Seite 2: Shitstorm über Redmond - Protokoll eines PR-Desasters

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10.06. Microsofts E3-Briefing

Die Pressekonferenz kurz vor der E3 ist die Chance für Microsoft, alles wieder gut zu machen. Und ja, man konzentriert sich auf Games und zeigt einen Haufen guter Spiele. Zudem soll die Konsole weltweit schon im November in den Handel kommen. Die große Masse äußert sich allerdings nur hämisch über die Tonaussetzer bei den Spielepräsentationen und über den hoch angesetzten Verkaufspreis von 499 Euro. Microsoft hält weiter an seinem geplanten DRM-System fest. Das hochwertige Line-up bewegt kaum jemanden dazu, über die geplanten Gängelungen hinwegzusehen.

Trotz guter Show und einem tollen Lineup überwiegt nach der Pressekonferenz der Frust über die geplanten Gängelungen. Trotz guter Show und einem tollen Lineup überwiegt nach der Pressekonferenz der Frust über die geplanten Gängelungen.

Dann tappt Don Mattrick im Interview auch noch ordentlich ins Fettnäpfchen. Auf die Frage, was denn nun Spieler ohne Internet mit der Xbox One anfangen sollten, antwortet er nur: »Glücklicherweise besitzen wir ein Produkt für Menschen, die keine Verbindung mit dem Internet haben; es nennt sich Xbox 360.« Eine Steilvorlage für die den gerechten Spielerzorn. Und für Sony.

11.06. Sonys E3-Briefing

Auch Sony liefert zur Eröffnung der E3 2013 eine gute Show ab. Vielversprechende Spiele, aber die sind nicht das, was die anwesenden Journalisten und die Zuschauer im Web zu Jubel veranlasst. Es sind die folgenden Aussagen: Die PlayStation 4 ist codefree, kommt ohne DRM daher, man kann mit gekauften Spielen machen, was man will. Und: Die PlayStation 4 erscheint dieses Jahr zu einem Preis von nur 399 Euro. Microsofts Konsole kostet 100 Euro mehr.

Playstation 4 - Geht ganz einfach: Gebrauchtspiele auf der PS4 Video starten 0:21 Playstation 4 - Geht ganz einfach: Gebrauchtspiele auf der PS4

Das anschließend von Sony veröffentlichte Video »Used Game Instructional Video« zeigt, wie man ein PS4-Spiel weitergibt: Indem man es einfach einem anderen in die Hand drückt, keine DRM-Gängelei. Sony wird im Internet gefeiert. Gelungene PR!

17.06. Länderspezifische Regioncodes?

Das Microsoft-FAQ spricht zwar von den »üblichen« Regionalcodes in der Xbox One, also eine Trennung von Japan, USA und Europa, es halten sich aber hartnäckige Gerüchte darüber, dass Microsoft auch länderspezifische Codes in die Xbox One einbauen will. Das würde für deutsche Spieler bedeuten, dass Importe aus dem europäischen Ausland, etwa Uncut-Spiele, damit Tabu wären. Das schlechte Wetter über Redmond hält sich.

Was wäre, wenn?
Wäre Microsoft nicht von seinen DRM-Vorhaben abgerückt, müssten sich Spieler nun auf einige Einschränkungen gefasst machen. Könnten sich aber auch auf eine komfortable »Teilen«-Funktion freuen.

Online-Pflicht: Die Xbox One träte alle 24 Stunden kurz mit dem Microsoft-Server in Kontakt treten sonst würden Spiele bis zum nächsten Online-Gang gesperrt.

Spiele aktivieren: Spiele müssten online aktiviert werden und wären dann an den Xbox Live-Account gebunden. Ein Vorteil dabei wäre allerdings gewesen, dass man seine Spiele-Bibliothek mit bis zu zehn Freunden teilen hätte können.

Gebrauchthandel: Spiele zu verkaufen wäre nur noch über einen Händler möglich, der eine Lizenz von Microsoft erworben hat. Nur diese könnten die Bindung des Spiels zum Xbox Live-Account lösen. Gebühren für den Verkauf sollten nicht anfallen.

