Ganz klar, dass ich gleich zu 44 € griff und mir den mittlerweile dritten Teil der Saga besorgen wollte, vor allem weil mich Spiele von Irrational Games schon immer in ihren Bann zogen. Lassen wir mal Bioshock 2 einen netten Actiontitel sein, der für meine Begriffe nicht so sehr die Intensität des Vörgängers erreichte, erhoffte ich mir von dem neuen Szenario und dem Drumherum doch eine Menge. Und was soll ich sagen? Ach, lest einfach selbst...
Von unten nach oben
Die Serie hatte wohl genug von Wasser, um die Geschehnisse, die sich um den Privatdetektiven Booker DeWitt ranken, in den Himmel zu verlegen. Wie auch Rapture hatte die Stadt „Columbia“ genug von den Beschränkungen und Diffamierungen seitens des US-amerikanischen Staates und verzog sich mittels Quantenmechanik in die Wolken. DeWitts Auftrag ist eigentlich denkbar einfach, denn er soll eine junge Frau namens Elizabeth aus der Obhut des Regimentführers Comstock befreien. Doch hat der Privatschnüffler nicht nur mit den Widrigkeiten der schwebenden Stadt zu kämpfen, sondern auch mit seiner dunklen Vergangenheit...
Was die Story angeht, fährt „Bioshock Infinite“ endlich mal wieder schwere Geschütze auf. So ist das Setting irgendwie das gleiche wie in Rapture geworden, wenn auch doch wieder anders. Statt einer astreinen 40er-Jahre-Art-Déco-Kulisse erwartet den Spieler nun ein bisschen mehr Abwechslung. Der Schein trügt natürlich, und so sind Jahrmarktsatmosphäre und das heile Leben der Einwohner natürlich nur die anfängliche Fassade. Anders als in den Vorgängern ist „Columbia“ nicht schon passiert, es geschieht, während wir uns in der Welt fortbewegen. Langsam aber eindringlich zerfällt die Stadt in ihre Bestandteile, und wir erleben das hautnah mit. Interessanter Aspekt dabei ist ein altmodischer, amerikanisch geprägter Grundpatriotismus, der leider auch ein bisschen an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, inklusive des altbekannten Rassismusauswuchses. Dem gegenüber stehen die Vox Populi, die nach Freiheit streben und die „Ghettos“ von Columbia besetzen, mit einer Anführerin, die jedoch ebenfalls nach zweifelhaften Motiven handelt. Ihr seht, dass einem da die Wahl eines Sympathieträgers sichtlich schwer fallen dürfte.
Während unser Held jetzt spricht, wird auch Elizabeth recht schnell zu unserer (fast) ständigen Begleiterin. Die ist anfangs noch etwas störrisch, aber uns schon bald eine richtig große Hilfe und sympathisches Anhängsel. Die Dame verfügt nämlich über die Gabe, Risse im Raum zu öffnen, und so versorgt sie uns mit schussbereiten Helfern wie stationären Geschützen, Deckungen oder Medikits. Elizabeth wird auch schnell zur Schlüsselfigur der gut 12 Stunden Spielzeit, und das nicht nur, weil sie aktiv nach Inventargegenständen sucht. Ihr Werdegang und das verbundene Schicksal werden wir auch bald am eigenen Leibe miterleben, und so verbinden sich die üblichen KI-Begleiter-Wortgefechte auch mit sehr eindringlichen Zwischensequenzen. Auch im weniger wichtigen Spielverlauf beobachte ich Elizabeth gerne dabei, wie sie mir entweder stur folgt oder die Umgebung nach Verwertbarem absucht, sich sogar zu Wort meldet, wenn sie Geld für uns sichergestellt oder Items entdeckt hat. Ein richtig wertvolles Fräulein eben.
