Sieg in 58 Runden
Die Reaktionen auf James‘ Reddit-Posting sind anfangs vorhersehbar. Andere Civilization-Fans geben noch am gleichen Tag mehr oder weniger sinnvolle Tipps: »Stell Deine Regierungsform auf Fundamentalismus um!«, »Städte erst mit Spionage-Atombomben schwächen, dann mit einem Fallschirmjäger erobern!« James lädt seinen Spielstand hoch, zahlreiche Civ-Profis schrauben daran.
Und siehe da, innerhalb weniger Spieljahre entschärfen sie die Situation und erringen die Weltherrschaft. Der wichtigste Schritt ist tatsächlich die Umstellung der Regierungsform. James‘ Kommunismus ist ineffizient, also schalten Veteranen auf Fundamentalismus, denn dann murrt das eigene Volk nicht mehr, die Städte unterhalten mehr Einheiten, Unterhaltungsbauwerke produzieren Geld statt Zufriedenheit.
Der größte Nachteil des Fundamentalismus ist keiner mehr: Die Forschung leidet zwar massiv, was aber egal ist, da James sowieso schon alles Erforschbare erforscht hat. Ein Spieler schafft es sogar am gleichen Tag, James‘ Welt in nur 58 Runden komplett zu erobern. Das ist ungefähr so, als ob ein Fußballspieler zehn Jahre verzweifelt versucht, das Tor zu treffen – bis ihm jemand zeigt, dass es hinter ihm steht.
Die BBC berichtet
Nach entsprechenden News auf einschlägigen Civilization-Fanseiten berichten noch am selben Tag allgemeine Spiele-Webseiten wie PC Gamer und Game Informer über James‘ Posting, über Nacht schwappt das Thema über den Atlantik, und Sites wie die französische Jeux Vidéo PC und natürlich GameStar berichten.
Auch das ist nicht ungewöhnlich. Aber es geht weiter. Viel weiter. Denn das Posting wird auch in traditionellen Medien aufgegriffen, an die man beim Thema Computerspiele kaum denken würde.
Am schnellsten ist die altehrwürdige britische BBC: Unter der Schlagzeile »Can PC Game Civilisation predict the future?« strahlt der Britische Sender schon einen Tag später ein siebenminütiges Interview mit James Moore aus, das auch auf der BBC-Website veröffentlicht wird -- abgesehen von der britischen, aber falschen Schreibweise (Civili»s«ation statt Civili»z«ation) ist der Beitrag sehr kompetent.
Was auch daran liegt, dass sich Moderator Justin Webb fachkundige Beratung vom Traditionsblatt Daily Telegraph geholt hat: Daniel Knowles, Assistant Comment Editor, ist selber Civ 2-Fan und beschreibt das Spiel seinem BBC-Kollegen etwas hochtrabend als »Art soziologischen Simulator« und »riesiges ökonomisches Modell«.
Sid Meiers Reaktion
Noch akademischer, ja geradezu philosophischer wird die britische Ur-Tageszeitung The Guardian, denn die schreibt am gleichen Tag online: »Von Civilization zu Big Brother: Wie ein Spiel George Orwells 1984 nachbildet«. Dummerweise prangt unter der Schlagzeile ein Bild des 14 Jahre jüngeren Civilization 5, was der Guardian nach einigen sanften Leserhinweisen entschuldigt: »Wir konnten in unserer Bilder-Datenbank keinen Screengrab von Civ 2 finden, also haben wir einen aus Civ 5 genommen – nach dem Motto besser der als gar keiner. Aber wir suchen weiter«. Bis heute haben sie das Bild nicht ausgetauscht.
Die New Yorker Website Maschable.com wendet sich sogar an den Civilization-Vater höchstpersönlich. »Wir haben nie damit gerechnet, dass jemand so lange an einer Runde Civ sitzen würde«, sagt Sid Meier im Interview. »Es gab auch gar keine Möglichkeit für mein Team, das Spiel über so einen langen Zeitraum zu testen.«
Und auf die düstere Lage im Jahr 3991 angesprochen: »Es war nicht unsere Absicht, den Spielern eine Lektion über die Zukunft zu erteilen. Civ wurde designt, um jeden Spieler eine eigene Geschichte schreiben zu lassen, es gab nie ein vorgegebenes Ende oder eine Botschaft der Designer.« PR-gestählt holt Meier noch weiter aus: »Civ soll den Spielern die Freiheit geben, so zu herrschen und zu erobern, wie es ihnen gefällt. Am wichtigsten ist aber, dass es ihnen Spaß macht!«
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