Eingeschränkter Import: Microsoft plante Regionalsperren, wie sie schon auf der Xbox 360 existieren. Diese trennen die USA von Japan und Europa. Gerüchten zufolge sollte es auch länderspezifische Sperre geben.

18.06. Die Quittung

Einige Tage nach der E3 zeigt sich auch in den Vorbesteller-Charts, dass die Spieler es ernst meinen: In den USA, eigentlich eine Xbox-Hochburg, kommen auf zwei Xbox-Vorbestellungen drei PlayStation 4-Order. Auch in Europa findet sich die PlayStation 4 auf Rang eins der Spielecharts, man munkelt von einem Vorbestellungsverhältnis von acht zu eins, auf eine Xbox One kommen acht georderte Playstations. Unsere Umfrage auf GamePro.de besagt, dass 71 Prozent der über 30.000 Teilnehmer zur Sony-Konsole tendieren.

19.06. Microsofts U-Turn

Die Meldung verbreitet sich schnell: Don Mattrick verkündet auf Xbox.com das Ende der DRM-Pläne. Microsoft legt eine 180-Grad-Wende hin und will die Xbox One im November ohne Region-Lock, ohne Internet-Zwang, ohne Gebrauchtspiel-Kontrolle und ohne Spiele-Aktivierung bringen. Das Internet zeichnet eine geteilte Meinung. Die einen freuen sich über die Änderungen, die anderen nennen die Xbox One nun »Xbox 180«, wieder voll der Häme. In unserer Blitzumfrage ein paar Stunden nach der Bekanntgabe stieg die Zahl der Leute, die sich derzeit für eine Xbox One entscheiden würden, immerhin von 20 auf 36 Prozent.

Vor Microsofts Einlenken Das ist deutlich: 71 Prozent der über 30.000 Umfrageteilnehmer sprachen sich vor Microsofts Kurswechsel für die PlayStation 4 aus.

Nach der Wende Nach der Kehrtwende kann die Xbox One immerhin 34 Prozent der Teilnehmer für sich gewinnen. Viele zuvor unentschlossene Käufer scheinen nun zu Microsoft zu tendieren.

In den deutschen Gaming-Charts bei Amazon kletterte die Xbox One auf Rang drei, hinter The Last of Us und die PlayStation 4, in England überholt die Xbox One die PS4 sogar schon. Trotzdem werden sich die Gewitterwolken noch eine Weile über Redmond halten, allein, weil wir alle ahnen, dass die Kehrtwende nur wenig mit »Your feedback matters!«, sondern vielmehr mit drohenden Einnahmeverlusten zu tun hat. Dass wir Spieler über die ganzen ursprünglich geplanten Gängeleien und Restriktionen nicht glücklich sein würden, dürfte sich Microsoft auch ohne Feedback gedacht haben können.

Die Macht der Kunden

Thomas Wittulski: Ich bewundere das Durchhaltevermögen und den Willen der Spielefans bei Facebook, Twitter und Youtube, die Microsoft unentwegt ihre Meinung gegeigt haben. Nicht die Hater und Fanboys, die das sowieso getan hätten, sondern Jene, die dem Konzern auf seriöse Art klar gemacht haben, dass die geplanten Gängelungen zwischen ihnen und der Xbox One stehen. »Mit DRM holen wir uns keine Xbox« war die klare Aussage. Und die hat Microsoft verstanden und darauf reagiert. Zwar etwas spät, aber immerhin. Wir lernen daraus, dass es sehr wohl noch möglich ist, Einfluss auf Firmen zu nehmen. Sogar auf so große Konzerne wie Microsoft. Auch wenn es letztlich die schlechten Vorverkaufszahlen sein dürften, die Microsoft zum Einschreiten bewegt haben. Seien wir stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben!

Für den Rückzieher muss ich mich allerdings ganz besonders auch bei Sony bedanken. Hätten die Japaner, wie wohl ursprünglich auch geplant, ebenfalls ein DRM-System angekündigt, hätten die Kritiker kein großes Druckmittel gehabt. Nun freue ich mich auch ohne faden Beigeschmack auf die kommende Konsolengeneration und kann mich endlich auf die Spiele konzentrieren, die da auf uns zukommen.

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