsc wieder. Die Kupferkrone ist ein gemütliches Gasthaus im Slum-Viertel von Atkatla. Hier finden wir unter anderem einige Begleiter und treffen Minsc wieder.

Anders als im ersten Teil, in dem ich viel Spielzeit mit Erkundungstouren verbringe und mal hier, mal da jemandem begegne, entfaltet sich in Baldur's Gate 2 von Anfang an ein unglaublich packendes Geflecht aus Geschichten und Entscheidungen, die mich immer wieder zum Nachdenken zwingen. Ich jage auf der Suche nach der schwer gezeichneten Imoen dem wahnsinnigen Jon Irenicus hinterher.

Dabei scheuche ich seine dunkle Schwester, die kreuzgefährliche Vampirin Bodhi auf. Die Jagd geht durch das Unterreich, wo ich die Drow-Stadt Ust Antha infiltriere - und vernichte. Im Unterreich finde ich gefährliche Betrachter (diese schwebenden Viecher mit den Stiel-Augen) und noch gefährlichere Gedankenschinder, die jeden Kampf zu einer Auseinandersetzung auf Leben und Tod machen.

Zugleich sind die vielfältigen Begegnungen, die Rätsel, die tollen Karten und noch viel besseren Ideen (das Sphären-»Raumschiff« im Slumviertel!) eine wahre Pracht. Die Kämpfe sind nicht einfacher geworden, im Gegenteil: mehr Klassen, mehr Zauber (Der Moment, als mein Magier das erste Mal einen Zeitstopp zaubert - unbezahlbar!), mehr Fertigkeiten und viel mehr heftige Gegner.

Irenicus Abschied? Oder verliere ich den Kampf auf dem Baum des Lebens? Irenicus Abschied? Oder verliere ich den Kampf auf dem Baum des Lebens?

Erinnert sich noch jemand an diese eine Tür im Brückenbezirk in Atkatla, die man nur mit einem Spitzbubenstein öffnen kann? Dahinter wartet der Magier Shangalar - mit einer Meute weiterer, extrem mächtiger Magier, einem Betrachter und einer Vampirin. Ich weiß noch, wie viele Stunden ich an einer Taktik gefeilt habe, bei der am Ende nicht ständig irgendeiner meiner Freunde unwiderruflich ins Gras gebissen hat!

Oder die Quest rund um den Leichnam Kangaxx. Epische Kämpfe? Ha! Als meine Gruppe das erste Mal auf den wild zaubernden Untoten traf, erlebte ich mein blaues Wunder. Ich wurde innerhalb von wenigen Sekunden weggefegt. Ausradiert. Kangaxx warf mit tödlichen Zaubern um sich, als wären es Kamelle auf einem Karnevalsumzug. Ich sehe mich heute noch dasitzen, mit offenem Mund. Junge, ich komm bald wieder.

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