Seite 2: Call of Duty: Modern Warfare 3 - Kriegskirmes

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Nach einem fulminanten Luftballett der beiden Hubschrauber erwischt Frost den Hind schließlich an einer empfindlichen Stelle, das Ding schmiert ab. Allerdings rammt es dabei noch den Black Hawk, und auch der gerät ins Trudeln. Wildes Gepiepe der Elektronik, wildes Geschreie, Frost rutscht aus der Maschine, kann sich gerade noch festhalten. Der Black Hawk segelt einem Rohbau entgegen, droht in die roten Metallstreben zu krachen. Doch der Pilot schafft es in letzter Sekunde, den Hubschrauber wieder zu stabilisieren.

Dramatik pur, eigentlich müsste unser Herz rasen, eigentlich müssten wir das Atmen vergessen haben. Aber weil’s in Manhattan zuvor schon an jeder Ecke gerumst hat und weil schon so viele Helikopter vor unseren Augen zu Metallschrott verarbeitet wurden, lässt uns diese Szene vergleichsweise kalt. Uns geht es augenscheinlich nicht alleine so. Ein Blick auf die nationalen und internationalen Kollegen, die um uns herum sitzen, offenbart keine rechte Begeisterung, alle sind still. Die Entwickler von Sledgehammer und Infinity Ward müssen mit der anschließenden Frage »How did you like it?«, also »Wie hat's euch gefallen?« regelrecht um ein wenig Beifall buhlen.

Wir enthalten uns beim Geklatsche, uns ist nicht danach. Wir fragen uns in diesem Moment lieber, woran es liegt, dass der Funke nicht so recht überspringen will, denn eigentlich ist das Gesehene für sich genommen mehr als schick. Aber man kann Modern Warfare 3 nur schlecht als Einzelstück hinstellen. Haben wir in den letzten Jahren zu viel Call of Duty erlebt, ist das alles irgendwie kalter Kaffee, nur noch mal aufgewärmt? Wir fürchten, dass es genau das werden könnte. Die Menge an Skripts macht den Kaffee nicht genießbarer, im Gegenteil. Er schmeckt zu stark, fast schon bitter.

And it burns …

Nach dem Manhattan-Level geht’s in London weiter. Eine »Covert Ops«-Mission steht an. Wir atmen auf, es wird also jetzt etwas ruhiger. Männer in Schwarz (Hauptperson ist der SAS-Sergeant Markus Burns) machen sich im Schutz der Dunkelheit daran, in einen Lagerhausdistrikt vorzudringen. Dort soll ein Transport gefährlicher Waffen abgefangen werden.

Zunächst ist der verdeckte Einsatz auch einer. Die Spezialeinheit geht mit Schalldämpfern zu Werke, legt nach und nach zig patrouillierende Feinde lahm. Wir müssen zwar schmunzeln, weil eine Gegnergruppe, die nur ein paar Meter neben einer anderen steht, nicht mal hört, wie eine Tür mit Karacho aufgetreten wird. Sei's drum.

Als SAS-Mann Markus Burns müssen wir uns durch London kämpfen. Als SAS-Mann Markus Burns müssen wir uns durch London kämpfen.

Aber bald ist es vorbei mit der Ruhe, die Mission läuft - vom Spiel vorgeschrieben - aus dem Ruder. Der Transporter ist leer, die Männer vom Special Air Service werden bemerkt, die Feinde flüchten. Ruhe weicht infernalischem Lärm, und wieder kracht es an allen Ecken.

Der Höhepunkt der Operation findet in einem Londoner U-Bahn-Tunnel statt. Die Flüchtenden haben sich einen Zug geschnappt und brausen mit dem davon. Das Spiel will, dass sich Burns auf die Ladefläche eines Pickups und dort an ein MG schwingt. Modern Warfare 3 stellt den Fahrer, und der macht keine halben Sachen. Mit einem halsbrecherischen Tempo braust das Vehikel hinter der Bahn her (im Trailer bei Minute 0:20). Burns ballert, was das Zeug hält, während der KI-Fahrer gottgleiche Fähigkeiten an den Tag legt und entgegenkommenden Zügen in Nanosekunden ausweicht. Es passiert gleichzeitig so viel und so viel Unglaubliches vor uns auf der Leinwand, dass unser Gehirn kurz auf Standby schaltet, um nicht wegen Überreizung heiß zu laufen.

Erst als der verfolgte Zug entgleist, die Wagons in Tunnelpfeiler krachen und diese zum Einsturz bringen, der Wagen aber in groteskem Tempo weiter hinein in die Gefahrenzone rast, schaltet sich unsere Denkmurmel wieder an und fragt in den Lärm hinein: »Wieso bremst der nicht?!« Die Erklärung folgt in Form eines weiteren Skripts. Darin schlingert die Karre direkt auf den havarierten Zug zu, unter den Bildern steht unsichtbar »Achtung, Achtung! Jetzt wird’s oberwild, das kann niemand überleben!«, und dann ist Schluss. Die Präsentation ist zu Ende, und wieder schleicht sich ein bitterer Geschmack auf unsere Zunge.

Die Party ist vorbei

Es kann natürlich sein, dass Sledgehammer und Infinity Ward für die Vorstellung die intensivsten Szenen aus Modern Warfare 3 ausgesucht haben. Aber wir befürchten, dass es genau das ist, was wir in einem Großteil von Modern Warfare 3 erleben werden: dauernde Hetze von einer Skript-Sequenz zur nächsten. Dass das Spiel so keine Akzente setzen kann, dass so keine denkwürdigen Momente entstehen, sondern alles in einem wilden Brei unterzugehen droht, ist eine berechtigte Angst. Die Call of Duty-Party der letzten Jahre war zweifelsohne fantastische Unterhaltung, aber beim neuen Teil macht sich so langsam Katerstimmung breit.

Der Delta-Force-Mann mag zwar laufen, aber die Grafik der Serie tritt auf der Stelle. Hochaufgelöste Texturen? Fehlanzeige Der Delta-Force-Mann mag zwar laufen, aber die Grafik der Serie tritt auf der Stelle. Hochaufgelöste Texturen? Fehlanzeige

Daran ändern auch die von uns gesehenen kleineren Neuerungen wie hochklappbare Visiere an den Waffen, Miniraketenwerfer und 9-Bang-Granaten nichts. Obendrauf die im Vergleich zu Battlefield 3leicht antiquiert wirkende Grafik, die sich seit Modern Warfare 2 unserem Empfinden nach nicht merklich verändert hat. Wir überlegen kurz, ob wir den Entwicklern vorschlagen sollen, das Spiel in Old Warfair 3 umzubenennen. Dann verlassen wir den Präsentationsraum.

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