Wie ein Fisch im Wasser
Wer die ersten Teile schon spielen konnte und lieben lernte, wird sich hier ebenfalls wohlfühlen. Die Steuerung ist gar etwas direkter portiert worden als noch das konsolige Bioshock, was aber in vielerlei Hinsicht im Spielgefühl nicht so viele Unterschiede macht. Die Waffen sind so unterschiedlich wie eh und je, und auch die Fähigkeiten sind trotz der Vielseitigkeit teilweise nicht anders nutzbar wie noch in der Unterwasserstadt. Die haben auch wieder Blitz oder Feuer im Angebot, aber können sie doch noch ein bisschen mehr. Man kann so zum Beispiel gefräßige Krähen einsetzen, die unseren Gegnern Gesundheit raubt und sie kurzzeitig kampfunfähig machen. Auch darf gerne kombiniert werden, egal ob mit unserem Inventar (sprich der Kralle, die wir immer bei uns tragen) oder anderen Kräften. Weniger schön dagegen, dass wir nur zwei Knarren behalten dürfen, ansonsten ist Tauschen angesagt, genauso ist das bei den Kräften der Fall, was wiederum dazu führt, dass wir die Dinger etwas bewusster einsetzen.
Apropos Kralle: Die macht spielerischen Sinn und sogar Spaß, wenn man sie benutzen kann. Da kann man sich jetzt über Sinn und Unsinn des Anlaufes streiten, den Booker mal locker überwindet, aber sieht es verdammt cool aus, wenn der sich an die Skylines klammert oder an Frachthaken in andere Ebenen hochbugsiert. Da reicht es völlig, die Ziele anzuvisieren und durch Tastendruck die unmenschlichen Sprünge zu vollführen.
Dabei gibt es so viel zu entdecken. Mal abgesehen von Waffen aller Art, die sich auch noch grundsätzlich unterscheiden, sind auch die Salze von größter Bedeutung. Die füllen unseren Energievorrat auf, damit die Fähigkeiten ünerhaupt erst angewendet werden können. Auch aus den ersten Teilen übernommen sind die Verkaufsautomaten, wo es Munition, Upgrades und Medipacks im Angebot gibt. Da lohnt es sich gerade noch mehr, die verwinkelsten Ecken der Levels zu erkunden, auch hier ist das Geld farmen von existentieller Bedeutung. Als wäre das nicht genug, gibt es noch verschlossene Räume zu öffnen, die man mit den Lockpicks öffnet (und Elizabeth als Türöffnerin erste Güte enttarnt). Die dort öfter mal vorhandenen Tränke boosten dann unsere Gesundheit, Schilde oder Salzvorrat. Genug? Nein, denn es gibt auch noch Ausrüstungsextras, die man jedoch nur im Austausch gegen andere einsetzen kann. Vergleichen und Abwägen ist hier also Pflicht.
Herr der Lage
Im Grunde ist „Bioshock Infinite“ linear aufgebaut, einzig Bonusräume und Verstecke laden hier zum Abklappern ein. Motivierend ist das natürlich, kann aber auch nicht verhehlen, dass es meilenweit von einem richtigen, offenen Rollenspiel entfernt ist. Da man dies auch schon von den Vorgängern her kannte, ist das Spiel für anspruchsvolle Shooterfreunde und Storyfreaks durchaus eine Empfehlung, Hardcore-RPGler dürften sich jedoch permanent unterfordert fühlen. Eher geeignet ist der Shooter für diejenigen, die ein bisschen mehr Wert auf eine gute KI legen, denn dumm sind die Gegner weiß Gott nicht. Zwar stehen sie gerne mal wie angewurzelt herum, aber auch nur, wenn sie sich in Sicherheit wiegen. Erst mal angeschossen, verziehen sie sich hinter die nächstbeste Deckung oder flankieren uns gnadenlos. In bestimmten Szenen erlebt man sogar, dass sich die Gegner auf ihre Aufgabe konzentrieren und uns links liegen lassen, um beispielsweise einen Generator zum Klump zu schießen. Weniger KI-gesteuert, sondern einem komplexeren Angriffsmuster folgend sind größere Gegner einzuordnen. Etwa ein Fireman, die Krähe oder der bullige Handyman folgen einem berechenbaren Ablauf, der mich trotzdem immer wieder auf Trab gehalten hat. So macht es keinen Sinn, bei einem Fireman stur eine Deckung zu nutzen, Krähen sind windige Teleporter, und der Handyman ist gar in der Lage, Skylines unter Strom zu setzen und ist darüber hinaus ein penetranter Spießgeselle – eine Ohrfeige reicht, um uns die halbe Gesundheit wegzuklatschen.
