Spannendes Finale mit metaphysischen Anleihen

Hinsichtlich des technischen Überbaus setzt Bioshock Infinite wahrlich keine Maßstäbe. Die Objekte sind polygonarm und viele Texturen erscheinen...

von Hans_W am: 08.04.2013

Hinsichtlich des technischen Überbaus setzt Bioshock Infinite wahrlich keine Maßstäbe. Die Objekte sind polygonarm und viele Texturen erscheinen unscharf. Um diesem Mangel zu kompensieren, haben die Entwickler einen eigentümlichen Stil kreiert. Die Figuren wirken, wie aus einem Trickfilm entnommen, die Spielwelt ist bunt und kontrastreich. Verbunden mit der bizarren Story erscheint das technische Gerüst stimmig, was auch an der exzellenten (englischen) Vertonung liegt und den knackigen Soundeffekten.

Oberflächlich betrachtet handelt es sich bei Bioshock Infinite um einen klassischen Shooter, der auf ein Deckungssystem, wie es heute Mode ist, gänzlich verzichtet. Es gibt eine recht umfangreiche Auswahl gut balancierter Waffen, aus welcher man zwei Geräte gleichzeitig mit sich führen darf. Eine Nahkampfwaffe, die man zu Spielbeginn erhält, komplettiert das Arsenal. Außerdem gibt es Spezialkräfte, sog. Vigors, mit ganz unterschiedlichen Effekten, die den Kämpfen ein wenig taktische Tiefe verleihen. Waffen und Vigors können modifiziert und verbessert werden, was an entsprechenden, in der Spielwelt verteilten Automaten möglich ist und mit Geld bezahlt werden muss, das sich beim Durchstöbern des Hausrats, von Behältern und Leichen anhäuft.

Die Kämpfe selbst sind relativ unspektakulär, was unter anderem an der Variantenarmut der Gegner liegt. Ein interessanter Aspekt sind die Skylines, an welche man sich anklinken kann, um im Gefecht die Position schnell zu wechseln, um Gegner zu überraschen oder sich aus einer Notlage zu befreien. Als Begleiter über rund Dreiviertel der Spielzeit fungiert Elizabeth, die den Spieler im Gefecht passiv unterstützt, also Munition und Medikits liefert und mittels übernatürlichen Fähigkeiten Objekte aus Parallelwelten erscheinen lassen kann. Sie kommentiert auch allgemeine Geschehnisse auf sympathische Weise, was zu einer aufgelockerten Atmosphäre führt.

Doch sehr viel wichtiger ist Elizabeths Anteil bei der Entwicklung der Story. Die Geschichte spielt in Amerika des Jahres 1912. Der vom Spieler gesteuerte Protagonist Booker DeWitt zieht mit dem Auftrag los, Elizabeth aus den Händen des sogenannten Propheten Comstock zu befreien, um Schulden zu begleichen. Comstock ist der Gründer der Stadt Columbia, ein bizarres Utopia, das dank modernster Technologie im Himmel schwebt. Während dessen opponiert die Unterschicht der Stadt gegen die reaktionäre Staatsmacht und selbstverständlich wird auch der Spieler in diese Angelegenheit hineingezogen.

Ich bin selber kein Shooter-Enthusiast und mich haben die repetitiven Scharmützel nach einiger Zeit gelangweilt. Leider entwickelt sich auch die Story eher schleppend und versucht, Logikfehler mittels Wunderlichkeiten und bizarrer Elemente zu übertünchen. Das gelingt nur leidlich, doch hinreichend gut, um den Spieler bis zum Ende bei Laune zu halten. In den letzten dreißig Minuten schließlich überschlagen sich die Ereignisse und die Eindrücke, die der Spieler erfährt, können leicht überfordern. Das ist erzählerisch notwendig, denn bei einer präzisen Dosierung der Ereignisse würden die teils scheunentorgroßen Logiklücken zu stark ins Blickfeld rücken. Dennoch belohnt der Ausgang des Spiels für die Strapazen auf der Wegstrecke dorthin. Das, woran viele Spiele scheitern, gelingt Bioshock Infinite bravurös: Den Spieler nachdenklich und zugleich befriedigt zurückzulassen.

Mir klingt noch das von Frau Schmitz eingesprochene Bewertungsvideo in den Ohren, in welchem sie den bemerkenswerten Versuch wagt, die komplexe und verwirrende Story zu erklären ohne zu spoilern. Dass das zu nichts führt, muss ihr selber klar gewesen sein. Doch möchte ich den geneigten Leser auf andere Weise auf das Spiel vorbereiten -- ohne Spoiler aber mit metaphysischem Fingerzeig:

»Siehe diesen Torweg, der hat zwei Gesichter. Zwei Wege kommen hier zusammen: die ging noch niemand zu Ende. Diese lange Gasse zurück: die währt eine Ewigkeit. Und jene lange Gasse hinaus - das ist eine andre Ewigkeit. Sie widersprechen sich, diese Wege; sie stoßen sich gerade vor den Kopf- und hier, an diesem Torwege, ist es, wo sie zusammenkommen. Der Name des Torwegs steht oben geschrieben: ›Augenblick‹. Aber wer einen von ihnen weiter ginge - und immer weiter und immer ferner: glaubst du, daß diese Wege sich ewig widersprechen?« - Siehe diesen Augenblick! Von diesem Torwege Augenblick läuft eine lange ewige Gasse rückwärts: hinter uns liegt eine Ewigkeit. Muß nicht, was laufen kann von allen Dingen, schon einmal diese Gasse gelaufen sein? Muß nicht, was geschehn kann von allen Dingen, schon einmal geschehn, getan, vorübergelaufen sein? Und wenn alles schon dagewesen ist: was hältst du von diesem Augenblick? Muß auch dieser Torweg nicht schon - dagewesen sein? Und sind nicht solchermaßen fest alle Dinge verknotet, daß dieser Augenblick alle kommenden Dinge nach sich zieht? Also -- sich selber noch? Denn, was laufen kann von allen Dingen: auch in dieser langen Gasse hinaus - muß es einmal noch laufen! - Und diese langsame Spinne, die im Mondscheine kriecht, und dieser Mondschein selber, und ich und du im Torwege, zusammen flüsternd, von ewigen Dingen flüsternd - müssen wir nicht alle schon dagewesen sein? - und wiederkommen und in jener anderen Gasse laufen, hinaus, vor uns, in dieser langen schaurigen Gasse-– müssen wir nicht ewig wiederkommen? -« Also redete ich, und immer leiser: denn ich fürchtete mich vor meinen eignen Gedanken und Hintergedanken. (nach Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra)


Wertung
Pro und Kontra
  • gute Story mit interessantem Ende
  • spitzenmäßige Vertonung und Soundeffekte
  • stimmige Spielwelt
  • langatmige und repetitve Abschnitte
  • Grafik insgesamt altbacken

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(1)
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