Dass das brachiale Action verspricht, liest sich wohl aus den Zeilen heraus, aber mehr ist es auch nicht. Man verliert durch die verschiedenen Möglichkeiten die Spannung aus den Gliedern, hier sind eher Timing und ein bisschen Gehirnschmalz nötig. Ich persönlich finde es ein bisschen schade, weil dadurch die dunkle Faszination der Reihe flöten ging. Rapture setzte noch ein paar Nuancen mehr auf Horror, in „Infinite“ ist da kaum noch etwas von zu spüren. Die Neuerscheinung setzt eher auf Story und entsprechende Twists. Ich hatte schon Angst, dass da „Let´s twist again“ zum x-ten Mal auf dem Plattenteller gelandet wäre, aber wurde die Geschichte wirklich fesselnd erzählt und hält bis zum Schluss bei der Stange – wo ich dann doch ein paar Widrigkeiten feststellen musste, die nicht selbsterklärend sind, sprich: es bleiben viele Fragen offen. Aber eins sei verraten: Spielt es bitte, bitte durch, es lohnt sich!
Plattrosen und Fließbandwasser
Auch wenn die Hardwareanforderungen ordentlich gestiegen sind, sieht „Infinite“ nicht wirklich besser aus als seine mittlerweile gealterten Vorgänger. Natürlich sind Licht und Schatten sowie die HDR-Einsätze eine Augenweide, aber warum muss dann Wasser aussehen, als würde ein Fließband in sich zusammenlaufen oder Vegetation wie verpickelte Pappkulissen? Gerade beim feuchten Nass stört mich das unheimlich, weil man noch in „Bioshock“ von sehr hübschem Wasser umgeben oder weggespült wurde. Dafür sind Animationen und Texturen zumindest etwas zeitgemäßer, und die Wechsel zwischen den Stimmungen wurden auch schön ausgenutzt, etwa bei Spannungsabschnitten oder wenn sich allgemein die Farbgebung von Abschnitten ändert. Allgemein ist „Infinite“ etwas farbenfroher gehalten, was wohl auch am Setting liegt, kann aber auch Stimmungen erzeugen, die rein grafisch betrachtet Abwechslung bietet.
Beim Sound ist da natürlich wieder der eigene Stil der I.G.-Spiele erkennbar, die auch in diesem Serienteil Verwendung findet. Da wurden wieder schöne Soundeffekte kreiert, ohne viel recyclet zu haben, und auch der Hintergrund ist ein potenzieller Stimmungsmacher. Die Musik ist dabei sehr abwechslungsreich gestaltet worden, da reicht die Spannbreite vom fröhlichen Jahrmarktsgedudel bis hin zu den atmosphärisch dunklen Abschnitten. Ebenso bei den Sprechern gibt es nichts besonderes zu beanstanden, denn da sind auch wieder professionelle Stimmgeber am Werk gewesen, die etwa Booker oder Elizabeth die passende Vertonung verpasst haben. Da ich selbst viel Wert darauf lege, hat das Spiel gerade diesbezüglich vieles richtig gemacht.
Fazit
Nun, was soll ich sagen? Ich wurde einfach mal wieder nicht enttäuscht, lieber Herr Levine. Auch wenn „Infinite“ mehr auf Actionthriller getrimmt wurde als noch die Vorgänger, habe ich das Spiel mit seinen alternativen Eckchen in guten 15 Stunden mal locker durchgehend verschlungen. Die Story ist dabei wieder sehr schön ausstaffiert worden, wirft aber auch viele Fragen auf, die teils an Logik vermissen lässt und im Gesamteindruck kein einheitliches Bild abgibt. Als straighter Shooter funktioniert der Serienneuling jedoch bestens, fördert die Adrenalinschübe und kann mit den Skylines sogar ein tolles, neues und vor allem einzigartiges Feature in die Spielwelt einbringen.
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